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Auf Pendler kommen nicht nur - wie hier auf der B1 in Berlin auf der Brücke in Lichtenberg - mehr Staus zu. Es wird auch teurer, in Berlin zu parken.

© picture alliance / dpa/Bernd Settnik

320.000 Menschen pendeln nach Berlin: Kommt nach dem „Mietendeckel“ jetzt der „Pendlerdeckel“?

Wer im Speckgürtel wohnt und in Berlin arbeitet, darf sich in Zukunft auf erschwerte Bedingungen einstellen. Berlins Bezirke bitten zur Kasse.

Rund 320.000 Beschäftigte pendeln an Werktagen aus dem Umland und aus anderen Bundesländern als Brandenburg in die Hauptstadt und es werden immer mehr. Berlins Bezirke wollen davon offenbar auch wirtschaftlich profitieren und erwägen, mehr über Parkplatzgebühren einzunehmen. Auch geht es ihnen darum, den Pendlerverkehr zu minimieren.

Ende Juni wurde das Ergebnis mehrerer, bisher nicht veröffentlichter Gutachten des Bezirksamts Mitte zur Ausweitung der gebührenpflichtigen Parkzonen bekannt. Der Vorstoß deckt sich mit Senatsplänen, die Parkraumbewirtschaftungszonen massiv auszuweiten. Kommt nach dem „Mietendeckel“ jetzt der „Pendlerdeckel“?
Berufspendler sollen sukzessive aus der Stadt verbannt werden. Jedenfalls die, die mit dem Auto kommen. Bis Ende 2019 soll die Parkraumbewirtschaftung auf 75 Prozent der Innenstadt ausgedehnt sein. Das ist erklärter Wille des Senats.
„Die Bestrebungen der Politik, die Parkraumbewirtschaftungszonen deutlich auszuweiten, um Pendlerverkehr zu minimieren, nimmt unsoziale Züge an“, kritisierte jetzt Axel C. Rahn, Vizepräsident der Baukammer Berlin. Sicherlich sei es richtig, dass weniger Pendler mit dem Pkw aus Brandenburg nach Berlin fahren sollen.

Pendler: Berlin und Brandenburg arbeiten nicht zusammen

„Doch muss man sich die Frage stellen“, so Rahn, „warum so viele Pendler ihren eigenen Pkw nutzen. Geht man der Sache nach, wird man feststellen, dass unzumutbare Zustände im öffentlichen Regionalverkehr Ursache sind: Volle Bahnsteige, überfüllte und oft dreckige Regionalzüge und S-Bahnen, Zugausfälle etc. sowie auch zu wenig Park- and-Ride-Möglichkeiten in Brandenburg.

Ehe man der Krankenschwester, die im Brandenburgischen lebt, weil der soziale Wohnungsbau in Berlin gestorben ist, ihren Weg zur Arbeit ins Krankenhaus erschwert, sollten sich die Politiker darüber einmal Gedanken machen, wie man das öffentliche Nahverkehrssystem verbessern kann.“

Brandenburg ist bundesweit jetzt schon das Bundesland mit der höchsten Quote an sogenannten Auspendlern.

Und es könnten noch mehr werden: Die sogenannten Städte der zweiten Reihe, wie Brandenburg an der Havel, Neuruppin, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt an der Oder, Jüterbog und Luckenwalde, könnten einen guten Beitrag zur Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes in Berlin und im Umland leisten, sagte Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) bei der Vorstellung des neuen „Wohnungspolitischen Kompass 2019“ Anfang Juli.

Dafür müssten jedoch die Bedürfnisse der Wohnungssuchenden nach guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, Zentralität und gleichzeitigem „Wohnen im Grünen“ stärker berücksichtigt werden.

Von einer „abgestimmten Entwicklung in der Region“ und einem „Zusammenwirken“ beider Länder seien Berlin und Brandenburg aber „weit entfernt“, kritisiert die Baukammer. „Es ist schon sonderbar, dass Verkehrspolitik heute offenbar ideologisch betrieben wird und nicht auf Basis einer fachkompetenten, bedarfsorientierten Planung“, schrieb Rahn in einer Stellungnahme.

Mehr Mehrfamilienhäuser im Berliner Umland

Damit werde der von Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher gepriesene Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP HR) konterkariert. Erst ein guter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) könne den Individualverkehr in einer Millionenmetropole begrenzen.

In der Debatte um Wohnungsmangel fordern die Bundesämter für Umwelt- und Naturschutz unterdessen, das Zubetonieren freier Flächen zu begrenzen. „Es gäbe genug Platz in den Städten“, sagte die Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, in Berlin. Bereits versiegelte Flächen wie Parkplätze könnten besser genutzt werden. „Der Autoverkehr benötigt unverhältnismäßig viel Raum in den Städten.“ Das langfristige Ziel müsse sein, stattdessen auf Radverkehr, öffentliche Verkehrsmittel und Car-Sharing zu setzen.

Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, warnte vor den Folgen des Flächenverlusts für die Ökosysteme. „Boden ist ein knappes Gut, das nicht vermehrbar ist“, sagte sie. Er biete Lebensräume für Pflanzen und Tiere, in Deutschland werde zu viel Fläche bebaut. Deutschland hat das Ziel, bis 2030 den Verbrauch von Fläche auf unter 30 Hektar am Tag zu senken, derzeit liegt er bei rund 60 Hektar, eigentlich wollte man 2020 bei 30 Hektar ankommen.

Naturschützer gegen Bauen auf der grünen Wiese

Krautzberger und Jessel werben dafür, einen Paragrafen im Baugesetzbuch auslaufen zu lassen, der das Bauen von Wohnraum auch auf der „grünen Wiese“ erleichtert. In einem Verfahren nach Paragraf 13b ist unter anderem keine Umweltprüfung notwendig und es muss keine Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz geben.

Die Regelung läuft am 31. Dezember eigentlich aus, könnte aber verlängert werden. Stichproben sowie Daten aus Bayern und Brandenburg zeigten, dass der Paragraf primär von kleinen Gemeinden genutzt werde und überwiegend Einfamilienhäuser gebaut würden, argumentieren die Behörden. Oft würden Umweltbelange gar nicht berücksichtigt. „Das ist ein Flächenverbrauch, den wir nicht zwingend brauchen, um die Wohnraum-Problematik in den großen Städten zu lösen“, sagte Krautzberger.

In den Orten im Berliner Umland sei auch Geschosswohnungsbau von Mehrfamilienhäusern wichtig, betonte Infrastrukturministerin Schneider: „Wir werden die Wohnungsfrage im Umland nicht mit Einfamilienhäusern lösen.“ Im Berliner Umland steigen unter diesen Vorzeichen nicht nur die Preise für Eigentum.

So sind die Angebotsmieten für Neuvermietungen im Berliner Umland von 2012 bis 2018 jährlich um 4,6 Prozent auf im Durchschnitt mehr als 8,50 Euro pro Quadratmeter gestiegen. In bis zu einer Stunde von Berlin entfernten zentralen Orten lag die jährliche Steigerung bei 3,4 Prozent, in weiter abgelegenen Gegenden bei 2,5 Prozent. (mit dpa und epd)

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