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3D-Kino für Innenausstattung: Fast so echt wie echt

Bei der Auswahl von Bodenbelägen, Fliesen und Wandfarben brauchen Bauherren viel Phantasie. Ein 3D-Kino soll die Planung vereinfachen.

3D-Filme im Kino: eine faszinierende Sache – zwischen Saurierfüßen zu spazieren oder sich hautnah mit Haien im Meer zu tummeln. Neu ist allerdings: Diese Technik macht sich jetzt auch die Fertighaus-Branche zunutze – im so genannten Bauherren-Kino.

Das bedeutet: Das geplante Einfamilienhaus steht zwar noch nicht, aber die künftigen Bewohner können schon durch den Flur wandern. Auch Bad, Schlafzimmer oder Wohnbereich können sie besichtigen. Vor dem ersten Spatenstich erleben sie ihr geplantes Domizil dadurch beinahe eins zu eins – viel anschaulicher als es Pläne oder klassische Computersimulationen leisten könnten.

Im Massivhauspark Netzen steht dazu ein kleiner Kinosaal mit großem Flachbildschirm. Ausgerüstet mit 3D-Brille und Fernbedienung ist man hier mittendrin im neuen Haus – und kann auch gleich mit der Gestaltung loslegen. „Hier ist der Bauherr Regisseur und Schauspieler in einer Person“, sagt Holger Schönemann, Geschäftsführer der Firma Softwareparadies. Er ist einer der drei Initiatoren des Pilotprojektes, das gemeinsam mit dem Massivhausanbieter „Bauunion 1905“ und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation ausgetüftelt wurde.

Sinn der Übung: Wände, Bodenbeläge, Fliesen und Möbel können per Tastendruck mit gewünschten Farben, Oberflächen und Materialien „belegt“ werden. So können Bauwillige verschiedene Varianten durchprobieren und deren Wirkung im Raum erleben. „Dreidimensionale virtuelle Bemusterung“ nennen die Erfinder des Bauherren-Kinos das.

Denn jeder, der schon mal gebaut oder umfänglich renoviert hat, kennt die Qual der Wahl, sich zwischen unzähligen Kombinationen entscheiden zu müssen. Bisher blieb Bauherren nicht viel mehr übrig, als mit Tapetenmustern und Farbkärtchen bewaffnet zwischen den Fliesen- und Parkettregalen der Fachmärkte hin- und herzupilgern, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Passt das Kirschparkett wirklich zu den gelben Küchenmöbeln? Oder soll es doch etwas dezenter werden? Per Tastenklick wird im Bauherrenkino aus der Buche-Küchenfront eine weiße Hochglanzoberfläche oder aus dem Zebrano-Parkett ein Schiefer-Fliesenboden. Mit der Fernbedienung kann der Bauherr auch die Perspektive im Raum wechseln, oder sogar außerhalb des Hauses – wie Karlsson vom Dach – einen kleinen Rundflug über die eigenen vier Wände starten.

„Kein Vergleich mit herkömmlicher Architektursoftware“, findet Andreas Schurig, Geschäftsführer der Bauunion 1905. Denn in den Programmen gibt es zwar ebenfalls räumliche Gebäudemodelle per 3D-Visualisierung. Auch unterschiedliche Oberflächen, so genannte Texturen, kann man in der konventionellen Software auf Böden und Wände legen, „aber das verhält sich zum Bauherrenkino wie der Trabi zum Mercedes“, meint Schurig. „Im Bauherrenkino sieht man das Objekt nicht nur am Monitor, sondern man steigt voll ein ins virtuelle Haus.“

Zwei Beamer projizieren dafür die neuen Räume auf den Flachbildschirm. Eine Menüfläche am Bildschirmrand führt zu den unterschiedlichen Materialien und Farben – 180 Bodenbeläge, 290 Fliesen und neun Serien Sanitärkeramik bietet die Palette derzeit. Bestandteil des Programms ist auch eine Kalkulationssoftware. Klickt der Bauherr zum Beispiel eine neue Sanitärserie oder Fliese an, sieht er sofort, wie seine Entscheidung den Preis verändert.

„Das gibt Planungs- und Kostensicherheit“, sagt Schurig. Ein zusätzlicher Service, den seine Kunden dankbar annehmen werden, wie der Bauunion-Geschäftsführer hofft. „Denn Sicherheit ist ein großes Thema für Bauherren, denn für viele Familien ist es die größte Investition ihres Lebens.“

Günter Wenzel, Projektmitstreiter vom Fraunhofer-Institut sieht das ähnlich: „Mit diesem Service lassen sich Folgekosten durch Fehlentscheidungen vermeiden.“ Drei Jahre hat das Dreierteam an dem Projekt gearbeitet. Europäische Union und Freistaat Sachsen finden die Idee offenbar nützlich – und haben sich finanziell beteiligt.

Skeptischer ist der Verband privater Bauherren: „Schön, wenn bei Bemusterung und Baubeschreibung gut informiert wird. Aber eigentlich ist das Bauherrenkino nichts anderes als ein modernisierter Bemusterungskatalog, der schon immer zur Bau- und Leistungsbeschreibung von Fertighäusern gehört. Knackpunkt bleibt der Bauvertrag – mit den vielen bautechnischen und juristischen Details, die kaum ein Laie überblickt“, gibt Eva Reinhold-Postina, Sprecherin des Verbandes zu bedenken. „Der schöne Schein soll die Bauherren nicht blind machen.“

Im Augenblick ist die Bauunion 1905 mit dem Kino-Service exklusiv am Markt. Aber Kollegen können sich vorstellen, dass das Modell Zukunft hat. „Grundsätzlich hilft alles, was den ‚trockenen’ Plan in Bilder umsetzt, beim Verkaufen“, sagt Maik Renner, Projektleiter der Puccini-Hofgärten, die gerade in Weißensee entstehen. Für das größte Penthouse in dem Wohn-Ensemble hat Projektentwickler Ticoncept immerhin einen animierten Flug durch die Wohnung produzieren lassen. „Allerdings noch nicht interaktiv“, räumt Renner ein. „Wenn der Kunde unterschiedliche Materialien und Farben virtuell im Raum ausprobieren kann, das könnte eine zukunftsweisende Geschichte werden.“ Das hören Schurig und sein Team gern: „Vielleicht besteht in zehn Jahren jeder, der baut, darauf, seine Immobilie im Bauherrenkino zu sehen.“

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