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Ateliers: Künstler suchen neue Räume

Bezahlbare Ateliers sind in Berlin rar – Datenbanken helfen bei der Mangelverwaltung. Doch es entstehen neue Kieze für Kreative.

Guy Keulemans macht eine kurze Raucherpause – neben der kleinen schwarzen Eichhörnchenfigur, die unter ihm auf dem Boden steht und auf die neuen Visitenkarten aufpasst. Und vor seinem neuen Arbeitsraum, den der Australier auch als Laden nutzt. „We are all made of Stuff“ hat er sein Ateliergeschäft getauft, das vor zehn Tagen eröffnet hat.

„Ich habe die Räume über den Freund eines Freundes bekommen“, sagt der Möbeldesigner und lacht ziemlich erleichtert. Denn Keulemans’ Laden, den er sich mit anderen Designern teilt, liegt mitten im Reuterkiez, in der Friedelstraße in Nord-Neukölln. „Hier ist so viel Energie“, sagt er. Und so viele weitere Bars, Cafés, Studios und Läden, die hier innerhalb weniger Jahre wie Pilze aus dem Boden geschossen sind.

An den Wänden der schönen Altbauräume haben die Kollegen des Designers ihre schwarzen und silbernen Ketten aufgehängt, im Schaufenster sollen Ohrringe neue Kunden anlocken. Guy Keulemans, der eine kurze Hose und ein rosafarbenes Hemd trägt, plaudert mit einem seiner neuen Nachbarn, und ist froh, dass seine Raumsuche über Vitamin B funktioniert hat.

Aber auch, wer in Berlin noch keine Bekannten hat, die ihnen passende Arbeitsräume vermitteln, kann hier ein Atelier finden. Behilflich ist dabei zum Beispiel das Netzwerk M-Street, in dem sich mehr als 400 Medienunternehmen zusammengeschlossen haben, die rund um die Potsdamer Straße angesiedelt sind. Einem Gebiet an der Grenze zwischen Tiergarten und Schöneberg, dass lange als Schmuddelecke galt, mittlerweile aber auch für Galeristen immer interessanter wird.

„Wir bekommen öfter mal Anfragen von Künstlern“, sagt Michael Müller, der im Vorstand der M-Street sitzt. Das Netzwerk versuche dann, für die Suchenden etwas Geeignetes zu finden: „Die Mitarbeiter unseres Infopoints wissen sehr gut, was gerade im Quartier los ist.“

Weil viele niedergelassene Künstler auch einen positiven Einfluss auf sozial eher schwierige Wohngebiete haben, versucht zum Beispiel auch das Quartiersmanagement Moabit West, leerstehende Räumlichkeiten mit kreativen Mietern zu füllen. Für Mittes Wirtschaftsstadtrat Carsten Spallek (CDU) ist im dortigen Quartier sowohl Platz für die alten Bewohner als auch für potenzielle Ladennutzer: „Wer sich für das Gebiet interessiert, kann unter www.beleben.de mit der verantwortlichen Agentur Stadtmuster in Kontakt treten“, sagt der Stadtrat. Günstige Räumlichkeiten gäbe es aber auch in Wedding, zum Beispiel in der Wiesen- und der Uferstraße.

In damals noch wenig nachgefragten Neukölln hat vor fünf Jahren die Zwischennutzungsagentur ihre Arbeit aufgenommen – die sich mittlerweile Coopolis nennt. Die Agentur bringt interessierte Mieter und Vermieter zusammen – und ist seit April auch in Spandau aktiv. Je nach Lage und Zustand der Räumlichkeiten wird zwischen den Interessenten und den Wohnungsgebern eine individuelle Miete verhandelt – die häufig auch dadurch gemindert werden kann, dass sich die Mieter an Renovierungsarbeiten beteiligen.

Dass viele Künstler auch ein Potenzial sind, dass die Stadt noch attraktiver macht, hat auch der Berliner Senat längst erkannt. Und deshalb in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Bildender Künstler Berlin (BBK) das sogenannte Atelierprogramm entwickelt. Dieses fördert im Moment rund 830 Ateliers in Berlin, die Mietpreis- und belegungsgebunden sind. „Zwischen 80 und 150 davon werden jedes Jahr wieder frei“, sagt Florian Schöttle, der Atelierbeauftragte des BBK. Die nächste Ausschreibung von Ateliers erscheint Anfang Juli 2010. Die dazu gehörenden Besichtigungen werden voraussichtlich Ende Juli stattfinden. Kein Wunder, dass Schöttles Telefonleitung fast den ganzen Tag besetzt ist. Allein im vergangenen Jahr haben sich bei ihm rund 500 interessierte Künstler gemeldet. Die frei gewordenen Räume können im Zweimonatsrhythmus besichtigt werden. Unter ihnen sind auch viele Wohnungen, die den oft sehr speziellen Bedürfnissen von professionellen Künstler entsprechen: also zum Beispiel schweres Gewicht tragen können, ein breites Treppenhaus vorweisen oder einen Lastenaufzug.

Wer tatsächlich in den Genuss eines solchen Ateliers kommen möchte, muss allerdings einige Kriterien erfüllen. Und sich mit seinen Werken außerdem einer Jury stellen. „Die Bewerber müssen professionelle Künstler sein, in Berlin leben und einen Wohnberechtigungsschein besitzen“, erklärt Schöttle. Außerdem dürfen sie je nach Familienstand lediglich zwischen 16 000 und 23 500 Euro im Jahr verdienen – was sie alle zwei Jahre belegen müssen. „Und die Bewerber müssen eine Ausstellungsvita vorweisen.“

Eine Fachjury bewerte das künstlerische Schaffen der Bewerber – und wählt die Raumsuchenden dann anhand zweier Kriterien aus: Professionalität und Dringlichkeit der Bewerbung. Wer den Zuschlag bekommt, kann sein Atelier dann maximal acht Jahre nutzen – bis zum diesem Zeitpunkt kann er sich dann im Idealfall auch höhere Mieten leisten. Der BBK hat übrigens auch ein Auge darauf, dass die vergebenen Räume kontinuierlich genutzt werden – und nicht leer stehen, weil einer der Mieter zum Beispiel für ein Jahr nach New York gegangen ist.

Neben den geförderten Räumlichkeiten vermittelt der BBK aber auch Ateliers, für die man sich im Vorfeld keiner Jury stellen muss. Interessenten können auf der Homepage den Newsletter zum Thema abonnieren. Und sich dann vielleicht auch im schönen alten Westen niederlassen. Denn viel günstigen Mietraum gibt es nach Angaben von Florian Schöttle im Moment auch – in Charlottenburg.

WO ES ATELIERS GIBT

Atelierbüro im Kulturwerk der BBK

Berlin GmbH, Köthener Straße 44.

Tel: 23089922

www.bbk-kulturwerk.de

Netzwerk M-Street, Infopoint: Potsdamer Straße 91, Tel. 284736 96, www.medienportal-berlin.de

Coopolis/Zwischennutzungsagentur,

Lenaustr. 12, Tel. 62726362,

www.coopolis.de

Freiraum in Moabit kann man unter www.beleben.de recherchieren.

Noch mehr Ateliers gibt es hier:

www.kuenstlerateliers.net rni

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