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Immobilien: Auf die Lust folgt oft der Frust

Eine Sonderschau im Botanischen Museum zeigt die vielfältige Wechselbeziehung zwischen Pflanzen und Tieren

„Sex im Pflanzenreich – Lust und Frust“. Der Titel der Ausstellung macht neugierig und der Besucher hofft, dass mehr dahinter steckt als die allgemein bekannte Geschichte von Bienchen und Blümchen, mit denen frühere Generationen die heikle Erziehungsaufgabe der Aufklärung zu bewältigen versuchten. Wer allerdings seine Erwartungen hinsichtlich der Präsentation am Wörtchen „Sex“ misst, wird enttäuscht. Es geht schlicht um die Erhaltung der Artenvielfalt im Pflanzenreich. Das klingt nüchtern und würde kaum Besucherscharen anlocken. Doch das wäre schade. Denn die kleine Sonderschau im Botanischen Museum, die in Kooperation mit dem Frankfurter Naturmuseum Senckenberg entstanden ist, zeigt die vielfältige und faszinierende Wechselbeziehung zwischen Pflanzen und Tieren, fein aufeinander abgestimmte Partnerschaften, die im Verlauf der evolutionären Entwicklung entstanden sind. Und wie es zum Schloss stets den passenden Schlüssel gibt, ist es auch in diesem Bereich. Jede Pflanze hat zum Bestäuben den passenden Partner. So werden bestimmte Blüten beispielsweise nur von Vögeln oder Fledermäusen besucht, andere wiederum nur von Fliegen oder Nachtfaltern. Dank spezieller Mundwerkzeuge, seien es lange Rüssel oder papillenbesetzte Zungen, gelingt es den Tieren an die oft tief im Inneren der Blüte versteckte Nahrung – wie Nektar oder Tauwasser – heranzukommen. Dabei bleiben in der Regel Pollen hängen, die zur nächsten Pflanze weitergetragen werden.

Doch nicht immer ist es die Nahrung, die Tiere anlockt. So besuchen etwa die Männchen einer Rollwespenart eine bestimmte Orchidee – in der Hoffnung mit einem Weibchen zu kopulieren. Angelockt werden sie durch den Duft, der identisch mit dem des Weibchens ist. Voller Lust fliegt das Männchen auf das beweglich befestigte Blütenblatt der Orchidee, gerät ins Schwanken, prallt gegen den Stängel und wird mit Pollen beladen. Völlig frustriert verlässt er diese Pflanze und versucht es bei der nächsten.

Und dass es keineswegs nur betörende Farben und Düfte sein müssen, mit denen Bestäuber umworben werden, zeigt ein anderes Beispiel der Ausstellung. Winzige Fliegen benutzen die aus Südost-Asien stammende Rafflesia, eine stinkende Aasblume, als Ort zur Kopulation und Eiablage und sorgen so auch für die Bestäubung. Gezeigt wird ein Modell der Blüte sowie eine Rarität: Ein uralter Herbarbeleg aus der Dahlemer Sammlung. Die Rafflesia besitzt übrigens – mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter – die größte Blüte des Pflanzenreichs.

Auf Schautafeln, Pflanzenplastiken mit ausgestopften Tieren wird dem botanischen Laien ein faszinierende Einblick in die Vielfalt der Blütenbiologie und -ökologie gegeben. Zu sehen sind in erster Linie Pflanzen und Tiere nicht europäischer Herkunft. Einige dieser Pflanzen gibt es auch in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens. Doch fehlen dort die passenden Tiere. Deren Arbeit übernehmen die Gärtner.

Übrigens: Der Urvater der Blütenbiologie ist Christian Konrad Sprengel, ein Spandauer Lehrer. Er erregte mit seinem 1793 veröffentlichten Buch über die Befruchtung der Blumen großes Aufsehen. Sein prominentester Gegner war Goethe, der ihm vorwarf, der Natur einen menschlichen Verstand geben zu wollen. Auch dieses Kapitel wird in der Schau gewürdigt.

Sex im Pflanzenreich, Botanisches Museum, Königin-Luise-Straße 6-8, Dahlem, täglich von 10 bis 18 Uhr, bis 2. März 2003.

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