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Immobilien: Auffallend gut angezogen

Seit Universal und MTV ihre Speicher bezogen haben, ist der Osthafen Friedrichshain „in“. Jetzt bauen Modelabels Lagerhäuser um

Rechts rattert die U-Bahn über die Oberbaumbrücke, gegenüber glänzen die Fassaden der neu gebauten Treptowers in der Sonne. Und während die Arbeiter auf der Baustelle des zukünftigen Berliner Modezentrums am Osthafen hämmern und schweißen, döst direkt davor friedlich eine Familie auf ihrem Hausboot in der Spree. „Die Modebranche ist sehr auf Berlin konzentriert, weil die Stadt ein einzigartiges Flair hat: Sie gilt als unfertig und damit als hipp“, sagt Stefan Sihler, Geschäftsführer der Labels Berlin Errichtungs- und Verwaltungs-GmbH, die das neue Ausstellungszentrum an der Stralauer Allee in Friedrichshain für Modefirmen mit so klangvollen Namen wie Hugo Boss oder Escada projektiert.

Zwar werden auch andernorts ehemalige Fabrikgebäude zu Lofts oder Büros umgebaut, doch kaum irgendwo wird der Kontrast zwischen Alt und Neu so deutlich wie auf dem schmalen, aber fast zwei Kilometer langen Geländestreifen am Osthafen: So ist das älteste Gebäude, das 1828/29 errichtete Eierkühlhaus am westlichen Ende des Hafens, nach erfolgter Umgestaltung seit Herbst 2002 Sitz des Musikkonzerns Universal Music. Auch der benachbarte Speicher wurde inzwischen rekonstruiert und zum Büro- und Präsentationsgebäude. Und die architektonisch reizvolle ehemalige „Lagerhalle 1“ ist seit Frühjahr 2004 Standort für den bekannten Musiksender MTV. Doch dazwischen führen noch immer halb überwucherte Schienen über den Hafen, der vor der Wende ein wichtiger Umschlagplatz für die Großbaustellen am Ostberliner Stadtrand war. Sand- und Kiesberge lagern auf ungenutzten Flächen, die der Berliner Hafen- und Lagerhallenbetriebe (Behala) gehören. Über den Verkauf einzelner Grundstücke wird derzeit verhandelt.

Auch „Labels Berlin“ plane noch einen Neubau, sagt Sihler. Doch jetzt wird erst einmal die „Lagerhalle 2“, in der früher Lebensmittel und Schüttgut lagerten, umgebaut. Auf einer Fläche von insgesamt 6100 Quadratmetern entstehen acht so genannte Showrooms, in denen Modehersteller ihre neuesten Kollektionen präsentieren. Die mit 2200 Quadratmeter größte Fläche hat sich Hugo Boss gesichert. In kleinere Showrooms werden Escada, Carlo Colucci, Orwell, Marc Cain, Brax und Leineweber sowie Esprit einziehen. Nur eine kleinere Fläche sei bisher nicht vermietet, sagt Sihler.

Beim Umbau bleibe der Charakter des Gebäudes erhalten, versichert der Geschäftsführer: So werden zum Beispiel die Dachgauben nach alten Plänen wiederhergestellt. Dies bringt zusätzliches Licht in das ohnehin helle Gebäude, das sowohl zur Stralauer Allee als auch zur Spree über riesige Rundbogenfenster verfügt. Auch im Innern bleibt das Backsteingebäude fast im Originalzustand: Die Wände wurden nur sandgestrahlt. Auf der größten Fläche von Hugo Boss gibt es zudem keine Zwischendecken, so dass die Großzügigkeit und die Höhe der Halle noch stärker betont werden. „Das größte Problem stellte der Glasanbau dar“, sagt Sihler. Denn zur Spree hin hat der verantwortliche Architekt Paul Ingenbleek – als Verknüpfung von Alt und Neu – drei große Glaswürfel vorgesehen. Ihre Form soll an die in Häfen üblichen Container erinnern. Von dieser Idee habe das Denkmalamt erst einmal überzeugt werden müssen, sagt Sihler. Aber auch die im Krieg durch Granatenbeschuss beschädigte Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes von 1915 sollte zunächst nicht verändert werden – doch die Löcher hätten Feuchtigkeit verursacht, die Halle wäre kaum wirtschaftlich nutzbar gewesen.

Rund 20 Millionen Euro hat die Labels Berlin gemeinsam mit den zukünftigen Mietern in das Ausstellungszentrum investiert. Im Dezember vorigen Jahres war Baubeginn, schon im Juli sollen die meisten Showrooms eröffnen. Dann wird das ansonsten nur dem Fachpublikum zugängliche Haus wohl auch der Öffentlichkeit vorgestellt. Abschotten werde man sich auf keinen Fall, sagt Sihler: Im Foyer des Hauses sollen regelmäßig Ausstellungen junger Künstler gezeigt werden, auch andere öffentliche Events seien geplant. Vom geplanten Uferwanderweg von der Oberbaum- zur Elsenbrücke lässt sich zudem bald ein Blick in die transparenten Glaswürfel werfen.

Auch was die Rendite des Objekts angeht, ist Sihler optimistisch: „Viele Modefirmen planen, ihre Geschäftsbeziehungen nach Nord- und Osteuropa auszudehnen. Berlin ist deshalb für sie ein guter Standort.“ Mittelfristig könne Berlin zu einem führenden Handelsplatz des Modegroßhandels in Deutschland werden, langfristig sogar international bedeutsam – neben New York, Paris und Mailand. Zwischen 80 und 100 Arbeitsplätze sollen in dem neuen Showroom-Zentrum entstehen. Als Projektentwickler werde Labels Berlin das Gebäude nach Fertigstellung verkaufen. Anfragen von Interessenten gebe es bereits. Man wolle sich aber die weitere Konzeption und das Facility-Management vorbehalten.

Jutta Burmeister

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