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Immobilien: Barrierefrei ins hohe Alter

Viele Menschen wünschen sich ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden. Bei Bedarf mit Betreuung. Die Immobilienwirtschaft entdeckt eine neue Zielgruppe und bietet ihr Wohnungen mit Mehrwert an

Sie feiern selten laute Partys, sie zahlen meist pünktlich ihre Miete und gelten auch sonst als zuverlässige Klientel: ältere Mieter. Wurden lange Zeit die Familien von den Anbietern umworben, entdeckt die Wohnungswirtschaft gerade die Generation 50plus als Zielgruppe.

Der Vorteil für die oft noch jungen Alten: Der Markt bietet zunehmend Wohnungen mit Mehrwert – von Beratung über Hilfen im Alltag bis hin zu den Pflegedienstleistungen, die es älteren Menschen erlauben, so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben können. Und das auf einem Preisniveau, das weit unter den mitunter atemberaubenden Kosten für Seniorenresidenzen liegt.

Damit ältere Mieter in ihren Wohnungen auch mit Gehhilfe oder Rollstuhl zurechtkommen, müssen diese möglichst barrierefrei gestaltet werden. Kein Problem beim Neubau, sagt Gesine von Ehren, Maklerin bei Engel & Völkers Immobilien. „Es ist ein deutlicher Trend bei der Bauplanung, dass Türen gleich breiter angelegt werden, dass man auf Schwellen – auch zu Balkon und Dusche – verzichtet, und dass man in den Bädern später Haltegriffe anbringen kann.“ Und barrierearme Bauten wissen auch schon die Kleinsten zu schätzen, wenn sie mit Bobbycar und Kinderwagen bequem durch die Wohnung oder auf die Terrasse fahren können. Gesine von Ehren: „Viele Mieter und Käufer denken da inzwischen für spätere Lebensphasen vor.“

Beim Umbau bestehender Wohnungen sieht es allerdings meistens etwas bescheidener aus. Bei den städtischen Gesellschaften und in den Seniorenwohnhäusern der Bezirke dominieren häufig noch die 30-Quadratmeter-Mini-Apartments mit Schlafnische. Fliesen, Küche und Sanitäranlagen entsprechen oft den 70er-Jahre-Standards.

Die Wohnungen sind zwar ebenfalls seniorengerecht, aber nicht immer wirklich attraktiv. Dafür kostet eine 35 Quadratmeter große Wohnung zum Beispiel in Reinickendorf nur etwa 320 Euro, Sozialberater inklusive. Und Essen gibt es im Gemeinschaftsraum für vier bis sieben Euro.

Aber auch bei den „Städtischen“ wird umgedacht. Siegfried Rehberg vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sagt: „Viele Genossenschaften legen inzwischen Modernisierungsprogramme auf.“ Der BBU arbeitetet wie der Berliner Mieterverein, Haus und Grund und die Architekten- und Handwerkskammer in der ‚Berliner Initiative für das Wohnen im Alter’ mit: nicht nur um Berlin für Ältere attraktiv zu machen, sondern auch, um Gütesiegel und Qualitätskriterien zu entwickeln.

Im Alter noch urban in der Innenstadt zu wohnen und sich möglichst lange selbst versorgen zu können, das steht für viele Menschen ganz oben auf der Wunschliste für ihren dritten Lebensabschnitt. Belegt wird das durch eine Studie von Psychonomics, erstellt im Auftrag der Allianz Leben. 86 Prozent der Befragten wünschten sich demnach fürs Alter ein Leben in der eigenen Wohnung – aber mit Betreuung.

In punkto sozialer Gemeinschaft, kultureller Angebote und Betreuung haben die Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften der Stadt schon viel geleistet. „Die Senioren erwarten von uns mehr als eine Geschäftsbeziehung, sie wünschen sich persönliche Ansprache, Service, andere Angebote“, sagt Matthias Berg, der im Bezirksamt Reinickendorf für die Seniorenwohnungen zuständig ist. Im Märkischen Viertel hat sich so ein Netzwerk von rund 50 privaten und öffentlichen Institutionen entwickelt, die bei der Pflege und Versorgung von älteren Menschen kooperieren: Hauspflege, Caritasverband, Kirchengemeinde, Diakonie, das Begegnungszentrum, Arztpraxen, Beratungsstellen.

„Es gibt kaum eine Gruppe, die so intensiv beworben wird, wie die Senioren“, sagt Matthias Gänzer, Sprecher der Gesobau. „Wir haben verschiedene Produkte, die wir in Kooperation mit anderen Trägern und Dienstleistern anbieten. Es gibt Häuser und Wohngemeinschaften mit Concierge, Service für Besorgungsgänge und wir haben Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte, die durch Kooperationspartner betreut werden.“ In den Seniorenwohnhäusern sind Gemeinschaftsräume Standard. Dort trifft man sich auf eine Runde Skat, zum Handarbeitskurs oder zum Schwatz.

Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Berlin-Süd (GeWoSüd) hat sich bei ihren älteren Mietern nach deren Wünschen erkundigt und ganz ähnliche Bedürfnisse ermittelt. Ergebnisse sind ein Generationenwohnhaus, das an der Tempelhofer Friedrich-Wilhelm-Straße errichtet wurde, und die seniorenfreundliche Gestaltung von Wohnanlagen wie an der Reglinstraße. Dazu gehören neben einem attraktiven grünen Wohnumfeld auch Nachbarschaftstreffs und praktische Angebote wie etwa ein Wäscheservice.

Auch die Gewobag bietet einen umfassenden Seniorenservice an. Unter den Stichworten Persönliches, Alltag, Handwerker, Freizeit werden Hilfen bei Behördenbriefen oder beim Aufhängen von Bildern in Aussicht gestellt, aber auch Diavorträge und Fußpflege für zu Hause. Und alle Freizeitangebote, sagt Sprecher Volker Hartig, würden ohnehin sehr gut angenommen.

Architektur-Soziologin Renate Narren sieht reine Seniorenwohnhäuser eher mit Skepsis „Es bringt doch nichts, die Grup- pe der Älteren zu separieren.“ sagt sie und fordert die Stärkung der Nachbarschaften. Und an die Adresse der Vermieter gerichtet: „Es fehlt noch immer an Detailwissen, wie Wohnungen seniorengerecht gestaltet werden können. Es gibt ja Abstufungen bis hin zum behindertengerechten Umbau.“ Informationen dazu liefert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung (www. wohnungsanpassung.de) im Internet. In den Bezirken beraten die Koordinierungsstellen „Rund ums Alter“ und „Barrierefreies Bauen“ (beides unter www.berlin.de).

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