Bauakademie in Mitte: So wenig Schinkel wie nötig
Personaltableau „Thinktank Wettbewerb“ der Bundesstiftung komplett. Er soll den Neubau vorantreiben
Der rote Ziegelquader in der Mitte Berlins galt einst als revolutionär. Die Schinkelsche Bauakademie stand für den Aufbruch in die Moderne. So wie es war, so soll es wieder werden. Um die Vorgaben für das Neubauvorhaben und die Verfahrensregeln für den anstehenden internationalen Wettbewerb zu erarbeiten, steht jetzt das Personaltableau für einen „Thinktank Wettbewerb“ in der Bundesstiftung Bauakademie. Die Namen liegen dem Tagesspiegel exklusiv vor. Die Arbeitsergebnisse sollen dem Stiftungsrat im Frühjahr 2023 eine Entscheidungsgrundlage zum Beginn des Wettbewerbs liefern.
Die Stiftung Bauakademie ist beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angesiedelt. Sie ist Bauherrin des Akademiegebäudes. Ihr Gründungsdirektor ist Guido Spars, diplomierter Volkswirt, promovierter Ingenieur, habilitierter Stadt- und Regionalökonom und Professor an der Bergischen Universität Wuppertal, wo er bis zu seiner Berufung Ökonomie des Planens und Bauens lehrte.
Der Bund plant für den Wiederaufbau 62 Millionen Euro ein. Den ersten Wettbewerb zur Bauakademie stellte der Bund im September 2017 unter das Motto „Soviel Schinkel wie möglich“.
Modern, historisch, hybrid? Das ist eine der gestalterischen Fragen
Im „Thinktank Wettbewerb“ werden die Weichen dafür gestellt, ob eine rekonstruierte oder eine neu entworfene Fassade gebaut wird, oder ob es zu einer „hybriden“ Lösung kommt. Letztendlich soll dies aber in einem offenen internationalen Realisierungswettbewerb entschieden werden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die bereits 2018 in die geplante Bauakademie einbezogen werden wollte, dürfte über die Zusammensetzung des „Thinktanks Wettbewerbs“ nur mäßig erfreut sein. Die Einrichtungen der Stiftung verfügen über den gesamten Schinkelschen Nachlass und eine bedeutende Architektursammlung, sind an dieser Stelle aber nicht vertreten. Es mag daran liegen, dass die Stiftung stets auf die Geschichte des Gebäudes verwiesen hatte, die auch der Förderverein Bauakademie als zentralen Dreh- und Angelpunkt der neu zu errichtenden Kubatur sieht: „Ein hybrider oder moderner Bau wäre eine Verfälschung und kann daher auch nicht im Geiste Schinkels liegen“, ließ der Verein im Mai wissen. So original wie möglich, so modern wie nötig; daran müsse sich auch die Wiedererrichtung der Bauakademie orientieren.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verwies auf die zwischen der Bauakademie, der Museumsinsel und dem neuen Humboldt Forum im Berliner Schloss herzustellenden Bezüge.
Das 1836 eröffnete, geometrisch gegliederte Gebäude in der historischen Mitte Berlins gilt als eine Ikone der Architekturgeschichte. Es war im Krieg nach einem Bombenangriff ausgebrannt und später für das DDR-Außenministerium abgerissen worden. Ob es original nach dem Vorbild des preußischen Hofbaumeisters Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) wiedererstehen soll, das ist eine der zentralen Fragen, die sich dem „Thinktank Wettbewerb“ stellen.
Die Mitglieder des "Thinktanks Wettbewerb"
Werden die beruflichen Schwerpunkte der Mitglieder näher betrachtet, so ist ein moderner Bau zu erwarten, gerne aus recycelten Materialien, die – über die Kreislaufwirtschaft eingesammelt – neue nachhaltige Verbindungen miteinander eingehen. Wollte man die Rekonstruktion eines historischen Gebäudes, so hätte wohl auch die Berufung der Adlon-Architekten Patzschke vollkommen ausgereicht. Statt ihrer findet sich hier nun eine Vielzahl von zukunftszugewandten Architekten und Ingenieuren:
PStS Sören Bartol
MdB, Deutscher Bundestag
Stiftungsratsvorsitzender
SACHEXPERTE BMWSB
Prof. Dr. Harald Bodenschatz
Center for Metropolitan Studies/ TU Berlin
FACHEXPERTE Architekturhistorie
Elisabeth Broermann
Architects for Future Deutschland e.V.
SACHEXPERTIN
Prof. Annette Hillebrandt
Urban-Mining-Design
FACHEXPERTIN Zukunftsfähige Baumaterialien
StSn Prof. Petra Kahlfeldt
Senatsbaudirektorin
Stiftungsratsmitglied
SACHEXPERTIN
Theresa Keilhacker
Präsidentin
Architektenkammer Berlin
SACHEXPERTIN
Prof. Jan Krause
office for architectural thinking
Hochschule Bochum
SACHEXPERTE Architekturkommunikation
Dr. Nadine Kuhla von Bergmann
Creative Climate Cities UG
Fachexpertin Nachhaltige Stadtentwicklung
Dr. Jan Mende
Schinkel-Experte
Stadtmuseum Berlin/ Museum Knoblauchhaus
IMPULSGEBER Schinkel
Prof. Dr. Lamia Messari-Becker
Universität Siegen / Department Architektur
Lehrgebiet Gebäudetechnologie und Bauphysik
FACHEXPERTIN Nachhaltige Energiekonzeption
Rainer Nagel
Vorstandsvorsitzender
Bundestiftung Baukultur
SACHEXPERTE Programmwettbewerb/ FACHEXPERTE Baukultur
Dr. Christoph Rauhut
Landeskonservator
Leiter des Landesdenkmalamt Berlin
FACHEXPERTE Denkmalschutz
Prof. Dr. Anja Rosen
energum GmbH
FACHEXPERTIN
Prof. Dr. Eike Roswag-Klinge
ZRS Architekten Ingenieure
FACHEXPERTIN Klimawandelanpassung
Prof. Uwe Rotermund
Prof. Uwe Rotermund Ingenieurgesellschaft mbH & Co KG
FACHEXPERTE Ökonomische Nachhaltigkeit
Prof. Christian Schlüter
ACMS Architekten GmbH
FACHEXPERTE Wandlungsfähige Raumkonzepte
Annabelle von Reutern
Business Development
Concular GmbH
FACHEXPERTIN Nachhaltiger Bauprozess
Angefragt:
Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken
Bundesingenieurkammer
SACHEXPERTE
Nicolas Kerz
BBSR
IMPULSGEBER Gebäudezertifizierung
Verena Konrad
Vorarlberger Architektur Institut
FACHEXPERTIN Architekturqualität
Prof. Dr. M Rutz
Professur für Environmental and Recycling Technology, Umwelt- und Recyclingtechnik
Hochschule Nordhausen
SACHEXPERTE Recycling und Umwelttechnik
Alexander Sturm
Architekturjournalist und Autor
IMPULSGEBER Rekonstruktionsforscher
Wird der Neubau mit Anforderungen überfrachtet?
Den „Thinktank Wettbewerb“ versteht die Stiftung Bauakademie als ein interdisziplinäres Gremium aus Expertinnen und Experten, welches in Workshops die internen und externen Anforderungen an das Gebäude aufeinander bezogen auf der Höhe der Zeit diskutieren soll. Es ist politisch auch gewünscht, dass sich Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern damit beschäftigen, Nachhaltigkeitsziele wie Energieeffizienz, Klimaneutralität und Ressourcenschonung für das neue Gebäude zu formulieren.
„Das Problem ist, dass dieses Thema so breit angelegt wird“, sagt auf Anfrage Stadtarchitekt Klaus Theo Brenner (Berlin). Es bestehe die Gefahr, dass sich das gedankliche und tatsächliche Fundament des neuen Gebäudes in Einzelfragen aufteile. „Sodass ein Gebäude dabei herauskommt, das in der Stringenz – mit Blick auf das historische Gebäude – durch die breite Fragestellung von Anfang an infrage gestellt wird.“
Für die architekturhistorische Relevanz des alten Baus und historische Sensibilität stehen nun vor allem Harald Bodenschatz, der Schinkel-Experte Jan Mende sowie Berlins Landeskonservator Christoph Rauhut.
Umfrage: Deutsche Öffentlichkeit bevorzugt die Rekonstruktion
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die die Vereine Stadtbild Deutschland, Gesellschaft Historisches Berlin und der Förderverein Bauakademie in Auftrag gegeben hatte, ergab, dass zwei Drittel der befragten Deutschen beim Wiederaufbau eine Rekonstruktion der historischen Fassaden bevorzugen würden.
Der Gründungsdirektor der Stiftung Bauakademie, Guido Spars, freute sich über die Umfrage:
"Diesen Beitrag zur bevorstehenden Ausarbeitung der Vorgaben für den Realisierungswettbewerb begrüße ich sehr. Die Umfrage-Ergebnisse werden die Diskussionen um die Gestalt des Gebäudes bereichern, die in den nächsten Monaten in unterschiedlichen Formaten stattfinden werden. Die Diskussionen werden sich neben dem Thema der Gestalt des Gebäudes mit vielen anderen Anforderungen an das Gebäude beschäftigen, wie z.B. Fragen der Energieeffizienz und Klimaneutralität, der Ressourceneffizienz und Wirtschaftlichkeit. Zeitgleich mit den für September angesetzten Tagungen des Thinktanks „Wettbewerb“, in dem Expertinnen und Experten aus den Bereichen Planung, Bauwesen und Politik Handlungsempfehlungen erarbeiten werden, wird eine „Werkstatt“-Reihe der bürgerschaftlich engagierten Öffentlichkeit die Gelegenheit geben, sich mit ihren Vorstellungen in den Entscheidungsprozess einzubringen."
Werkstatt Bauakademie geplant
Wer Interesse daran hat, an der Werkstatt Bauakademie teilzunehmen, kann sich bis zum 5. August unter werkstatt@bundesstiftung-bauakademie.de melden. Bei einer hohen Zahl von Anmeldungen entscheidet das Los. Über die Werkstatt sollen die Stadt- und die Zivilgesellschaft in das Vorhaben eingebunden werden.
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