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Bauen: Nur Himmel und Sonne

Dachgarten oder Dachterrasse sind ein Traum für viele. Doch nicht jeder Wunsch lässt sich mit Statik und Baurecht vereinbaren.

Noch fast ein Jahr dauert es bis zum Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft. Doch was Christian Roth am 7. Juni 2008 machen wird, weiß er schon jetzt: Gemeinsam mit Freunden will er, ein Cocktailglas in der Hand, im Whirlpool sitzen und das Spiel im Großformat auf der Hauswand gegenüber betrachten. Dabei hat Christian Roth nicht etwa eine Reise gebucht. Genießen will er den Abend im eigenen Dachgarten – mitten in der Stadt, nur wenige Meter vom Kurfürstendamm entfernt. Bisher ist das Dach des Charlottenburger Altbaus allerdings nichts als eine karge Fläche. Doch bis zur EM sollen darauf drei Thementerrassen entstehen: ein Sonnengarten, eine Bar und ein Wellnessbereich inklusive Pool, dazu ein Spielplatz sowie ein Beameranschluss für Kinoerlebnisse auf der Brandwand. Insgesamt 280 Quadratmeter stehen Roth zur Verfügung, um seine Pläne Wirklichkeit werden zu lassen.

„Große Terrassen und Dachgärten sind ein Zukunftsthema“, sagt Robert Bräunlin vom Architekturbüro Bräunlin und Kolb, das die Anlage in Charlottenburg plant: "Es gibt den Trend: zurück in die Stadt. Aber einen Garten möchten die Leute trotzdem.“ Auch Jürgen Michael Schick, Pressesprecher des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), bestätigt, dass es in innerstädtischen Lagen eine "sehr große Nachfrage“ nach Wohnungen mit Dachgärten gibt. Zielgruppe sind Familien, aber auch Freiberufler, die Wohnen und Arbeiten unter einem Dach miteinander verbinden möchten.

Dachgärten sind auch ökologisch sinnvoll

Zwei Faktoren spielen bei Dachgärten eine Rolle: Je größer, desto besser. Und: Je zentraler, desto besser. Nicht der kleine Dachausschnitt sei gefragt, sondern eine bewohnbare Fläche mit Platz für einen großen Tisch und Liegen, sagt Schick. Viele derartige Gärten, die in Anzeigen als "Riesendachterrasse“, "umlaufender Dachgarten“ oder "Dachgarten, super-grün mit Pool“ beschrieben werden, sind um die hundert, manche sogar 300 oder 400 Quadratmeter groß. Begehrt sind vor allem Charlottenburg, Wilmersdorf, Prenzlauer Berg und Mitte. "Vom Dach hat man aus jeder Richtung einen neuen Blick über die Skyline“, so Schick. Weitere Vorteile sind besseres Wohnklima durch gesteigerte Luftfeuchtigkeit sowie eine erhöhte Lärm- und Wärmedämmung. Auch ökologisch ist ein Dachgarten, auf dem sich Regenwürmer, Käfer und Schnecken wohlfühlen oder ein Rotkehlchen brütet, sinnvoll.

Vor dem Sonnenbad auf dem Dach steht allerdings die Baugenehmigung. In einem ersten Schritt sollte der Bauherr überprüfen, was für das Wohngebiet im Bebauungsplan steht. "Bebauungspläne treffen manchmal auch Aussagen über Dachterrassen, die beachtet werden müssen“, so Bräunlin. "Zum Beispiel ist manchmal nur eine bestimmte Größe zulässig.“ Auch Stadtplaner, Nachbarn und Denkmalschützer können Einwände erheben. Dabei kann es durchaus sein, dass die Regelungen in einem Bezirk anders ausgelegt werden als beim Nachbarhaus im Bezirk nebenan. Weniger Probleme gibt es meist bei Neu- oder Umbauten, wenn der Dachgarten gleich mitgeplant wird: So sollen zum Beispiel oben auf dem "Fichtebunker“ in Kreuzberg Einfamilienhäuser gebaut werden, mit rund 70 Quadratmeter großen Gärten. Ebenfalls 70 Quadratmeter groß ist der Dachgarten, der beim Umbau der ehemaligen Wollgarnfabrik in Friedrichshain entstand. Und an der Methfesselstraße in Kreuzberg schuf das Architekturbüro Regine Siegl und Alois Albert ein Mehrfamilienhaus als "Alternative zum Haus im Grünen“: Jede Einheit verfügt über einen eigenen Garten oder Dachgarten.

Dachgärten müssen in die Umgebung passen

Schwieriger ist oft die Aufstockung eines Altbaus. Um die Baugenehmigung zu erhalten, müssen zwei Rettungswege nachgewiesen werden. Zwar werde prinzipiell auch die Leiter der Feuerwehr als ein Weg anerkannt, sagt Bräunlin – ob dies ausreiche, müsse aber individuell geprüft werden. Eine Rolle spielen dabei Größe, Zuschnitt und Erreichbarkeit des Dachs. Und ein Whirlpool mit 1300 Litern, wie bei Roth geplant, scheitert mancherorts schon an der Statik. Auch zu geringe Abstandsflächen zum Nachbarhaus können den Bau behindern: Denn durch die – bei einer Terrasse über zwölf Quadratmeter mindestens 1,10 Meter hohe – Brüstung wird das Haus plötzlich höher. Möglicherweise kann dann wegen des vorgeschriebenen Abstands nur ein Teil des Daches genutzt werden. Am besten, der Bauherr bemühe sich schon vor Baubeginn um die Zustimmung des Nachbarn, meint Bräunlin: "Ist der Nachbar einverstanden, braucht der Abstand nicht eingehalten zu werden.“ Das gilt übrigens auch für Eigenheimbesitzer, die ihre Garage mit einer Terrasse krönen wollen: Steht der Carport – wie häufig der Fall – auf der Grundstücksgrenze, ist dies unzulässig.

Bei der Absturzsicherung, aber auch beim Sonnenschutz, kann zudem die Stadtplanung ein Veto einlegen – wenn etwa die Ausführung untypisch ist für das Gebiet. Grundsätzlich gilt. Ein Dachgarten muss sich in die Umgebungsbebauung einfügen. In den einzelnen Bundesländern wird dies durchaus unterschiedlich gesehen, da Baurecht Ländersache ist. So galt dem Oberverwaltungsgericht Thüringen eine Dachterrasse als Unruhestifter, da sie „völlig neue Einsichtsmöglichkeiten“ eröffne (Aktenzeichen 1 KO 305/99).

Holz, ein beliebter Bodenbelag

Liegt die Baugenehmigung vor, sollte man darauf achten, ob Schornsteine oder Entlüftungen die Nutzung behindern. Fachleute sind notwendig, wenn es darum geht, Schallschutz, Abdichtung und Tragfähigkeit des Daches zu überprüfen. Nach Fertigstellung sollte alle drei bis fünf Jahre kontrolliert werden, ob Risse entstanden sind, rät Bräunlin. „Dabei ist es sinnvoll, wenn der oberste Belag abnehmbar ist. Sonst braucht man ein Stemmeisen.“ Und natürlich sollte man nicht vergessen, Gegenstände auf dem Dach vor Stürmen zu sichern.

Im Trend liegen übrigens Holzbeläge, stringente Formen und klare Linien, hat Bräunlin beobachtet. Verwunschene, verwinkelte Gärten wie auf den Dächern von Paris liegen den Berlinern weniger. Doch selbst wenn nicht alles wild vor sich hin wächst, sollte man aufpassen: Aus einer Walnuss, von einem Eichhörnchen auf dem Dach versteckt, kann in wenigen Jahren ein großer Baum werden. Und einer Birke reicht schon ein winziger Spalt zum Wachsen.

Jutta Burmeister

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