zum Hauptinhalt

Immobilien: Baugenehmigung ist bald überflüssig

Die neue Berliner Bauordnung ist fertig. Wer ein großes Gebäude errichtet, kann sich bald die Behördenwege sparen. Doch bei schlampiger Bauausführung drohen Bußgelder und Abriss. In Kraft tritt das Regelwerk spätestens im Jahr 2006

„Wenn man künftig eine Garage bauen will, dann muss man die Rechte der Nachbarn beachten und die notwendigen Abstände einhalten. Aber man muss damit nicht mehr zur Bauaufsicht, sondern baut einfach“, erläutert Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) eines der Ziele der neuen Berliner Bauordnung. Fast zwei Jahre lang feilte die Senatsverwaltung an dem Gesetzesentwurf. Jetzt ist die Beteiligung der betroffenen Verbände abgeschlossen. Die komplett überarbeitete Bauordnung soll spätestens Ende 2006 in Kraft treten. Wichtigster Punkt ist der Wegfall der Baugenehmigung in den allermeisten Fällen. „Nach der neuen Bauordnung wird man erheblich größere Gebäude ohne Baugenehmigung errichten können als bisher“, kündigt die Senatorin an.

Die Verantwortung für Neubauten „bis zur Hochhausgrenze“ tragen dann allein Bauherr oder Architekt. Nur noch für so genannte Sonderbauten – Häuser mit über 22 Metern Höhe oder öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser oder Schulen – soll weiterhin das bisherige Baugenehmigungsverfahren gelten. In diesem Verfahren überprüfen die Baubehörden, ob sämtliche Rechtsvorschriften eingehalten werden und erteilen dem Bauherrn anschließend eine Baugenehmigung – eine Art öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Die Übertragung notwendiger Prüfaufgaben auf private Unternehmer wird von Fachleuten unterschiedlich beurteilt: Die einen befürchten, dass dadurch der Pfusch am Bau zunimmt. Andere hoffen auf neue Aufgaben für Architekten und Bauingenieure sowie mehr Aufträge für die Bauwirtschaft.

Der Gesetzesentwurf sieht auch Änderungen beim Brandschutz sowie beim Abstandsflächenrecht vor: Künftig werden die Abstände geringer, die Grundstücke also dichter bebaut. Ob der Bauherr aber wie beabsichtigt durch das neue Gesetz Zeit und Kosten sparen wird, bleibt umstritten. Joachim Wanjura, Vizepräsident der Baukammer Berlin, rechnet damit, dass sich die Planungsphase von zwei Jahren auf sechs Monate verkürzen wird. Klaus Meier-Hartmann, Vorstandsmitglied der Berliner Architektenkammer, hält dies dagegen für unwahrscheinlich: „Heute schreibt die Bauaufsichtsbehörde alle beteiligten Ämter auf dem Dienstweg an. Bis der Bauherr oder Architekt einen Termin bei einer Behörde bekommt, kann es viel länger dauern.“

Und weil private Gutachter in Zukunft Aufgaben der Verwaltung übernehmen, zahle der Bauherr die eingesparten Gebühren für die Baugenehmigung wohl künftig an Architekten oder Bauingenieure. Für den einzelnen Bauherrn werde das Planungsverfahren teurer, befürchten sowohl Joachim Wanjura als auch Reiner Uelze, zweiter Vorsitzender beim Bauherrenschutzbund. Dieser hat errechnet, dass seit der Änderung der Brandenburger Bauordnung vor einem Jahr jeder Bau 1500 bis 2000 Euro mehr kostet. In Berlin sind folgende Änderungen geplant:

* * *

Häuser bis zu 22 Metern Höhe. Hier kann eine Genehmigungsfreistellung beantragt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei dem Projekt nicht um Sonderbauten handelt, dass für das Baugebiet ein so genannter qualifizierter Bebauungsplan existiert und dass der Antrag von einem Architekten oder einer fachkundigen Person gestellt wird , die gemäß Paragraf 66 der Bauordnung hierzu berechtigt ist.

Sofern für das Baugebiet noch kein Bebauungsplan vorliegt, muss die Behörde entscheiden, ob das geplante Gebäude sich in das vorhandene Stadtbild einfügt. „Dabei handelt es sich um ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren. Das Bauordnungsrecht wird nicht geprüft“, sagt Thomas Meyer, Referatsleiter Oberste Bauaufsicht bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Deren Einhaltung liegt allein in der Verantwortung der Architekten.“ Nicht nur Architekt Meier-Hartmann rechnet deshalb damit, dass es bald zu häufigeren Kontrollen der Baustellen und – bei schwerwiegenden Gesetzesverstößen – deren Stilllegung kommen könnte. Die Architektenkammer Berlin fordert deshalb ein Wahlrecht. Der Bauherr soll dabei selbst entscheiden, ob er eine Baugenehmigung benötigt oder nicht. Der Wegfall der Baugenehmigung zieht allerdings noch weitere Probleme nach sich: „Banken fordern meist die Vorlage der Genehmigung.“ Bei Finanzierungen könnte es deshalb zu Schwierigkeiten kommen.

* * *

Sonderbauten. Hierzu zählen etwa Hochhäuser über 22 Meter, größere Restaurants und Hotels, Krankenhäuser, Gefängnisse, Schulen, Kitas, Altersheime und Campingplätze. Das Baugenehmigungsverfahren ändert sich hier nicht. In welchen Fällen es sich um Sonderbauten handelt, steht in Paragraf 2 Absatz 4 des Gesetzentwurfs.

* * *

Garagen, Gartenlauben, Gewächshäuser. Kleinere Gebäude wie Garagen bis zu 30 Quadratmetern Größe oder Gewächshäuser bis 100 Quadratmeter können nach dem Gesetzentwurf ohne Bauantrag errichtet werden. Wichtig ist dies vor allem für Besitzer von Wochenendgrundstücke. Sie können bald ihre Gartenlaube ohne vorherigen Bauantrag errichten. Welche Gebäude man ohne Antrag einfach bauen kann, ist in Paragraf 62 der neuen Bauordnung geregelt.

* * *

Abstandsflächen. Viele Gebäude dürfen bald näher zusammenrücken. Der geforderte Abstand zum Nachbarhaus entspricht bislang der Wandhöhe des geplanten Gebäudes (ohne Dach). Künftig soll diese Abstandsfläche auf 40 Prozent der Wandhöhe reduziert werden. Bei Häusern bis zu drei Stockwerken genügt dann grundsätzlich eine Fläche von drei Metern. „Man sollte überlegen, ob der Stadt diese Verdichtung gut tut“, sagt Reiner Uelze. Zwar können Grundstücke wirtschaftlicher ausgenutzt werden, weil man künftig das gleiche Haus auf ein kleineres Grundstück bauen kann. Je dichter man aber baut, desto häufiger komme es aber auch zu Nachbarschaftsstreitigkeiten, so Uelze.

* * *

Brandschutz . Bei Gebäuden bis zu 13 Metern Höhe sollen geringere technische Anforderungen gelten, bei Gebäuden mit bis zu fünf Geschossen kann Holz für die Konstruktion verwendet werden. Zudem ist vorgesehen, die Feuerwehr – außer bei Sonderbauten – nicht mehr an der Planung zu beteiligen. „Die Feuerwehr hatte oft sehr gute Ideen für den Brandschutz. Die Beteiligung war ein richtiges Plus in Berlin“, sagt Christine Edmaier, Landes-Vorsitzende beim Bund Deutscher Architekten.

* * *

Umbauten und Sanierungen . Diese sind genehmigungsfrei, sofern sie dem Bauplanungsrecht nicht widersprechen.

Jutta Burmeister

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false