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Frage der Substanz. Bausparkassen kündigten hochverzinste Verträge nach zehn Jahren. Wird diese Praxis unzulässig, drohen neue Einschnitte.

©  Fredrik von Erichsen/dpa

Bausparverträge: Bausparkassen kämpfen um Millionen

BGH verhandelt am Dienstag über Kündigungen von alten, gut verzinsten Bausparverträgen.

Der Streit um die Kündigung hochverzinster Bausparverträge ist vor dem Bundesgerichtshof (BGH) angekommen. Am 21. Februar verhandelt der BGH über die Kündigung von zwei Verträgen durch die Wüstenrot. Sollte der BGH gegen die Kassen entscheiden, droht der Branche eine massenhafte Rückabwicklung.

Für die Sparer geht es um lukrative Zinsen, für die Bausparkassen um Millionen – aber auch um ihren guten Ruf, wenn der Banken-Senat des BGH am Dienstag kommender Woche in Karlsruhe über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen verhandelt. Erwartet wird ein Grundsatzurteil, das Hunderttausende betreffen könnte. Rund 260 000 Mal haben Bausparkassen langjährigen Kunden inzwischen Kündigungsschreiben geschickt, weil sie ihr Baudarlehen nicht abgerufen, sondern stattdessen weiter hohe Sparzinsen kassiert haben. 2015 hatte eine Kündigungswelle begonnen, 200 000 Altverträge waren aufgelöst worden. 2016 waren es 60 000 Kündigungen. „Wir brauchen Rechtsklarheit“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Die Verträge "waren für 'ewigen Guthabenzins' nicht gedacht"

Vor den Oberlandesgerichten (OLG) haben die Baufinanzierer nach Zählung des Verbandes der privaten Bausparkassen (vdpb) bis dato 75 Berufungsverfahren gewonnen und nur viermal verloren. Um zwei der Fälle, in denen das OLG Stuttgart zu Gunsten der Sparer entschieden hatte, geht es nun vor dem BGH. In beiden Fällen hat die Bausparkasse Wüstenrot Revision eingelegt. Im ersten Fall stammt der Vertrag über 40 000 DM aus dem Jahr 1978, zuteilungsreif ist er seit 1993. Doch die Kundin sparte weiter und kassierte drei Prozent Zinsen im Jahr – bis Wüstenrot 2015 den Vertrag kündigte. Im zweiten Fall hatte die Bausparkasse dem Kunden sogar 4,5 Prozent Sparzins versprochen.

„Wir sind nach wie vor überzeugt von der Rechtmäßigkeit dieser Kündigungen“, erklärt Verbandschef Andreas Zehnder. Sie seien unvermeidlich, auch wenn sie für das Ansehen der Branche nicht gerade förderlich seien, wie Zehnder einräumt. Wüstenrot sowie Konkurrenten wie Marktführer Schwäbisch Hall und BHW berufen sich darauf, dass der Zweck des Bausparens bei den Dauersparern nicht mehr im Vordergrund stehe. „Es handelt sich im Schnitt um Verträge, die im Schnitt rund 22 Jahre alt sind. Für einen 'ewigen Guthabenzins' waren sie nie gedacht“, sagt Zehnder.

War die Existenz der Bausparkassen wirklich gefährdet?

Doch angesichts der niedrigen Zinsen ist es für Bausparer günstiger geworden, das Darlehen nicht zum vereinbarten teuren Zins abzurufen, sondern weiterzusparen und stattdessen einen Kredit günstiger bei der Bank aufzunehmen.

Das bringt das Geschäftsmodell der Bausparkassen in Schieflage. Im Sinne der anderen dreißig Millionen Bausparer seien die Kündigungen „unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen“, sagt ein Wüstenrot-Sprecher. Die Branche habe ohnehin schon massiv Kosten gesenkt und Stellen gestrichen. Verbandschef Zehnder hofft, dass der BGH es den Bausparkassen nicht noch schwerer macht: „Würde es anders kommen, würde sich der Ertragsdruck verschärfen. Der Sparkurs müsste fortgesetzt werden.“

Dagegen hält Verbraucherschützer Nauhauser die Warnungen für übertrieben: „Die Erfüllung der Verträge kann die Existenz der Bausparkassen derzeit nicht gefährden, denn andernfalls wäre die BaFin eingeschritten.“ Doch auch der Chef der Finanzaufsicht, Felix Hufeld, springt den Bausparkassen verbal bei. Bevor die Branche in Existenznöte gerate, „wäre es auch im Interesse der Verbraucher, lieber eine kleine Einbuße hinzunehmen, die dann aber das System stabilisiert“, sagte er in einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“.

Juristen sind sich nicht einig

Als weitgehend unumstritten erwiesen sich vor den Gerichten Kündigungen, wenn der Kunde seinen Bausparvertrag voll bespart hatte, also gar kein Darlehen mehr brauchte. Doch dieser ersten Kündigungswelle folgte eine zweite: Sie betraf Verträge, die seit zehn Jahren zuteilungsreif waren.

Die Bausparkassen berufen sich dabei auf das Gesetz, wonach Darlehensnehmer zehn Jahre nach Erhalt des Darlehens ein Kündigungsrecht haben. Denn sie sehen sich in der Ansparphase als Darlehensnehmer ihrer Kunden, weil sie von diesen Einlagen erhalten. Mit der Zuteilungsreife sei die Mindestsumme erreicht und von da an beginne die Zehn-Jahres-Frist zu laufen. Doch das ist unter Juristen umstritten. Die OLG Hamm, Celle und Koblenz gaben den Bausparkassen Recht. Das OLG Stuttgart befand jedoch, Wüstenrot dürfe nicht kündigen. Denn die zehn Jahre begännen erst, wenn die gesamte Bausparsumme einbezahlt sei.

(rtr/dpa)

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