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Stillstand oder Wohlstand? Darüber diskutierten am Donnerstag (von links nach rechts) Engelbert Lütke Daldrup, Gero Bergmann (BerlinHyp AG), Bruno Ettenauer (CA Immo AG), Andreas Schulten (BulwienGesa AG) und Rainer Bahr (econcept) während einer Veranstaltung in der Britischen Botschaft.

© Peter Schmalfeldt

Berliner Wohnungmarkt: „Schweinezyklus“  durch Neubauboom befürchtet

Vereine BFW Berlin und ZIA stellen die Frage nach „Investitionen im Spannungsfeld der Interessen“.

Was soll nur werden in Berlin? Immer mehr Menschen zieht es in die Hauptstadt, immer mehr Menschen möchten gerne alleine wohnen – und die Bevölkerungsmehrheit wird immer älter. Gleichzeitig lassen sich Wohnträume immer seltener in hiesigen Wohnräumen unterbringen: Schön Gelegenes ist rar und teuer, Neubauwohnungen oft unerschwinglich und altersgerechte Bleiben gibt es längst nicht für alle, die danach suchen. „Immobilienstandort Berlin – Investitionen im Spannungsfeld der Interessen“ – diplomatischer hätten der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. und der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg das Dilemma und ihre gemeinsame Veranstaltung am Donnerstag in der Britischen Botschaft in Berlin kaum umschreiben können. So waren die eingeladenen Protagonisten der Immobilienwirtschaft auf der Suche nach Erklärungsversuchen und nach Auswegen.

Wer soll das Risiko eines Angebotsüberhangs tragen?

Eine Fraktion vertrat die Auffassung: Es kann noch schlimmer kommen. Andreas Schulten, Vorstandsmitglied des Immobilienberatungsunternehmens BulwienGesa AG, berichtete, dass 75 Prozent aller Münchner 12,25 Euro pro Quadratmeter für ihre Miete in Kauf nehmen müssen, in Berlin seien es derzeit nur sieben Prozent. Alles gut also? Nicht wirklich, meinte Schulte, und warnte davor mit einem Neubauboom wieder in einen „Schweinezyklus“ einzutreten.

Es sei doch alles ganz einfach. „Wenn viel gebaut wird, sinken die Mieten – wenn wenig gebaut wird, steigen die Mieten.“ Die Gesellschaft müsse sich – nicht nur in Berlin – überlegen, wer das Risiko eines Angebotsüberhangs tragen solle: Der Staat, Gemeinden und Kommunen oder die Privatwirtschaft? „Wir müssen überlegen, wie wir die Bedarfszahlen ökonomisch umlegen sollen“, sagte Schulten auf der von Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierten Veranstaltung. 

Schon jetzt solle auch darüber nachgedacht werden, was mit den Gebäuden, die jetzt gebaut werden – in Berlin sind dies vor allem Eigentumswohnungen – einmal werden solle. Wenn sie nämlich nicht mehr gebraucht würden, wäre es möglicherweise nachhaltiger, sie schnell wieder abreißen zu können. „Wir brauchen eine Bauweise, damit Gebäude schnell wieder rückgebaut werden können“, regte Schulten an. Er erntete keinen Widerspruch.

In Berlin hat man Fehler gemacht, aber es gibt noch Luft nach oben

Und wie sieht die Lage konkret aus? Bis 2025 würden in Berlin 10 000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr benötigt, sagte Berlins Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup. Diese Zahlen diktiere auch der Einwohnerzuzug nach Berlin. Es gebe in der Stadt aber ausreichend Flächen, die dafür mobilisiert werden könnten. Berlin habe Fehler gemacht: „Wir hatten eine ganz lange Phase in den neunziger Jahren, in der in Berlin nicht gebaut wurde.“ Auch der Verkauf von stadteigenen Wohnungen sei falsch gewesen.

„Immobilienstandort Berlin – Investitionen im Spannungsfeld der Interessen“: Der Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte die Veranstaltung.
„Immobilienstandort Berlin – Investitionen im Spannungsfeld der Interessen“: Der Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte die Veranstaltung.

© Peter Schmalfeldt

Weil Lütke Daldrup aber – quasi qua Amt - der Fraktion „Alles wird gut“ angehört, sagte er auch: „Wir hatten 12 000 Baugenehmigungen im vergangenen Jahr, natürlich wird nicht aus allen ein Projekt. Doch in diesem Jahr werden wir in die Richtung 20 000 Baugenehmigungen kommen.“ Die angestrebten zusätzlichen 10 000 Wohnungen pro Jahr seien im Neubau mithin keine Illusion mehr. Mit einem „Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung“ solle zudem ein spekulativer Wohnungsmarkt in der Stadt verhindert, überdies sollten mit einem „Wohnflächeninformationssystem“ Flächen und Ressourcen ausgewiesen werden.

Lütke Daldrups Fazit: „Wir sind seit zehn Jahren ökonomisch gut in Berlin unterwegs und haben noch Luft nach oben.“

Auch Privatinvestoren erwarten mehr Unterstützung von der Politik

Die dritte Fraktion der Immobilienwirtschaft – sie sieht lange Planungsprozesse und Bürgerbeteiligungsverfahren kritisch – fand am Donnerstag in Rainer Bahr ihren engagierten Wortführer. Der Geschäftsführer der econcept Immobilien und Projektentwicklungs KG berichtete über ein Projekt mit einhundert Wohnungen aus seinem Hause, das von „Wutbürgern“, die über eine Bezirksverordnetenversammlung Druck ausgeübt hätten, nunmehr erst nach einer „Verzögerungszeit von dreieinhalb Jahren“ in Bau gehen könne.

„Bei Privatgrundstücken erwarte ich mir mehr Unterstützung als bei öffentlichen, die ja der Allgemeinheit gehören“, adressierte er einen Wunsch „an die Politik“. „Wie bekommen wir es hin“, fragte Bahr, „die Bürger für die Partizipation in Beteiligungsprozessen so zu ertüchtigen, dass wir gemeinsam eine Brücke schlagen können?“ Oder sollte man – aus Zeitgründen – lieber gleich auf Partizipation verzichten? Immerhin kann es ja passieren, dass noch mehr Menschen nach Berlin kommen wollen. So weit entfernt ist die Ukraine nun wirklich nicht.

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