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Reinickendorf gehört neben Spandau und Marzahn-Hellersdorf zu den „Absteiger“-Bezirken.

© Doris Spiekermann-Klaas

Bezahlbarer Wohnraum: Alles eine Frage der Lage

Wachstum der Mieten flacht sich langsam wieder ab. Immobilienverband IVD sieht die Hauptstadt nicht am Rande einer Wohnungsnot.

Der Anstieg der Mieten in Berlin hat sich verlangsamt, und mit Blick auf eine Fluktuationsquote von acht bis zehn Prozent gibt es in der Hauptstadt noch immer ausreichend bezahlbaren Wohnraum – wenngleich auch nicht in jedem Quartier. Dies sind die zentralen Thesen des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), die IVD-Vizepräsident Jürgen Michael Schick in dieser Woche vorstellte.

Die Neuvermietungsmieten bei Standardlagen seien im Vorjahresvergleich um unter drei Prozent gestiegen, in Premiumlagen hätte die Steigerungsrate bei 2,4 Prozent – und damit unter der Inflationsrate – gelegen, sagte Schick. Die Jahresinflationsrate lag 2012 bei zwei Prozent, und in der ersten Jahreshälfte 2013 stiegen die Verbraucherpreise unter zwei Prozent. Schick verwies auf eine Untersuchung der aktuellen Angebotspreise für Kauf- und Mietimmobilien auf Grundlage der sachverständigen Einschätzung von ausgewählten Marktberichterstattern, zu denen qualifizierte Sachverständige und Bewerter, größere und kleinere Verwaltungsunternehmen und Immobilienmakler gehören. Wie viele Verträge respektive Wohnungsangebote der Untersuchung zugrunde lagen, konnte er nicht sagen.

Der IVD nennt zwei Gründe für die vom Verband beobachtete Entwicklung: Nachholeffekte seien weitgehend kompensiert worden und der Wohnungsneubau zeige Wirkung, sagte Schick. Die Mieter würden im Durchschnitt heute weniger Miete zahlen als vor zwanzig Jahren. Zehn bis fünfzehn Jahre lang hätten sich die Kaltmieten in Berlin nach unten entwickelt. Der aktuelle Berliner Mietspiegel nennt 5,54 Euro nettokalt für den Quadratmeter, was 22 bis 23 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens entspreche, so Schick. Damit falle die Wohnkostenbelastung niedriger aus als in anderen Großstädten in Deutschland. Mit dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis liege Berlin gleichauf mit Mittelstädten wie Essen oder Bielefeld und sei überdies Europas günstigste Miet-Metropole.

Bei Neuvertragsabschlüssen seien die Mieten im vergangenen Jahr laut IVD-Marktmietspiegel in Standardlagen von 6,70 auf 6,90 Euro nettokalt, in Vorzugslagen von 8,20 auf 8,40 Euro gestiegen. Zum Vergleich nannte der IVD diese Werte aus dem vorherigen Jahr: Die Mieten stiegen von 6,20 Euro auf 6,70 Euro den Quadratmeter (nettokalt) für Standardlagen und in Vorzugslagen von 7,60 Euro auf 8,20 Euro – die Raten lagen jeweils bei acht Prozent. Der anziehende Neubau zeige bereits jetzt Wirkung und verlangsame den Mietenanstieg, folgert Schick. „Die gefühlte Preistemperatur ist eine andere als die, die wir draußen messen“, sagte Schick. Das bedeute aber nicht, dass es nicht Stadtteile gebe, die „erheblich teurer“ geworden seien.

Gleichwohl: Jeder zehnte Berliner ziehe statistisch gesehen um. „Das ist der Beweis für die These, dass der Markt ein ausreichendes Angebot hat.“ Der IVD präsentierte eine Übersicht mit Auf- und Absteiger-Bezirken in Berlin. Traditionell liegt Charlottenburg-Wilmersdorf an höchster Stelle - aktuell mit 8,25 Euro/qm in der Standardlage. Mitte und Steglitz-Zehlendorf folgen mit 7,75 Euro/qm. Schlusslichter sind Marzahn-Hellersdorf (5,80 Euro/qm) im Osten und Spandau mit 5,90 Euro/qm im Westen.

Als Aufsteiger im Ranking sieht Schick Friedrichshain-Kreuzberg in besonderen Kiezlagen, Neukölln („Kreuzkölln“) sowie den Weitlingkiez in Lichtenberg. Absteiger seien Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Spandau in den einfachen Lagen. In den „Absteiger“-Bezirken finde derzeit keine Mietpreisentwicklung statt – real würden die Mieten also infolge der Preissteigerungsrate sinken; indes sinke auch in den preiswerten Lagen die Leerstandsquote.

Mit Blick auf die Klagen über steigende Mieten in Berlin und zu geringe Neubautätigkeit wandte sich Schick gegen Pläne, Mietpreise zu deckeln. Dies werde nur dazu führen, dass sich Investoren vom Mietwohnungsmarkt zurückziehen würden – und zu einer Zementierung der Mietpreisentwicklung in Brennpunktlagen. Soziale Probleme seien nicht mit Neubauten zu lösen, da Quadratmeterpreise von sechs oder sieben Euro hier nicht möglich seien. „Was wir brauchen, ist eine Anhebung des Wohngeldes für die Haushalte, die bedürftig sind“, sagte Schick.

Gegen Mietpreisbegrenzungen bei Wiedervermietungen, wie sie Pläne von CDU/CSU vorsehen, wandte sich unterdessen auch der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der aber Vorschläge, kommunale Grundstücke verbilligt an Wohnungsbauinvestoren abzugeben, begrüßte.

Zusätzlicher Wohnraum in Berlin könne auch in gesuchten Lagen entstehen, so der IVD-Vizepräsident, der ebenfalls auf die Kommunen als „größte Landbesitzer in Deutschland“ hinwies: „Wohnungen müssen da entstehen, wo sie gebraucht werden.“ Die Stadt müsse sich mit Nachverdichtungen beschäftigen – hier seien auch die Bezirke in der Verantwortung, Neubauten und Aufstockungen nicht zu verhindern. Der Neubau springe „ganz automatisch“ an, wenn die Mieten stiegen. Ein Mietwohnungsmarkt funktioniere nur, wenn sich Neubauten rechneten, sagte Schick.

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