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Ephraim Gothe, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

© DAVIDS/Michael Brunner

BFW-Forum: „Wir müssen bauen, dass es kracht“

Immobilienwirtschaft und Politik diskutieren, wie in Berlin mehr Wohnungen entstehen können.

Der Berliner Senat rückt jetzt auch offiziell von der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Absicht ab, jährlich 6000 neue Wohnungen errichten zu lassen. Die neuen Ziele sind weit ehrgeiziger: Der Vorentwurf für den Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen beziffert die Zahl der Wohnungen, die zwischen 2011 und 2025 entstehen sollen, auf 122 000. Bis 2020 sei demnach ein jährliches Neubauvolumen von 11 500 Wohnungen erforderlich, während von 2021 bis 2025 6000 Einheiten ausreichend seien, sagte Reiner Nagel, Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, diese Woche auf einem „Neubauforum“ des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Der BFW vertritt die Interessen privater Bauträger und Projektentwickler.

Dass nicht noch mehr Wohnungen errichtet werden müssen, begründete Nagel mit dem nach wie vor beachtlichen Leerstand, der im Vorentwurf für den StEP Wohnen auf fünf Prozent geschätzt wird. Etwa 1,5 Prozentpunkte seien „aktivierungsfähig“, also sofort vermietbar, sagte Nagel; dies entspricht rund 25 000 Wohnungen. Platz für Neubauten ist nach Ansicht der Senatsverwaltung ausreichend vorhanden: „Wir haben keinen Flächenengpass“, betonte Nagel. Insgesamt bestehe ein Potenzial für 211 000 neue Wohnungen – kleinere Nachverdichtungsprojekte in der Innenstadt noch nicht berücksichtigt.

„Wir müssen bauen, dass es kracht“, sagte auf derselben Veranstaltung Ephraim Gothe, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Das bedeute nicht zuletzt, schnell Baurecht zu schaffen und Baugenehmigungen zu erteilen. Dabei griff Gothe ein Instrument aus Hamburg auf: Dort erhalten die Bezirke pro genehmigter Wohnung vom Senat 250 Euro. Gothe ließ durchblicken, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dies auch in Berlin einführen möchte, damit aber beim Finanzsenator auf Granit beißt. „Die Logik des Haushalts folgt noch dem Konsolidierungskurs der stagnierenden Stadt“, kritisierte der Staatssekretär.

Keine Stellung bezog Gothe zu den jüngsten Forderungen seiner eigenen Partei, der SPD, die eine aktivere Rolle des Senats und der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bei der Schaffung von Wohnraum verlangt. SPD-Chef Jan Stöß hatte sich dafür ausgesprochen, den Bau von jährlich mindestens 5000 bezahlbaren Wohnungen zu fördern. Der Vorentwurf für den StEP Wohnen – die endgültige Fassung wird der Senat voraussichtlich im September 2013 verabschieden – spricht demgegenüber von einem jährlichen Fördervolumen von tausend Wohnungen.

Reichlich Anschauungsmaterial gab es auf der Veranstaltung für eine andere Forderung der Führungsriege der SPD. Diese schlägt in ihrem Papier „Berlin – Stadt des Aufstiegs“ vor, „Leitlinien zur Sozialgerechten Bodennutzung“ einzuführen. Demnach sollen bis zu zwei Drittel der Wertsteigerungen, die sich aus der Schaffung neuen Baurechts ergeben, für öffentliche Zwecke wie die Verkehrs- oder soziale Infrastruktur verwendet werden. Ein solches Modell der Sozialgerechten Bodennutzung (abgekürzt SoBoN) ist in München seit 1994 in Kraft. Neben der Abschöpfung eines Teils der Wertsteigerung schreibt es vor, dass es sich im Prinzip bei 30 Prozent der entstehenden Wohnungen um öffentlich geförderte handeln muss. Alexander Hofmann, Geschäftsführer des Bauträgers Baywobau, zog auf dem BFW-Forum ein zurückhaltend positives Fazit: Das System trage zur sozialen Mischung bei und schaffe für Bauträger klare Bedingungen. Allerdings sei es in der Handhabung „kompliziert und schwierig“. „Die SoBoN ist kein geeignetes Instrument, um von heute auf morgen den Wohnungsbau zu fördern und Sozialwohnungen zu schaffen“, betonte Hofmann.

Das bestätigen Zahlen des Münchner Referats für Stadtplanung und Bauordnung. Demnach wurden zwischen 1994 und 2011 im Rahmen der SoBoN 9160 geförderte Wohnungen errichtet. Pro Jahr entspricht das gerade mal etwa 500. Allerdings kommt die SoBoN auch nicht bei allen Wohnungsbauprojekten zum Tragen, sondern nur, wenn ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss – vereinfacht gesagt: bei größeren Projekten. Der jüngste „Bericht zur Wohnungssituation in München“, diagnostiziert dann auch trotz SoBoN einen „dringenden Handlungsbedarf bei preisgünstigen Wohnungen“.

Kommt die entscheidende Anregung für Berlin also vielleicht aus Hamburg, wo sich Senat, Bezirke und Wohnungsbauunternehmen auf ein „Bündnis für das Wohnen“ verständigt haben? Was Andreas Ibel, Geschäftsführer eines Hamburger Immobilienunternehmens, auf der Tagung berichtete, klang nicht eben enthusiastisch. Immerhin: „Wir haben es geschafft, einen konstruktiven Dialog zwischen allen Beteiligten herzustellen“, sagte Ibel. Positiv sei auch, dass bei Bauvorhaben, bei denen es nicht vorangehe, eine Senatskommission angerufen werde. „Dieses Eskalationsverfahren ist der richtige Weg“, meint Ibel. Berlin ist da bescheidener: Bei Konflikten soll künftig eine Wohnungsbauleitstelle vermitteln.

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