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Wegen mangelhaften Brandschutzes mussten 800 Mieter ihre Wohnungen in diesem Dortmunder Hochhauskomplex am 21. September verlassen.

© imago/Cord

Brandgefahr führt zu Räumung: Hannibals Besitzer sieht Grund zur Klage

Der Berliner Sascha Hettrich zieht wegen der Evakuierung seines Hauses gegen die Stadt Dortmund vor Gericht.

Mehr als 750 Menschen mussten in Dortmund von einem Tag auf den anderen ihre Wohnungen räumen – nun steht die Hochhaus-Zeile „Hannibal 2“ wie ein Geisterhaus da. Die Stadt hatte die Räumung verfügt. Die Gefahr eines Brandes, der von der Tiefgarage ausgehend auch Rauch über eine Entlüftungsanlage in die Wohngeschosse fluten würde, zwinge zu kurzfristigem Handeln. Auch Fluchtwege, in denen Hausrat deponiert war, sollen teilweise blockiert gewesen sein.

„Wenn man Kenntnis über eine Gefahrenlage hat, kann man nicht länger warten“ hatte Stadtrat Ludger Wilde, Leiter des Dortmunder Krisenstabs, erklärt. Es sei Gefahr im Verzuge. Doch genau das bestreitet der Hauseigentümer, Sascha Hettrich. Der Chef der Intown Property Management GmbH (Berlin) sagte dem Tagesspiegel: „Die Verfügung der Stadt war nicht angemessen, wir gehen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vor.“ Eins davon ist die nun beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereichte Klage.

Nach Darstellung Hettrichs erfolgte die Evakuierung wenige Stunden nach der Vorlage eines Berichtes über eine gemeinsame „Brandschau“ des Gebäudes, die Ende August stattgefunden hatte. Der Termin mit den Brandschutz-Experten der Stadt habe mit Mitarbeitern von Intown stattgefunden. Indes: Das Protokoll mit den Ergebnissen der Untersuchung sei der Firma nicht zur Verfügung gestellt worden, behauptet er. Die Verwaltung habe auch nicht auf Nachfragen seiner Firma zum Bericht geantwortet. Erst wenige Stunden vor der Evakuierung – die Rede ist von etwa drei Stunden – sei Intown über die Mängel informiert worden und über das Veto der Verwaltung: „In der kurzen Zeit kann niemand Mängel abstellen“, sagt Hettrich.

Genügend Maßnahmen gegeben

Aus der Sicht des Hauseigentümers sei aber auch keine Gefahr im Verzuge gewesen. Außerdem hätte die Firma bei einer rechtzeitigen Benachrichtigung über die Mängel Maßnahmen zum Schutz der Bewohner ergreifen können. „Wir hätten die Tiefgarage komplett gesperrt“, sagt Hettrich auf Anfrage. Dadurch wäre die aus Sicht der Verwaltung wichtigste Gefahrenquelle beseitigt gewesen. „Und auf jedem Flur hätten wir eine Brandwache aufgestellt, die die Bewohner im Falle eines Feuers geordnet aus dem Haus führt“, so Hettrich.

Dass Fluchtwege durch Fahrräder oder anderen Hausrat verstellt seien, komme schon einmal vor. Dieser Mangel könne leicht behoben werden.

Nur ein Mangel an dem Gebäude sei nicht kurzfristig abzustellen: In Hochhäusern benötigen alle Aufzüge heutzutage einen brandgeschützten Vorraum vor der Fahrschachttür. „Das gibt es bei kaum einen Gebäude aus dieser Zeit“, sagt Hettrich. In den 1970er Jahren sei eben so noch nicht gebaut worden. Dass eine Verwaltung wie in diesem Falle nachträglich weitreichende Eingriffe in die Baukonstruktion fordere – also gleichsam heutige Normen rückwirkend auf frühere Bauten übertragen wolle – hält Hettrich für „nicht rechtskonform“.

Das in einem sozialen Brennpunkt Dortmunds gelegene Gebäude hatte die Firma Intown auf einer Zwangsversteigerung erworben. Spezialisiert ist die Firma auf den Handel mit Gewerbeimmobilien. In Berlin besitzt Intown etwa die früheren BVG-Bürohäuser an der Hauptstraße in Reichweite des Schöneberger Kleistparks. Auch das seit Jahren leer stehende Hotel Astoria in Leipzig – zu DDR-Zeiten galt es als modernstes und luxuriösestes Haus des Arbeiter-und-Bauern-Staates – hatte die von israelischen Eigentümern betriebene Firma im vergangenen Jahr erworben. Zu deren Geschäftsmodell gehört Branchenexperten zufolge Problemimmobilien. Diese bergen zwar große Risiken, wie die Räumung in Dortmund nun zeigt, aber eben auch große Renditechancen. Gemessen an Instand gehaltenen Objekten, sind sie meist zu Spottpreisen zu haben.

Sascha Hettrich
Sascha Hettrich

© M.Buetow

Die Stadt Dortmund verteidigt ihr Vorgehen. Hannibal 2 sei wegen „eklatanter Brandschutzmängel“ am 21. September „freigezogen worden“. Betroffen seien 400 Haushalte mit 800 Personen. Diesen biete die Stadt zurzeit „verschiedene Hilfsangebote“. 120 Bewohner des Gebäudes hätten das Angebot angenommen, in der „Helmut-Körnig-Halle“ zu nächtigen. Weitere 303 Menschen hätten Unterkünfte in „Übergangseinrichtungen“ und Wohnungen gefunden. Der Eigentümer der Immobilie, der von der Verwaltung als „Verursacher der „Missstände“ bezeichnet wird, habe „an den Hilfsangeboten bislang nicht mitgewirkt“. Der Wohnkomplex Hannibal 2 sei „gesichert“, die Schlösser ausgetauscht und im Besitz der Feuerwehr.

Die Stadt selbst stellt die Abläufe, die zur Evakuierung des Gebäudes führten, so dar: „In einer Begehung am vergangenen Dienstag, 19. September, mit Feuerwehr und Bauaufsicht hat sich herausgestellt, dass durch bauliche Veränderungen die Genehmigungen auf das Brandschutzkonzept verloren gegangen sind.“ Eine Tiefgarage ohne Brandschutz, nicht brandsichere Leerschächte und fehlende Rettungswege hätten die kurzfristige Evakuierung nötig gemacht.

Der Eigentümer der Immobilie erklärte seinerseits, keine bauliche Änderungen an dem Objekt vorgenommen zu haben.

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