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Immobilien: Chaos im Keller

Auch Wasserleitungen müssen regelmäßig gewartet werden, denn sie unterliegen stetem Verschleiß. Wer sich darum nicht kümmert, erlebt unter Umständen eine teure Überraschung

Es geschah über Nacht. Noch am Abend zuvor war der Keller des Einfamilienhauses so wohlgeordnet wie immer, am nächsten Morgen herrschte das Chaos: Eine Leitung des in den 60er Jahren errichteten Baus war gebrochen, knietief stand nun das Nass, an seiner Oberfläche schwammen hier ein paar leere Weinflaschen, dort einige Dokumente, die sich langsam auflösten. Die Tiefkühltruhe samt Inhalt war hin, nur die Heizungsanlage war glücklicherweise intakt geblieben. Um die 40 000 Euro kostete die Sanierung dieses Schadens, vom Verlust einiger unwiederbringlicher Papiere ganz abgesehen.

Ein Fall, wie ihn die Versicherungen inzwischen in steigender Tendenz zu regulieren haben, mit immer größerem finanziellen Aufwand in Milliardenhöhe. Denn allzu oft werden die Gefahren vernachlässigt, die durch in die Jahre gekommene Installationen verursacht werden, berichtet Marc Grusdas vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Auch Wasserleitungen halten nicht ewig, sie unterliegen stets einem gewissen Verschleiß, der durch Fehler beim Einbau noch verstärkt werden kann. Die Korrosion nagt dann so lange an der Innenseite des Rohres, bis es dem Wasserdruck nachgibt und aufreißt. „Entscheidend sind meist die ersten drei Jahre nach Errichtung des Neu- oder Umbaus“, sagt Grusdas. „Treten in dieser Zeit keine Probleme auf, wurde alles korrekt installiert. Dann halten die Rohre auch die folgenden 15 bis 20 Jahre gut durch. Danach allerdings nimmt die Schadenshäufigkeit wieder erkennbar zu.“

Die schnellsten Schäden richten unwissende Heimwerker an. Denn werden die falschen Materialien miteinander verbunden, kann ein „galvanisches Element“ entstehen. So unterscheiden sich Metalle in ihrer elektrochemischen Beschaffenheit erheblich. Wird ein „edleres“ Metall (zum Beispiel Kupfer) direkt an ein „unedleres“ (etwa Eisen) geschraubt, entsteht ein chemischer Prozess, bei dem sich das „unedlere“ Material zersetzt. Je nach Fließrichtung des Wassers wird dieser Ablauf noch beschleunigt – dann herrscht meist binnen weniger Jahre „Land unter“. Ähnliches droht, wenn schlechtes Material verwendet wird.

Die Bildung eines „galvanischen Elements“ ist aber nur ein Korrosionsablauf von vielen, die den Chemikern bekannt sind – vor allem beim Eisen. Lochfraß kann sich schon dann bilden, wenn der Sauerstoffgehalt des Wassers hoch und der Anteil des gelösten Kalks darin besonders niedrig ist. Bereits der Sauerstoff kann zur Umwandlung des gediegenen Eisens in lösliches Hydroxid führen, also zum Abtrag des festen Materials.

Zwar sind Stahlrohre zum Zweck des Korrosionsschutzes inzwischen verzinkt, aber das Element Zink (ziemlich „unedel“) bietet sich hier nur als Opfer an. Ist es völlig weggefressen, geht’s anschließend dem Eisen an die Atome.

Und was ist mit dem Kalk? Der ist nicht immer „böse“. Sicher, bei zu großer Belastung im Wasser kann er die Rohrleitung – über Jahrzehnte hinweg – zusetzen, weil sich der gelöste Mineralstoff (Calzium-Hydrogencarbonat) vor allem im Beisein von Sauerstoff und Wärme in festen Kalk umwandelt (Calziumkarbonat). Dann reduziert sich der Querschnitt des Rohrs, bis kaum noch etwas hindurchgelangt. Eine kleine Menge an Ablagerungen hingegen wirkt durchaus positiv, eben weil sie die Innenwandung vor Rostfraß schützt.

Die richtige Auswahl des Rohr-Metalls hängt bisweilen auch von der Zusammensetzung des Wassers ab, entscheidend ist hierbei der pH-Wert, die Wasserstoff-Ionenkonzentration. Liegt er nur ganz leicht im sauren Bereich – etwa durch natürliche Kohlensäure im Wasser – geht Kupfer langsam in Lösung. Das kann bis zur gesundheitlich bedenklichen Grenze anwachsen, wenn das Wasser getrunken wird.

All die Zusammenhänge der Korrosion sind mit dieser Schilderung noch längst nicht erschöpfend dargestellt – wir haben sie nur angeführt, um zu verdeutlichen, wie kompliziert die Materie ist. Denn in der Vorstellungswelt des Laien stellt Wasser oft gar keine Gefahr dar. Von elektrischen Anlagen und von Gasinstallationen lässt er vielleicht die Finger, weil ihm das Unfallrisiko zu groß erscheinen mag, aber – so denkt er sich mitunter – was bedeutet schon die Reparatur eines simplen Wasserrohrs? Doch Vorsicht: Wasser ist – im Überfluss – nicht nur ein Verursacher großer Schäden für die Gebäudesubstanz und die in den Räumen aufbewahrten Dinge, Trinkwasser ist vor allem das Lebensmittel Nummer Eins – ein Thema, das wir hier in einer späteren Folge noch etwas genauer betrachten werden. Nicht ohne Anlass ist daher das „Grundgesetz“ der Installationsbranche, die DIN-Norm 1988, so umfassend. Fachbetriebe brauchen überdies eine Zulassung vom örtlichen Wasserversorger. Damit wird sichergestellt, dass die Handwerker die jeweiligen Gegebenheiten – etwa die Zusammensetzung des Wassers – genau kennen.

Die DIN-Norm nimmt freilich nicht nur den Installateur in die Pflicht, sondern auch „den Betreiber der Trinkwasseranlage“, den Hausbesitzer. Er muss nämlich in bestimmten Abständen für fachmännische Kontrollen des Systems sorgen. Das gilt natürlich vor allem für große Versorgungsanlagen im Mehrfamilienhausbereich. Aber auch der Eigenheimbesitzer sollte zumindest problembewusst sein und schon bei (noch) kleinen Unregelmäßigkeiten sofort den Fachmann um Rat fragen. Wenn sich zum Beispiel das Wasser leicht bräunlich verfärbt oder nur noch in dünnem Rinnsal aus dem Hahn fließt, stehen bestimmt bald größere Sorgen an.

Wer als Laie die Vorsorge ernst nimmt, belässt es also nicht bei der Gebäudeversicherung, sondern holt sich in längeren Abständen auch schon mal den Installateur für eine Inspektion ins Haus. Der kann zwar auch nicht ohne weiteres in die Rohre sehen – dazu müsste er ein leicht zugängliches Stück ausbauen und genauer untersuchen – aber anhand der sichtbaren Teile und der Informationen über frühere Reparaturen, die er vom Hausbesitzer erhält, kann er zumindest das Gefahrenpotenzial abschätzen.

Wichtig zu wissen ist zudem, wo sich die Hauptabsperrhähne befinden. Sie müssen nicht nur zugänglich gehalten werden, sondern auch beweglich. Alle halbe Jahre mal zu- und wieder aufdrehen, das hält die Gewinde gängig, damit im Notfall nicht zu viel Wasser in den Keller oder durch die Küchenwände fließt.

Gideon Heimann

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