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Immobilien: Charmant und durchtrieben

Eine tiefe sonore Stimme, ein Anzug wie maßgeschneidert und ein unwiderstehliches Versprechen: Steuern sparen. Das hätte Kristiane Burchardi fast überzeugt, eine problematische Immobilie zu erwerben

Von Ralf Schönball

Gutgläubig ist Kristiane Burchardi eigentlich nicht. Aber ihren Freunden vertraut sie. Und die hatten ihr erzählt, dass sie eine Immobilie erworben hatten, um fürs Alter vorzusorgen. Und dass sich die Investition sogar rechne. Da brauchte der Anrufer, der ihr ein Immobiliengeschäft vorschlug, keine großen Überredungskünste, um einen Termin mit der promovierten Historikerin zu vereinbaren.

Wenige Tage später stand sie nun da, vor der Tür der Firma Finance Concept, in der Herbststraße 16 und war eigentlich ganz froh, als niemand auf das Klingelzeichen antwortete. So ganz geheuer war ihr das Ganze nun doch nicht. Sie wollte gerade gehen, als eine tiefe sonore Stimme sie plötzlich fragte: „Wollen Sie zu mir?’“

Sie drehte sich um. Ein schlanker, groß gewachsener Mann lächelte sie an. Der dunkle Anzug wie auf den Leib geschnitten. Er öffnete die Tür und führte sie in ein lichtdurchflutetes Dachgeschoss. Wenig später saßen sie in einem spartanisch ausgestatteten Büro - und der Verkäufer stellte der Historikerin „unser neues Geschäftskonzept“ vor.

„Wir haben Wohnungen von der Treuhand und Liegenschaftsgesellschaft erworben“, sagte der Mann ernst. Es handle sich um Immobilien aus der „sozialen Wohnbewirtschaftung“. Daher fördere der Staat die Investition in besonderem Maße. Seine Firma saniere die Immobilien, teile die Häuser in Eigentumswohnungen auf, und verkaufe sie dann einzeln weiter. „Ihnen, Frau Burchardi,“ sagte er mit einem gewinnenden Lächeln, „möchte ich eine Wohnung in der Lynarstraße 40 in Spandau anbieten“.

„Herr Eichel“ zahlt

Dann begann er zu rechnen: Den Kaufpreis von 51000 Euro für die gut 40 Quadratmeter große Wohnung werde eine Bank finanzieren. Sie müsse kein eigenes Geld investieren. Die Zinsen für den Kredit plus Hausverwaltergebühren könne sie zum größten Teil von den Einnahmen bezahlen, die sie durch die Vermietung der Wohnung erziele.

Gewiss, es bleibe eine „Unterdeckung“ von 837 Euro im Jahr. „Aber keine Sorge, das müssen Sie nicht aus der eigenen Tasche bezahlen“, sagte er. Denn diesen Betrag könne sie „zusammen mit der Afa“ von ihrer Steuerschuld abziehen. Denn fast 1800 Euro erstatte ihr das Finanzamt jedes Jahr. „Dieses Geld steuert Herr Eichel bei, wenn sie diese Immobilie erwerben“, habe er gesagt.

Zwar müsse die künftige Eigentümerin noch eine Instandhaltungspauschale bezahlen und regelmäßig den Kredit tilgen. Doch alles in allem werde sie die Immobilie monatlich nicht mehr als 50 Euro kosten. Das bisschen Geld werde ihr die Sicherung ihres Lebensstandards im Alter doch wert sein.

„Das ist es mir wert“, sagt Kristiane Burchardi. Überzeugt hatten sie vor allem die vielen Steuern, die sich nach dem Erwerb der Immobilie angeblich vom Finanzamt zurück bekommen sollte. Rund 46000 Euro in zehn Jahren. Die Wohnung, die sie kaufen sollte, hatte sie zwar nicht gesehen. Der Verkäufer vereinbarte aber schon einmal den dritten Termin und sagte: „Da sollten wir dann auch gleich die Verträge unterschreiben.“

Noch zwei Tage bleiben ihr bis zum Termin, Spandau, Lynarstraße. Die Sonne wirft ein warmes gelbes Licht auf die Häuserzeilen: Altbauten aus der Jahrhundertwende. Die Fassaden haben seit Jahren keinen frischen Anstrich mehr gesehen. Eine gebrauchte Satellitenschüssel und einige Wühltische stehen vor einem Laden im Erdgeschoss. ’An- und Verkauf’, heißt es über dem Eingang zu dem kleinen Geschäft. Und: „Telefonkarten, billig“.

Dann donnert es über den Dächern. Eine Maschine steuert im Sinkflug Tegel an. Die Lynarstraße liegt in der Einflugschneise.

„Der Verkäufer sagt, dass die Fassade noch gestrichen wird“, so Kristiane Burchardi. Und dann, nach einer kleinen Pause: „Na ja, schön ist die Straße nicht“. Die Wohnung befindet sich im Seitenflügel. Viertes Geschoss. Ein Raum, Küche, Toilette, Bad. „Die Verwaltung garantiert die Vermietung“, sagt sie. Da könne doch nichts passieren.

„Mit Mietgarantien werden die Kunden geködert“, sagt Peter Lischke, „das ist ein beliebtes Spiel.“ Die Berichte geprellter Immobilienkäufer haben den juristischen Referenten bei der Verbraucherzentrale gelehrt, dass die Garantien oft nicht das Papier Wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Wenn die Firmen wirklich zahlen müssten, gebe es oft Probleme. Und auch wenn die Firmen vorübergehend ihr Versprechen einlösten: „Das Geld für die Garantien hat der Käufer selbst bezahlt“, so Lischke, „das ist in dem hohen Kaufpreis für die Immobilie versteckt.“

Ursula Rühle kommt zu dem selben Ergebnis. Die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin nimmt seit vielen Jahre Unternehmen und Angebote aus der Immobilienwirtschaft unter die Lupe. „Wenn die Wohnung 10000 Euro weniger kosten würde, könnte man anfangen, darüber nachzudenken“, sagt sie. „Aber 50000 Euro...“ - unter Renditegesichtspunkten sei das indiskutabel (siehe Kasten).

Der hohe Kaufpreis sei nicht die einzige Ungereimtheit in dem Angebot. „Woher die hohen Steuervorteile stammen, erschließt sich mir nicht“, sagt die Steuerberaterin. Beim Erwerb von Altbauten im Westteil der Stadt könnten Käufer jährlich zwei Prozent des Gebäudeanteils am Kaufpreis von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen. So steht es sogar in der Werbebroschüre, die Kristiane Burchardi erhalten hatte. Nur: Der Rechnung, die der Händler auf einen losen Zettel gekritzelt hatte, legte er einen Steuervorteil von fast zehn Prozent zu Grunde.

Ein kleiner Fehler mit großen Folgen. Denn der Käufer der Immobilie müsste monatlich nicht 50 Euro, sondern 150 Euro draufzahlen, um die Raten für den Kredit bezahlen zu können. Kristiane Burchardi könnte sich das nicht leisten.

„Ein anderer Knackpunkt“, so Ursula Rühle weiter, „ist die Finanzierung“. Der Immobilienvermittler verspricht seinen Kunden, dass er einen Kredit über den „Gesamtaufwand“ erhält. „Aber es gibt in Berlin eigentlich keine Bank mehr, die Immobilien zu 100 Prozent finanziert“, sagt Ursula Rühle. Das Risiko sei den Geldhäuser aufgrund der Rezession am Immobilienmarkt einfach zu hoch.

Erwerber müssten mindestens 20 Prozent des Kaufpreises aus der eigenen Tasche bezahlen. Außerdem noch: Grunderwerbsteuer und Gebühren für Notar und Grundbucheintragung. Unter Umständen würden die Banken an der Stelle des Eigenkapitals ein Wertpapierdepot zur Absicherung des Kredits pfänden - wenn die Papiere trotz Baisse noch genügend Wert sind.

Eine falsche Zahl reicht aus

„Ansonsten,“ so die Wirtschaftsprüferin leidenschaftslos, „zählt der Verkaufsprospekt noch zu den besseren, die man so in die Hände bekommt.“ Sogar die Zahlen in der Wirtschaftlichkeitsrechnung, die der charmante Immobilienverkäufer der Historikerin vorlegte, stimmten von der einen Ausnahme abgesehen. „Aber eine falsche Zahl reicht schon, damit eine Finanzierung zusammenbricht“, sagt Ursula Rühle.

Nicht nur die unerklärlich hohe Abschreibung nährten die Zweifel an der Solidität des Angebots. Auch das Unternehmen selbst. Alle drei an dem Geschäft beteiligten Firmen leitet der selbe Geschäftsführer. Seine Firmen verkaufen nicht nur die Immobilien, sie verwalten auch die Konten, auf die die Mieten eingehen. Und sie übernehmen die „Steuerberatung“ für den Käufer. Anders ausgedrückt, derselbe Mann kontrolliert alle Geldflüsse.

Erfahrungen der Verbraucherzentrale lehren, dass Firmenkonstruktionen wie diese es den Verantwortlichen leicht machen, die Kunden über ihre tatsächliche wirtschaftliche Lage zu täuschen. Insbesondere wenn sie steuerliche und finanzielle Abwicklungen für den Käufer wie in diesem Fall als Teil eines „Servicepakets“ gleich mit übernehmen. Eine kritische Prüfung des Angebots sei nur durch unabhängige Berater gewährleistet. Und auch für den Fall, dass dem Verkäufer später eine falsche Beratung oder ein Betrug nachzuweisen ist, bleibe der Anleger meistens auf seinem Schaden sitzen. Denn sofern die Firma überhaupt noch existiere, wenn deren Rechnungen nicht aufgehen, gebe es meistens nicht viel zu holen: Solche Gesellschaften haften mit 25000 Euro.

Auch die Firma, die die Immobilie aus der Lynarstraße 40 anbietet. Im Telefonbuch hat sie sich erst gar nicht eintragen lassen.

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