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Immobilien: Damit die Wohnung nicht den Atem raubt

Baubiologen entlarven Krankmacher in Mauern und Böden. Doch in der Region gibt es nur wenige

Jetzt wachsen sie wieder. Wenn es draußen feucht ist oder kalt und in Wohnungen wenig gelüftet wird, können Schimmelpilze sich besonders gut vermehren. Nicht selten sorgt das dann für Gesundheitsschäden wie Atemwegserkrankungen, Allergien, Ausschlag oder Gelenkbeschwerden. Doch nicht nur Schimmel, auch Hefepilze in Küche oder Bad, Luftschadstoffe, Ausdünstungen durch Kleber oder Farben und Elektrosmog können empfindliche Menschen krank machen. In diesen Fällen ist die Ursachenforschung meist mühsam. „Falls die Beschwerden zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten zu- oder abnehmen, etwa in der Nacht oder am Arbeitsplatz, kann dies auf Haus-Krankheiten hinweisen“, sagt Dagmar Knobloch. Die Bauingenieurin und geprüfte Baubiologin aus Potsdam rät deshalb, sich schon vor dem Hausbau oder dem Einzug in die neue Wohnung beraten zu lassen. „Baubiologie ist die Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen der bebauten Umwelt und ihren Bewohnern“, so die Expertin. Bei baubiologischen Beratungen geht es vorrangig um Themen wie Elektro- smog, Strahlung, Schadstoffe, Schimmelpilze, Holzschutz, natürliche Baustoffe, Elektroinstallationen und Raumklima.

Immerhin leidet fast jeder Zweite an Allergien, so das Gesundheitsministerium. Krankenkassen schätzen, dass rund ein Drittel aller Bundesbürger aufgrund von Umwelteinflüssen erkranken – Tendenz steigend. Schließlich verbringt der durchschnittliche Deutsche heute fast 95 Prozent seiner Zeit in geschlossenen Räumen. Doch trotz dieser Zahlen und gestiegenem Umweltbewusstsein gibt es in Berlin und Brandenburg nur wenige Berater (s. Kasten). Ein Nord-Süd-Gefälle hat man auch beim Institut für Baubiologie und Oekologie in Neubeuern (IBN) festgestellt: In Bayern oder Baden-Württemberg sei eine baubiologische Beratung üblicher. Im Idealfall arbeiten Architekt und Baubiologe zusammen und der Experte verfügt über ein Netzwerk weiterer Profis, etwa für Feng Shui oder Beleuchtung, und entsprechend sensibilisierte Handwerksfirmen.

Allerdings: Der Begriff Baubiologe ist nicht geschützt. Bauherren sollten sich deshalb erkundigen, ob der Berater tatsächlich über fundiertes Wissen verfügt. Ein Kriterium könnte der Zusatz „IBN“ sein: Diesen dürfen nur Berater führen, die den staatlich zugelassenen Fernlehrgang Baubiologie am Institut in Neubeuern erfolgreich abgeschlossen haben. Rund 6000 Architekten, Bauingenieure, Bauhandwerker, Ärzte und Heilpraktiker haben bislang diese Ausbildung absolviert. Das Institut bietet außerdem interessierten Bauherren die Möglichkeit, an eintägigen Schnupperseminaren teilzunehmen und dort die Grundregeln des gesunden und harmonischen Bauens und Wohnens zu erlernen.

Dazu gehöre vor allem die Verwendung nachwachsender Rohstoffe aus der Region, so Dagmar Knobloch. Als Dämmstoff könnten zum Beispiel Hanf, Wiesengras, Schilf, Seegras oder Zellulosefasern aus Altpapier verwendet werden. „Man muss auch nicht gleich das ganze Haus nach baubiologischen Kriterien bauen oder umbauen“, so Knobloch. Ein erster Schritt sei es, mit Räumen anzufangen, in denen man sich oft aufhalte, etwa Schlaf- oder Arbeitszimmer. Vor allem aber soll dem Bauherrn oder Mieter in einer Beratung Klarheit verschafft werden, welche Inhaltsstoffe sich in einem Produkt verbergen – auch Holz wird oft mit Lösungsmitteln behandelt. Und in der scheinbar ökologischen Schafwolle verbirgt sich ein ungesunder Mottenschutz.

Schon in einer kurzen, kostengünstigen Beratung ließen sich viele Fragen klären, heißt es beim IBN. Etwas teurer wird die Entnahme von Proben, für die das Institut spezielle Messtechniker ausbildet. Generell gelte: Ein nach baubiologischen Kriterien errichtetes Haus müsse nicht teurer sein als ein konventionelles – im Gegenteil. In der Folge lassen sich zudem Energie- und Sanierungskosten sparen. Schwieriger ist dagegen die Beratung bei besonders schadstoffbelasteten Wohnungen oder Häusern aus den siebziger Jahren. Dann muss Knobloch manchmal zum Auszug raten: „Manches Haus ist einfach nur noch Sondermüll.“

Jutta Burmeister

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