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Immobilien: Der Versicherte zahlt drauf

Weil die Versicherungskonzerne schlecht gewirtschaftet haben, zahlen sie Besitzern von Kapitallebensversicherungen weniger aus. Wer eine solche Police zur Eigenheimfinanzierung eingesetzt hat, dem fehlt nun Geld

Immobilieneigentümer haben einen schweren Stand. Der Wert von Häusern und Wohnungen befindet sich in den meisten Regionen im Sinkflug; besonders hart hat es Eigentümer von Objekten in Berlin getroffen. Doch damit nicht genug. Wer seine vermietete Immobilie mit einer Kapitallebensversicherung als Tilgungsersatz finanziert hatte, muss zurzeit auch noch teuer für die Fehlkalkulationen der Versicherungskonzerne bezahlen: Die Unternehmen haben die einst in Aussicht gestellten hohen Renditen zuletzt drastisch gekürzt. Die Folge: Deren Kunden können ihre Immobilienkredite nicht wie geplant mit der ausgezahlten Versicherungssumme tilgen.

Diese Sorge der Grundbesitzer nutzen viele Versicherungsvertreter nun aus, um ihr Geschäft wieder anzukurbeln. Sie weisen ihre Kunden auf die „Lücke“ in ihrem Rückzahlungsplan hin und raten den Hausbesitzern zum Abschluss einer zusätzlichen Kapitallebensversicherung. Begründung: Nur noch für Kapitallebensversicherungen, die in diesem Jahr abgeschlossen werden, gibt es Steuervorteile in voller Höhe. Außerdem sei die zusätzliche Rücklage von Geld wichtig, um den Sicherheitsanforderungen der kreditgebenden Bank genüge zu tun. Doch beide Argumente überzeugen Experten nicht. Diese raten vor allem dringend vor dem Abschluss neuer Verträge ab.

Der Fall von Gerd Gander ist typisch für die derzeitige Strategie der Versicherer: Gander hatte 1998 eine Eigentumswohnung gekauft und dafür einen Kredit über 76700 Euro erhalten. Da er das Objekt vermieten wollte, vereinbarte er einen „Tilgungsersatz“ durch den Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Der Tilgungsersatz sollte so funktionieren: Statt jährlich einen Prozent des Kredits zurückzuzahlen, wurde dieselbe Summe der Versicherung überwiesen. Wenn die Police 2023 fällig würde, sollte der Schuldner von den eingezahlten, verzinsten Beiträgen den Immobilienkredit mit einem Schlag zurückzahlen.

Diese Rechnung geht nicht mehr auf, weil viele Versicherer die versprochenen Renditen stark gekürzt haben. Im Fall von Gander beträgt die dadurch entstandene Lücke zwischen der bei Vertragsabschluss in Aussicht gestellten Auszahlung und dem derzeit zu erwartenden Betrag 36000 Euro. Diese „Lücke“, dazu riet ihm ein Vertreter, soll der Schuldner durch den Abschluss einer zusätzlichen Lebens- oder Rentenversicherung schließen. Der Betroffene müsste dadurch monatlich 100 Euro zusätzlich aufbringen.

„Die meisten Vertreter von Versicherungen raten in solchen Fällen zum Abschluss einer zusätzlichen Police, weil sie selbst dabei eine Provision kassieren“, sagt Arno Gottschalk. Der Experte von der Verbraucherzentrale in Bremen rät jedoch von einem voreiligen Abschluss zusätzlicher Verträge ab. Es bestehe oft auch keine Pflicht hierzu. Im Gegenteil, einstweilen sei sogar die Kündigung einer bestehenden Kapitallebensversicherung sinnvoll, und eine Umstellung der Finanzierung auf ein Tilgungsmodell. Dies sei dann zu erwägen, wenn der Betroffene die Immobilie selbst nutze, wenn er bereits älter sei oder der Vertrag noch eine lange Laufzeit habe.

Allerdings sei vor einem solchen Schritt eine individuelle Beratung erforderlich. Denn trotz der heute geringen Versicherungsrenditen könnten – zumindest bei vermieteten Immobilien – Steuervorteile manchen Nachteil gesunkener Versicherungsrenditen aufwiegen. Hintergrund: Eigentümer von vermieteten Immobilien können die Zinsen für Immobiliendarlehen in voller Höhe von dem zu versteuernden Einkommen abziehen. Betroffene mit Spitzenverdienst bekommen dadurch vom Fiskus in vielen Fällen fast die Hälfte der Zinskosten als Steuerrückzahlung erstattet. Dieser Steuervorteil wird bei einem tilgungsfreien Kredit mit Kapitallebensversicherung optimal ausgeschöpft, weil die Zinsen während der ganzen Kreditlaufzeit hoch bleiben.

Ob diese Steuervorteile die Nachteile der gesunkenen Renditen aufwiegen, sollten sich Kreditnehmer von einem unabhängigen Berater für die gesamte verbleibende Laufzeit bestehender Verträge durchrechnen lassen. Das ist nicht immer einfach, weil die mit der Bank abgeschlossenen Kreditverträge nur selten genau so lange laufen, wie die zu deren späteren Tilgung eingesetzten Kapitallebensversicherungen. Das kann man ändern, wenn die Zinsbindung des Kredits in naher Zukunft endet: Viele Banken bieten Konstantdarlehen an. Dabei handelt es sich um einen Kredit, dessen Zinshöhe bis zur Rückzahlung des letzten Euro fest vereinbart wird. Die Zinsen hierfür betragen derzeit rund 5,15 Prozent, so wenig wie nie in den vergangenen 40 Jahren.

Auch Finanzberater Max Herbst warnt vor übereilten Abschlüssen: „Einige Versicherer haben bald höhere Renditen in Aussicht gestellt“, sagt er. Davon könnten auch Besitzer von Policen profitieren, die derzeit nur mit einer gesetzlichen Mindestverzinsung rechnen müssen. Denn durch die höhere Renditen würden die ausgezahlten Versicherungsbeträge größer sein – der Betrag würde dann zur Rückzahlung eines größeren Teils der Schulden ausreichen, als die Gesellschaften heute prognostizieren.

Auch dem Verein für Existenzsicherung liegen Fälle vor, wo Banken auf die Schließung von Deckungslücken drängen. Nach Auffassung von Vereinschef Johann Tillich können Geldhäuser diese Forderungen nicht durchsetzen, wenn im Kreditvertrag die jährliche Tilgungshöhe nicht genau beziffert wird. Dagegen steht der Kreditnehmer in der Pflicht, wenn eine Tilgung fest vereinbart und in der Höhe beziffert wird und in einem weiteren Abschnitt die „Aussetzung“ dieser Tilgung durch den Abschluss einer Kapitallebensversicherung vereinbart wird. Denn dann gelte aufgrund der gekürzten Renditen in der Regel, dass die verringerte Auszahlung des Versicherungsbetrags geringer ist als der mit der Bank vereinbarte Tilgungsbetrag – deshalb müsse der Kreditnehmer die Differenz zahlen.

„Aber die Banken drängen ihre Kunden nur selten zum Abschluss neuer Versicherungsverträge“, sagt Tillich. Einige gäben sich mit der Übertragung zusätzlicher Sicherheiten zufrieden. Dazu zählten bestehende Bausparverträge, Aktiendepots oder auch die Übernahme von Bürgschaften durch Verwandte.

Beim Marktführer Allianz–Leben heißt es: „Wenn die Laufzeiten der Verträge noch lang sind oder die Lücke gering ist, besteht kein Handlungsbedarf“, sagt Claudia Mohr-Calliet. Der Grund: Sobald sich die Wirtschaftslage ändere, bestehe wieder Aussicht auf höhere Gewinnbeteiligungen. Nachbesserungen würden nur bei großen Lücken und zugleich kurzen Restlaufzeiten verlangt. Zu den angebotenen Lösungen zählten eine zusätzliche zweiprozentige Tilgung sowie die Verlängerung der Laufzeit des Darlehens.

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