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Immobilien: Design von der Stange zu Preisen für Maßgeschneidertes

Discounter "allkauf" ließ Architektenstars Fertighäuser gestalten / üppige PreiseVON SIGYN THÖNIGS Designerware von der Stange - das ist an sich nichts Neues.Ob Abendkleid oder Kaffeetasse - dank der Massenproduktion ist edles Design heute nicht nur der Hautevolee vorbehalten, sondern für jedermann erschwinglich.

Discounter "allkauf" ließ Architektenstars Fertighäuser gestalten / üppige PreiseVON SIGYN THÖNIGS Designerware von der Stange - das ist an sich nichts Neues.Ob Abendkleid oder Kaffeetasse - dank der Massenproduktion ist edles Design heute nicht nur der Hautevolee vorbehalten, sondern für jedermann erschwinglich.Neu ist jedoch die Idee, dieses Konzept auch auf die Architektur zu übertragen.Profitieren soll sogar der ganz gewöhnliche private Bauherr.Das Designer-Haus von der Stange hat aber seinen Preis. Montag in Hamburg, Dienstag in Berlin, das Mönchengladbacher Unternehmen "allkauf" - seit mehr als zehn Jahren spezialisiert auf den Verkauf von Fertighäusern - tourt derzeit durch die Design-Galerien der Republik.Geworben wird für ein ganz neues Massenprodukt: "Newstandard" heißt es.Mit den Worten von Ex-Sony-Manager und "Newstandard"-Geschäftsführer Klaus Zimmermann: "Wir bieten Top-Architektur zu bezahlbaren Preisen." Das neue "allkauf"-Programm - weltweit soll es bisher einmalig sein - offeriert Einfamilienhäuser wie bisher im bewährten standardisierten Baukastensystem an.Entworfen wurden die Normprodukte allerdings von renommierten Spitzenarchitekten.An den Entwürfen der aktuellen Serie, die bereits zum Verkauf steht, sind vor allem deutsche Architekten beteiligt.Die Berliner Büros Max Dudler sowie Kollhoff & Timmermann gehören ebenso dazu wie Hilmer & Sattler aus München und das Büro Ingenhoven, Overdiek, Kahlen & Partner aus Düsseldorf.Mit dem Baseler Roger Diener ist darüber hinaus ein Schweizer Architekt an dieser ersten Phase des "Newstandard"-Projekts beteiligt. In der zweiten Phase wird es International.Insgesamt wurden bisher 15 Architekten für das Projekt gewonnen.Dazu gehören bekannte Namen wie David Chipperfield, Richard Meier, Aldo Rossi, Studio de Lucchi, Norman Foster und Francis Soler.Das Prinzip: Alle Architekten arbeiten ohne Honorar und sind auf Royalty-Basis am Umsatz beteiligt - das "Volk" gibt also per Kauf sein Urteil über die Stararchitekten ab. Im Herbst beginnt die nächste Phase des Projekts, in der neben den Entwürfen italienischer Architekten das "Newstandard"-Haus von Norman Foster präsentiert werden soll.Nach Meinung Zimmermanns habe vor allem der "Multiplikator-Effekt" des Projekts Spitzenarchitekten bewogen, am Fertighaus-Programm teilzunehmen.Ein guter Entwurf erlange über "Newstandard" eben eine weite Verbreitung.Der Käufer hingegen erhalte "hochwertige Architektur" zum kleinen Preis.Selbstverständlich - das läßt Zimmermann dezent unter den Tisch fallen - profitiert auch die Firma "allkauf" von dem Deal.Sie poliert ihr Discounter-Image auf und kassiert natürlich. Die Realisierung des Projekts verlief nicht ohne Spannungen.Zimmermann: "Anspruchsvolle Architektur und Fertigbau sind eigentlich Antipoden." Kreativität in Standardmuster umzusetzen, sei deshalb keine leichte Aufgabe gewesen.Sein Resümee: "Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren sowohl für uns als auch für die Architekten ein einziger Lernprozeß, der nicht ohne Kompromisse auskam." Aus Angst vor einer "Banalisierung" ihrer Arbeit hätten Architekten vereinzelt auch eine Teilnahme an dem Projekt abgelehnt, so Projektleiter Georg Krawietz. Dabei lasse das Konzept der "innovativen Standardisierung" den Architekten viel Raum, ihre Kreativität auszuleben.Und so weisen denn auch alle fünf vorgestellten Häuser die Handschrift der Architekten auf.Der "Newstandard"-Entwurf von Max Dudler ist gekennzeichnet durch die für ihn typische, schlichte Sachlichkeit streng geometrisch angelegter Fensterreihen - Computerarithmetik, sagen böse Zungen.Auch die "Villa Italiana" von Hilmer & Sattler kommt kubisch und schlicht daher - dasselbe PC-Programm war im Spiel, wird gelästert.Dennoch soll dieser Entwurf mediterranes Flair vermitteln."TWOgether" vom Büro Diener & Diener verbindet zwei aneinandergefügte Kuben als Wohn- und Atelierraum miteinander und will so Leben und Arbeiten im selben Haus ermöglichen.Christoph Ingenhovens "Sunny" - er entwarf es ursprünglich für den eigenen Bedarf, verlautbart der Hersteller - ist gekennzeichnet durch offene Strukturen, Licht und natürliche Materialien. Hans Kollhoff schließlich will mit "New Tradition" die Qualität des englischen Landhauses für das Fertighaus-Programm neu erschlossen haben.Die Bilanz von Projektleiter Krawietz: "Jeder Architekt konnten in dieser ersten Phase des Projekts sein Traumhaus bauen." Mit seinen Designer-Häusern hofft die Handelskette "allkauf" - sie erwartet 1997 einen Umsatz von acht Mrd.DM und zählt zu den größten Handels-Unternehmen in Deutschland - eine Marktlücke zu erschließen.Zielgruppe des "Newstandard"-Programms sind mittelständische Käufer, die sich bisher für Fertigbauhäuser nicht gerade begeistern konnten.Kunden mit "hohen ästhetischen und architektonischen Wünschen" sowie einer "individuellen Vorstellung von Leben und Wohnen", so der Prospekt. "Wir gehen davon aus, daß das Bewußtsein für Design in der Alltagskultur gewachsen ist", sagt Krawietz, "deshalb ist unser Ansatz, gehobene Ästhetik einer breiten Schicht zugänglich zu machen." Wer allerdings nachrechnet, stellt schnell fest, daß die standardisierte Spitzenarchitektur von "allkauf" alles andere als leicht erschwinglich ist.Der Trick: Nur der Rohbau ist mit Preisen zwischen 355 000 DM und 465 000 DM einigermaßen bezahlbar.Die Ausstattung - Böden, Bad, Küche - wird dem Kunde extra berechnet.Natürlich kommen außerdem die Grundstückskosten dazu, die Erschließung, versteht sich, ja sogar das Fundament kommt extra.Kurzum, das Doppelte vom Listenpreis ist schnell erreicht.So bleibt das "Newstandard"-Programm also Zeitgenossen vorbehalten, die Design von der Stange zum Preis von Maßgeschneidertem haben wollen.

SIGYN THÖNIGS

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