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© Kitty Kleist-Heinrich

Deutsche Wohnen AG: Lasst das mal die Profis machen

Die Deutsche Wohnen AG will mehr kommunale Wohnungen privatisieren – und erntet Widerspruch.

Eines kann man Michael Zahn, dem Vorstandsvorsitzenden des Wohnungsunternehmens Deutsche Wohnen AG, gewiss nicht vorwerfen: dass er sich widerspruchslos dem Zeitgeist unterwirft. Während unter dem Eindruck der Finanzkrise allenthalben die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen infrage gestellt wird, fordert Zahn den Verkauf weiterer kommunaler Wohnungen. „Die Wohnungsbranche braucht mehr Privatisierung“, sagte er unlängst auf einer von seinem Unternehmen organisierten Fachtagung in Berlin. „Die Kommunen sollten nicht Unternehmer sein. Denn für die Wohnungswirtschaft sind private Strukturen besser.“

Mit dieser Forderung zielt Zahn vor allem auf Berlin, wo er nach eigenen Worten gerne Wohnungsbestände erwerben würde. Bereits heute befinden sich 26 500 der insgesamt 50 500 Wohnungen der Deutsche Wohnen AG in Berlin. Dabei handelt es sich in erster Linie um die ehemaligen Gehag-Wohnungen: 2007 übernahm die börsennotierte Deutsche Wohnen die Gehag, die Ende der 90er Jahre als erste landeseigene Berliner Wohnungsbaugesellschaft privatisiert worden war.

„Die Zukunft kann nicht im kleinteiligen, kommunal geprägten Politunternehmertum liegen“, sagt Zahn. Die Wohnungswirtschaft – er bezeichnet sie als Wohnungsindustrie – brauche eine verstärkte Professionalisierung und eine höhere Effizienz. Um die Branche zukunftsfähig zu halten, müsse deshalb der Wohnungsmarkt wieder für ausländisches Kapital geöffnet werden. Dass kommunales Eigentum von Wohnungen nicht die beste Lösung sei, beweist für Zahn unter anderem das Beispiel der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), die vor einigen Jahren durch Missmanagement in ihrer Existenz bedroht war.

Mit seinem Vorschlag stößt der Vorstandsvorsitzende indes auf starken Widerspruch. „Die städtischen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einen gehörigen Schritt in Richtung Professionalisierung getan“, sagt etwa Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der landeseigenen Gesobau. „Für die Gesobau wie für die anderen fünf städtischen Wohnungsunternehmen in Berlin gilt: Wir alle haben seit mehreren Jahren sehr positive Ergebnisse erzielt.“ Die Gesobau zum Beispiel verzeichnete 2008 einen Gewinn von vier Millionen Euro.

Franzen sieht grundsätzliche Unterschiede zwischen kommunalen und privaten Wohnungsunternehmen. Die kommunalen Gesellschaften „entwickeln ihre Bestände nachhaltig und investieren in deren energetische Optimierung“, sagt er. Das täten ansonsten nur noch die Genossenschaften. „Für die Privaten mit ihrer Kurzfristperspektive rentieren sich solche Investitionen nicht.“

Ähnlich sieht das Edgar Mathe, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Augsburg (WBG) und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Wohnungsunternehmen im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Private Firmen zögen sich oft aus den gemeinsamen Anstrengungen für die Quartiersentwicklung zurück, meint er. In Augsburg jedenfalls gebe es keine gemeinsamen Sozialprojekte, etwa im Kinder- oder Seniorenbereich, mehr, seit Nachbarbestände der WBG an die Deutsche Annington und die Gagfah verkauft worden seien. Dabei seien gerade soziale Aspekte enorm wichtig, ergänzt Jörg Franzen: „Werden die Quartiere vernachlässigt, lassen sich die Wohnungen schlechter vermieten. Dies mindert wiederum den wirtschaftlichen Erfolg der Wohnungsunternehmen.“

Nach Ansicht von Deutsche-Wohnen- Chef Zahn sind „alle mit Privatisierungen verbundenen Befürchtungen bisher nicht eingetreten“. Franzen dagegen beobachtet seit dem Erwerb von Wohnungsunternehmen durch Finanzinvestoren, „dass deren Investitionen in Instandhaltung und Sanierung viel zu gering ausfallen“. Edgar Mathe kritisiert darüber hinaus das – von Zahn ausdrücklich als Mittel der Effizienzsteigerung gelobte – Outsourcing von Dienstleistungen: Es sei wichtig, dass ein Hausmeister ständig in den Wohnanlagen präsent sei und man Kundenanfragen nicht von einem anonymen, weit entfernten Callcenter bearbeiten ließe.

Negative Auswirkungen der Privatisierungen der vergangenen Jahre beklagt auch der Berliner Mieterverein. Schon 2006 legte er ein „Schwarzbuch Privatisierung“ vor, in dem er zahlreiche Nachteile für Mieter auflistete. An dieser Einschätzung hat sich laut Hartmut Vetter, Hauptgeschäftsführer des Mietervereins, bis heute nichts geändert: Dort, wo es der Markt zulasse, reizten die Eigentümer den maximalen Mieterhöhungsspielraum aus. Wo die Nachfrage dies nicht erlaube, reduzierten sie die Instandhaltungsausgaben.

Dass die Mieten angehoben werden, weist auch Michael Zahn nicht von der Hand. Im ersten Halbjahr 2009 erhöhte die Deutsche Wohnen die Durchschnittsmiete um 1,2 Prozent auf 5,15 Euro pro Quadratmeter. Dies werde von den Kunden aber akzeptiert, so Zahn, da sie erkannten, dass gleichzeitig die Qualität der Wohnungen und der Dienstleistungen steige. Tatsächlich sank der Leerstand im Bestand der Deutsche Wohnen im ersten Halbjahr von 5,9 auf 5,3 Prozent.

Trotzdem dürfte Zahn mit seiner Forderung nach Privatisierung in Berlin zumindest in dieser Legislaturperiode keinen Erfolg haben: Der rot-rote Koalitionsvertrag schließt den Verkauf großer Wohnungspakete an Finanzinvestoren nämlich kategorisch aus.

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