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Immobilien: Die Genossen aus Prenzlauer Berg

Zwei Dutzend Gewerbetreibende haben eine Genossenschaft gegründet und ihre Produktionsstätte erworben. „Neue Genossenschaften“ wie diese gibt es auch als Bündnisse von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern

Eine Chance hatten sie eigentlich nicht, die Handwerker aus dem Gewerbehof an der Schönhauser Allee. Denn das Land Berlin hatte ihren Firmensitz an den Liegenschaftsfonds zum Verkauf übertragen. Das Fabrikareal an der Kiezmeile ist ein attraktives Objekt für Investoren. Deren Pläne sind überall ähnlich: Entmietung, Entkernung, Sanierung – dann neue Lofts hinter glänzenden Fassaden einrichten, die für teures Geld auf den Markt kommen. Dabei stehen in ähnlichen Projekten, der nahe gelegenen Kulturbrauerei oder der Backfabrik, Räume seit längerer Zeit leer. Vielleicht kam es deshalb anders, als die Genossen fürchteten.

Sie konnten bleiben und die Immobilie für rund eine Million Euro übernehmen. Ihr Konzept hatte den Fonds überzeugt: Die 25 Gewerbetreibenden bringen Bares dafür ein, dass sie nahezu unkündbar in den historischen Hallen auf lange Sicht bleiben können. Miete zahlen sie zwar außerdem noch. Doch diese Beträge sind so gering, dass der Griff in die Kassen der Autoschrauber, der Werbekartenhersteller, der Drucker und Künstler sowie der City-Bike-Hersteller nicht an die Substanz der Firmen geht. Dies ist ein Beispiel dafür, wie „neue Genossenschaften“ die alte Idee der Solidarität kleinerer Marktteilnehmer wiederbeleben.

„Achtzig Prozent der Flächen sind vermietet“, sagt Stefan Klinkenberg. Dabei sei erst ein knappes Drittel der 10000 Quadratmeter im „Gewerbehof in der alten Königsstadt“ vermietet. Das gehört zum Konzept: Bauen bei laufendem Betrieb, denn das ist billiger, und die Mieteinnahmen fließen auch während dieser Arbeiten. Sicher, eine durchgreifende Sanierung sei so nicht möglich. Doch das sei auch nicht das Ziel: „Wir machen die Sanierung Stück für Stück“, sagt der Architekt und Genosse. Nur so könne man die Arbeiten finanzieren.

Zwar hat die Genossenschaft mit der Berliner Volksbank, die selbst ein genossenschaftliches Kreditinstitut ist, einen starken Finanzierer gefunden. Doch das Geldhaus geht auch nur verhalten ins Risiko: Die Genossen müssen 30 Prozent des Geldes selbst aufbringen, den Rest gibt es dann als Kredit von der Bank. Da die Firmen in der Genossenschaft aber nur die Hälfte des erforderlichen Eigenkapitals aufbringen können, muss noch zusätzliches privates Geld eingesammelt werden. Das ist keine leichte Übung, und es dauert – obwohl die Gläubiger sechs Prozent Zinsen im Jahr erhalten.

Bisher geht das Vorhaben einer häppchenweisen Sanierung des Areals auf. Dabei können Denkmalschutz, Bauaufsicht und Volksbank nicht wie bei den sonst üblichen „Kahlschlagsanierungen“ am Ende jedes Bauabschnittes glatt geputzte Fassaden als Quittung der Investitionen besichtigen. Doch dieser alternative Weg hat auch den Vorzug, dass im Haus keine unnötige Ausstattung eingebaut wird, die sich in höheren Mieten niederschlägt. So wird beispielsweise ein Lastenaufzug nur zur Erschließung von solchen Räumen eingerichtet, die für Firmen mit entsprechendem Bedarf auch nutzbar sind. Und die witterungsfeste Klinkerfassade wird nicht rundumerneuert, sondern nur da geflickt, wo es erforderlich ist. „Die Immobilie weiterbauen“ nennt es der Architekt.

Der Geschäftsführer vom Institut für Genossenschaftswesen an der Universität Münster, Eric Meyer, nennt dies ein Beispiel für die „neuen Genossenschaften“. Diese nutzten die alte Rechtsform, weil sie für die Umsetzung ihrer Geschäftsideen am besten passe. Der ursprüngliche, „sozial-sozialistische“ Grundgedanke spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Bestes Beispiel: Die „G7“, ein virtueller Verbund echter Kapitalisten, Wirtschafts- und Unternehmensberater. Diese teilen sich zwar kein Büro, dafür aber Kunden: Jeder hat sein Fachgebiet und innerhalb der Gruppe leitet man neue Kunden an den Spezialisten für das spezifische Problem weiter.

Während Genossen selten Gewerbeimmobilien für ihre Firmen erwerben, sind solche Gesellschafsformen im Wohnungsbereich an der Tagesordnung. Nach Angaben von Hartmann Vetter, Chef des Berliner Mietervereins, gilt für die Nutzer von Genossenschaftswohnungen das übliche Mietrecht. In der Regel sei die Vermietung einer Wohnung an den Beitritt zur Genossenschaft gebunden und damit an den Erwerb von Anteilen. Die Genossen erwerben damit aber nicht unbedingt ein Mitspracherecht, zum Beispiel wenn es um die Sanierung des Hauses geht. Dies würden viele Satzungen ausschließen.

Und die Satzung sollte Vetter zufolge vor dem Beitritt zur Genossenschaft genaustens gelesen und geprüft werden. Denn in manchen Fällen würden die Genossen nicht nur mit ihren Einlagen gegenüber Gläubigern haften, sondern darüber hinaus. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit könne ein Insolvenzverwalter die Genossen dann zur Kasse bitten.

Insolvenzen von Genossenschaften gibt es auch in Berlin. So erklärte die Wohnungsgenossenschaft Mendelssohn-Viertel im Januar 2004 beim Amtsgericht Charlottenburg Zahlungsunfähigkeit. Obwohl die Genossenschaft mit Sitz in Prenzlauer Berg sogar Wohnungen am begehrten Wasserturmplatz im Bestand hatte, konnte sie Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 1,8 Millionen Euro nicht mehr bedienen. Auf den insgesamt 1100 Wohnungen der Genossenschaft lasteten Schulden in Höhe von rund 40 Millionen Euro.

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