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Immobilien: "Die mittelständische Bauwirtschaft ist gefährdet"

Auch die Bauverwaltung hat es nicht immer leicht.Als großer Auftraggeber bei Schulen und Verwaltungsbauten sowie im Straßenbau will sie Bauleistungen möglichst billig einkaufen.

Auch die Bauverwaltung hat es nicht immer leicht.Als großer Auftraggeber bei Schulen und Verwaltungsbauten sowie im Straßenbau will sie Bauleistungen möglichst billig einkaufen.Andererseits möchte sie die regionalen Unternehmen im Wettbewerb mit Billiganbietern aus der Europäischen Union und Brandenburg unterstützen.Ob dies eine Quadratur des Kreises bedeutet, dazu stellte sich Professor Peter Oettel, Leiter des Referates bauliche Grundsatzangelegenheiten und zuständig für das Öffentliche Vergabewesen den Fragen von Ralf Schönball.

TAGESSPIEGEL: Zwischen Brandenburg und Berlin gibt es immer wieder Differenzen.Der Nachbar beschwert sich darüber, daß Berlin die Unternehmen innerhalb der Stadtgrenzen bevorzugt.Was sagen Sie dazu?

OETTEL: Der Senat hat für das Jahr 1999 beschlossen, daß Bauleistungen bis zu einem Wert von 450 000 DM beschränkt ausgeschrieben werden dürfen, ohne daß dies besonders zu begründen wäre.Bei dieser Ausnahmeregelung ist die Ausschreibung jedoch nicht auf Berliner Firmen beschränkt.Im Gegenteil, gemäß Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) darf der Wettbewerb nicht auf Bewerber beschränkt bleiben, die in bestimmten Regionen ansässig sind.Die Kehrseite ist, daß der Baumarkt in Berlin und Brandenburg inzwischen eine Arbeitslosenquote von mehr als 25 Prozent zu beklagen hat.Außerdem sind die Auftragsbestände im Vergleich zum Vorjahr abermals gesunken.Der Bestand insbesondre der mittelständischen Bauwirtschaft ist inzwischen ernsthaft gefährdet.

TAGESSPIEGEL: Und in der Praxis halten sich die Bezirke und der Senat an diese Richtlinien?

OETTEL: Es handelt sich hier nur um eine sogenannte Kann-Bestimmung.So erhielten wir von einigen Bezirken die Meldung, daß sie von dieser Ausnahmeregelung keinen Gebrauch machen, sondern zum Teil bereits ab Auftragswerten von 100 000 DM Bauleistungen öffentlich ausschreiben.Die Bezirksverwaltungen versprechen sich davon eine verbesserte Wettbewerbssituation und noch wirtschaftlichere Angebote.Dabei ist jedoch zu beachten, daß alle Bieter sich mit der Abgabe des Angebotes verpflichten müssen, mindestens die Berliner Tariflöhne an ihre Arbeitnehmer zu zahlen.Dies ist eine Vorgabe des Landes Berlin.Andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen eingeführt.Die Tarife in Brandenburg liegen um mehr als 20 Prozent unter den Berliner Sätzen.Gäbe es diese Regelung nicht, wären Berliner Betriebe kaum noch konkurrenzfähig, und die Zahl der Konkurse stiege noch mehr.Allerdings greifen diese Maßnahmen des Senats nur bei öffentlichen Bauvorhaben, und sie haben im Hochbau nur einen Anteil von etwa 15 Prozent am Baugeschehen der Stadt.

TAGESSPIEGEL: Das ist ganz anders im Tiefbau und insbesondre im Bereich des Straßenbaus.Dort, so heißt es, bestehe auch die Gefahr von Kartellen...

OETTEL: Das ist bei den Straßenbaumaßnahmen Berlins nicht der Fall, da ab einem Auftragswert von 450 000 DM die Maßnahmen öffentlich auszuschreiben sind.Oberhalb des Schwellenwertes der Europäischen Gemeinschaft in Höhe von 5 Mill.Euro müssen alle Maßnahmen sogar europaweit ausgeschrieben werden.Da das Bundeskartellamt der Auffassung ist, daß das Land Berlin im Straßenbau wenn nicht marktbeherrschend, so doch marktstark ist, hat es die Anwendung der Tariftreue-Erklärung in diesem Bereich untersagt.Eine endgültige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu diesem Problem steht noch aus.Sowohl die Bauverwaltung als auch die ausführenden Unternehmen verstehen jedoch die Argumentation des Kartellamtes nicht.

TAGESSPIEGEL: Was hat dieses Verbot für Folgen?

OETTEL: Daß insbesondre Berliner Straßenbauunternehmen, die ihren Arbeitnehmern die hohen Löhne zahlen müssen, gegen Anbieter aus anderen Regionen und Ländern mit einem niedrigeren Lohnniveau mit ihren Angeboten keine Chance haben.Außerdem können sie so schnell auf keinen anderen Markt ausweichen.Die Situation ist dadurch noch verschärft, daß aufgrund des Zwanges der Haushaltskonsolidierung sowohl die investiven als auch die konsumptiven Ausgaben im Straßenbau zurückgefahren wurden.Im Klartext: Es werden weniger Straßen gebaut und weniger erneuert, und dadurch gibt es weniger Aufträge für die Firmen.

TAGESSPIEGEL: Das klingt, als stärke der Bausenat den Berliner Unternehmen nicht mehr den Rücken.Gibt es keine Möglichkeit der Förderung regionaler Firmen, ohne gleich einen Konflikt mit Kartellamt oder Europäischer Gemeinschaft zu heraufzubeschwören?

OETTEL: Gemäß den Vorschriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen sind alle Bewerber und Bieter gleich zu behandeln.Somit ist eine direkte Förderung von Bauunternehmen aus der Region ausgeschlossen.Allerdings hat der Senat in den letzten Jahren im Bereich des öffentlichen Bauens alle Anstrengungen unternommen, um der Bauwirtschaft indirekt zu helfen.Dazu gehört die kleinteilige Vergabe von Aufträgen in Fach- und Teillosen.Dazu gehört auch das Verbot von Vergabe von Bauleistungen an Generalunternehmen.Dazu gehört schließlich die Tariftreue-Erklärung und eine sehr restriktive Handhabung bei der Genehmigung von Nachunternehmen.Das Bauunternehmen muß im Falle der Auftragserteilung alle Bauleistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet ist, im eigenen Betrieb auch ausführen.Ferner muß der Bieter schon mit dem Angebot mitteilen, welche Nachunternehmer er für Leistungen, die er nicht selbst erbringen kann, einsetzen will.Die Bauverwaltung kontrolliert sowohl die Einhaltung der tariflichen Löhne als auch den Einsatz von Nachunternehmern und sanktioniert Verstöße durch zeitlich befristeten Ausschluß von weiteren Vergaben.

TAGESSPIEGEL: Auch diese Vergabe in kleinen Losen traf auf Widerstände.Viele warfen dem Senat vor, damit die Baukosten zu erhöhen und so das Haushaltsloch weiter einzureißen...

OETTEL: Die Senatsbauverwaltung gab dazu 1995 ein Gutachten in Auftrag.Daraus ging eindeutig hervor, daß eine Vergabe an Generalunternehmer gegenüber einer Vergabe in Fachlosen eine Erhöhung der Preise um rund acht Prozent hervorruft.Zu einem ähnlichen Ergebnis an konkreten Objekten kam vor zwei Jahren das bayerische Innenministerium, zu dem auch das Bauressort gehört.Die Behörde schrieb zwei identische Bauten nach den zwei verschiedenen Methoden aus und stellte ebenfalls einen Preisunterschied von etwa zehn Prozent fest.Neben diesem Preisvorteil fachlosweiser Vergabe ist ferner zu beachten: Die Vergabe an Generalunternehmer ist mittelstandsfeindlich, weil große Baukonzerne die Baupreise ihrer Nachunternehmer drücken und nur noch deren Arbeitskräfte ausnutzen.Dadurch droht das technische Know-How der Mittelständler zu verkümmern, und sie werden zur Unselbständigkeit verurteilt, zu Lieferanten unqualifizierter Arbeitskräfte zurückgestuft.

TAGESSPIEGEL: Ein Zyniker würde entgegnen, wozu Mittelstand, wenn die Konzerne billiger und schneller arbeiten?

OETTEL: Zum einen ist der deutsche Mittelstand ein wichtiges Preiskorrektiv, um ein Oligopol von wenigen Großkonzernen zu verhindern.Zum anderen zeichnet sich der Mittelstand durch sehr gute Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit aus.Außerdem ist ihre vermeintliche Schwäche oft genug eine Stärke.Sie liefern häufig in Form von Nebenangeboten zu ihren Angeboten auch noch Alternativen, die andere, oft originellere Lösungen als die in der Ausschreibung vorgesehenen bieten.Diese Innovationskraft führt immer wieder zu Produktivitätsschüben sowie besonders guten wirtschaftlichen und technischen Lösungen.

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