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"Früher war das eher ein Viertel für Rentner", sagt die Künstlerin und Kunstpädagogin Christine Klemke.

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Die neuen Weißenseer: „Ruhig, grün und sicher“

Christine Klemke sieht Weißensee im Wandel. Und doch ist sie zuversichtlich: "Die Zugezogenen werden die Berliner Art annehmen".

Christine Klemke ist die Tochter des Buchillustrators Werner Klemke (1917–1994), dessen Werke (zum Beispiel „Die Schwalbenchristine“ und „Hirsch Heinrich“) in der DDR jedes Kind kannte. Sie lebt in Weißensee, ist Künstlerin, gibt Malkurse und hat ein Atelier in dem Haus in der Tassostraße, in dem schon ihre Eltern wohnten.

Frau Klemke, schon Ihre Großeltern und Eltern haben in Weißensee gelebt, und Sie selbst haben fast Ihr ganzes Leben in Weißensee verbracht. Was gefällt Ihnen so gut an diesem Stadtteil?
In Weißensee ist es ruhig, grün und sicher, und an den Schulen sind die ausländischen Kinder gut integriert. Überhaupt gibt es hier eine nachbarschaftliche Art des Umgangs miteinander. Es ist wirklich eine Idylle hier.

Diese Idylle zieht in jüngster Zeit viele Neu-Weißenseer an. Welche Veränderungen nehmen Sie wahr?
Es werden viele Wohnungen gebaut, und zwar nur für reiche Leute. Fast in jeder Baulücke entstehen Eigentumswohnungen. Die sind nichts für die Leute, die hier schon lange wohnen, weil diese sich eine solche Wohnung nicht leisten können. Auch die Mieten steigen, so dass sich viele, vor allem Alleinlebende, fragen, ob sie ihre Wohnung noch bezahlen können.

Und was tun diejenigen, die sie sich nicht mehr leisten können?
Die ziehen weg. Ich kenne Leute, die nach Neukölln gezogen sind. Ein ausländisches Kind, das jetzt dort wohnt und die Rütli-Schule besucht, hat mir gesagt: In Neukölln gibt es zu viele Ausländer.

Wer zieht nach Weißensee?
Ich habe den Eindruck, dass viele ursprünglich nicht aus Berlin kommen. Aber Berlin hat ja immer Einwanderer angezogen. Mein Großvater mütterlicherseits zum Beispiel kam aus Kaschubien. Und die katholische Kirche hier um die Ecke wurde Ende des 19. Jahrhunderts für die polnischen Schnitter gebaut. Ich denke, dass die Zugezogenen die Berliner Art annehmen werden. Sonst würden sie ihre Kinder nicht zu mir in die Kunstkurse schicken. Ich berlinere nämlich gern und mag die direkte Berliner Art.

Können Sie ein Beispiel geben?
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Malunterricht. Wir malen in meinem Atelier einen großen Strauß Sonnenblumen. Auf dem Papier erscheinen unförmige, gelbscheckige Flecken. Die hochdeutsche, sozial verträgliche Rückmeldung über den Erfolg des Malversuchs würde lauten: „Das ist ja eine ungewöhnlich akzentuierte, sehr eigene Interpretation der Sonnenblumen.“ Der Berliner sagt: „Jetzt machen Se ma langsam aus Ihren komischen Eierkuchen n vanünftijen Blumenstrauß!“

Hat die neue Bevölkerungszusammensetzung auch Vorteile?
Die neuen Bewohner von Weißensee legen großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder. Davon profitiere ich selber mit meinen Malkursen. Und mir gefällt gut, dass es wieder so viele Kinder gibt, nachdem es früher eher ein Rentnerviertel war.

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