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Immobilien: Die Null muss hinten stehen

Immer mehr Wohnhäuser verbrauchen wenig oder auch gar keine Energie, um Räume zu heizen. Bei Gewerbeimmobilien kam Umwelttechnik

Von Ralf Köpke

Helmut Jäger ist kein ausgewiesener Fußball-Fan. Zu oft musste sich der Geschäftsführer der Braunschweiger Solvis Energiesysteme GmbH über das schwachen Gekicke der heimischen Eintracht ärgern. Einen Spruch, den der heutige Herta-Trainer Huub Stevens einst formulierte, hat Jäger aber verinnerlicht: „Die Null muss hinten stehen.“

Warum, so fragte sich der Solarunternehmer immer wieder, kann ich meine Solarkollektoren und Heizkessel nicht in einem Gebäude produzieren, dass im Saldo so gut wie keine Energie verbraucht und damit auch null Emissionen freisetzt. Dass diese Ziel erreichbar ist, hatten bereits Bauherren bewiesen, indem sie Hunderte von Passiv- oder Plusenergiehäuser im privaten Wohnungsbau (siehe Kasten) errichteten.

Diesem Beispiel wollte Jäger folgen, und so baute er für rund acht Millionen Euro eine „Nullemissionsfabrik“. Mit 8000 Quadratmetern Bruttogrundfläche ist es bundesweit die Größte ihrer Art. Seit Ende Mai ist dort auch die Produktion angelaufen. Die nsgebung bei der neuen Fertigungsstätte ist eher eine Spielerei, da der Begriff weder geschützt noch definiert ist. Wichtig ist aber, dass rein rechnerisch kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) bei der Herstellung frei gesetzt wird – „und so eine Bezeichnung hört sich natürlich gut an“, weiß Hans-Georg Bertram von der Abteilung Biologie, Energie, Umwelt, BEO, im Forschungszentrum Jülich.

Millionen vom Bund

Die BEO ist der Projektträger eines Förderprogramms, das vom Bundeswirtschaftsministerium bereits 1995 ins Leben gerufen wurde. Es verfolgt das Ziel, Energieeinsparungen auch im so genannten Nichtwohnungsbau zu etablieren – vor allem durch die Nutzung der Sonne. Das auf zehn Jahre festgesetzte Förderprogramm erhielt den Namen „Solar optimiertes Bauen“, kurz SolarBau ( www.solarbau.de ). Im Teilkonzept 3 dieses Programms werden ausschließlich um große Gebäude gefördert, die nicht dem Wohnen dienen.

Bis heute hat das Ministerium mehr als 40 Millionen Euro für 18 Projekte ausgegeben, gut fünf Millionen pro Jahr. Vor allem Büros und Schulen haben bislang davon profitiert. Und außerdem drei Unternehmen: Die Firma Hübner Gummi und Kunststoffe GmbH mit Sitz in Kassel ist 1998 in eine Produktionshalle auf Niedrigenergieniveau gezogen. Die SurTec GmbH aus dem südhessischen Zwingenberg stellt seit dem Jahr 2000 ihre Reinigungsartikel in einem Passivgebäude her. Und eben die Solvis GmbH aus Braunschweig, die aus verschiedenen Fördertöpfen insgesamt 2,25 Millionen Euro an Zuschüssen erhielt.

Dass diese drei Unternehmen sich viele Gedanken um die energetisch optimale Versorgung ihrer neuen Gebäude gemacht haben, findet den Beifall von Rainer van Loon. Der Ingenieur ist Fachberater bei der Energieagentur Nordrhein-Westfalen in Wuppertal: Bei Gewerbe-Neubauten legten Unternehmer meist viel Wert auf niedrige Investitionskosten, eine passende Logistik, moderne EDV-Verbindungen und das Design des Gebäudes. „Die Energieversorgung ist dagegen kaum ein Thema“, sagt van Loon.

Dabei ließen sich durch eine energieeffiziente Gebäudehülle, eine fachmännische Bauausführung und die Nutzung innovativer Techniken die Kosten für Strom und Wärme um bis zu 80 Prozent senken.

Diese Größenordnungen will auch Solvis-Mann Jäger mit seinem Neubau erreichen. Die Basis dafür sei in der Planungsphase gelegt worden. „Mit unserem integralen Gebäude- und Technikkonzept setzen wir für Gewerbebauten neue Maßstäbe“, schwärmt denn auch der beauftragte Architekt Dietmar Riecks aus Bochum. Das fängt an mit einer Holzrahmenbauweise. Sie macht es möglich, das Gebäude in 24 Zentimeter dicke Dämmstoffe einzupacken. Das stellt einen optimalen Wärmeschutz sicher.

Die kompakte Bauweise ist die Basis dafür, dass die Temperatur in der Produktionshalle normalerweise nicht unter 17 Grad Celsius fällt – und zwar ohne dass die Heizung anspringen müsste. Da Verwaltungs- und Produktionstrakte miteinander verzahnt sind, fließt die Wärme aus den Büros auch in die Fertigungshallen. Außerdem sorgen stromsparende Geräte im Innern und viel Tageslicht für eine zusätzliche Senkung des Energiebedarfs.

Kraft aus Rapsöl

Für den Solvis-Neubau hat das Architektenbüro Banz&Riecks auch ein ausgefeiltes Kühlsystem entwickelt. Dadurch kann die Firma auf eine herkömmliche Klimaanlage verzichten. Auch bei der Energietechnik geht Solvis neue Wege für ein Gewerbeunternehmen. Für die Strom– und Wärmeversorgung sorgt einerseits ein betriebseigenes Blockheizkraftwerk (BHKW), dessen Motoren mit Rapsöl betrieben werden. Andererseits erzeugen eine Solarstromanlage mit 60 Kilowatt Leistung sowie Solarkollektoren mit einer Gesamtfläche von 200 Quadratmetern zusätzliche Energie.

Wenn alles wie geplant läuft, dann sieht die Bilanz unter dem Strich so aus: Obgleich die neue Fabrik fast viermal so groß ist wie die alte Produktionshalle, konnte der Braunschweiger Modulhersteller seine Energierechnung um über zwei Drittel senken. jährlich sind nun 50000 Mark fällig. Da der Kollektoren-Hersteller aber den selbst erzeugten Solarstrom ins Netz der Stadtwerke einspeist bekommt er dafür rund 48 Cent pro Kilowattstunde vergütet bekommt. Daudrhc wird sich die Energierechnung auf weniger als 10000 Mark belaufen – im Jahr.

Für Solarunternehmer Jäger aus der Welfen-Stadt ist der Einsatz der innovativen Technik nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit, weil er alternative Energietechniken herstellt: „Da die Energiepreise bereits wieder ansteigen, ist das eine Absicherung. Wir werden dadurch auch künftig durch unser niedriges Energiebudget wettbewerbsfähig bleiben.“ Für Jäger ist die Nullemissionsfabrik mehr als ein reiner Imagefaktor - es ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Für Nachahmer hat er einen Tipp: „Das Wichtigste ist die logistische Koordination der Planung von Anfang an.“ Bereits vor den ersten Entwürfen sollten sich Architekten, Statiker, Energie- und Fabrikplaner mit dem Bauherrn zusammensetzen, um die einzelnen Schritte aufeinander abzustimmen.

Dieser integrale Ansatz ist es, auf den auch Helmut Lawitzka besonderen Wert legt. Er ist Regierungsdirektor im Bundeswirtschaftsministerium und verantwortlich für die Koordination des Programms SolarBau. „Die gute Organisation ist das eigentlich Innovative bei uns“, sagt er; und ergänzt: „Richtige Planung kostet kaum mehr, spart später aber viel Geld“ - darin liege der Charme der sparsamen Fabrikgebäude.

Drei weitere Solaranlagen-Hersteller bauen an ihrem neuen, ökologisch einwandfreien Domizil – alle drei ohne finanzielle Unterstützung aus dem Hause Werner Müllers. Zu ihnen zählt die Grammer Solar + Bau GmbH, die im Herbst ihr neues Produktions- und Verwaltungsgebäude in Amberg beziehen will. Die 800 Quadratmeter große Halle für die 21 Mitarbeiter soll dann über Solar-Luftkollektoranlagen, ein Rapsöl-BHKW, Röhrenkollektoren, eine PV-Anlage und einen Erdkanal mit Energie versorgt werden. Die Grammer GmbH produziert seit 1992 Solaranlagen in der Oberpfalz.

„Es tut sich etwas und der Impuls kommt aus der Branche der Ökoenergien“, resümiert Helmut Jäger von der Firma Solvis – und zieht damit eine positive Zwischenbilanz einer jedoch noch nicht ganz zufriedenstellenden Entwicklung.

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