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Von einer Neubebauung ist das Dragoner-Areal in Kreuzberg noch weit entfernt.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Dragoner-Areal in Kreuzberg: Baustadtrat Schmidt bremst beim Wohnungsbau

Der Bezirk setzt auf eine "sensible Weiterentwicklung". Ein konkreter Plan für die Nutzung des fast fünf Hektar großen Areals ist das noch nicht.

Noch begrenzen Mauern und Zäune das so genannte Dragoner-Areal am Mehringdamm in Kreuzberg. Ob das so bleibt, ist eine offene Frage. Eine eindeutige Antwort dazu gab es beim 4. Forum Rathausblock, einer öffentlichen Veranstaltung am vergangenen Dienstag im Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung an der Yorckstraße, noch nicht. Nicht die Zukunft sondern mehr die Vergangenheit des fast fünf Hektar großen Geländes, das vor einem breit angelegten Sanierungsverfahren steht, bewegte die Gemüter.

Eine allgemein gehaltene Empfehlung immerhin gab der vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg beauftragte Landschaftsplaner Eckhard Hasler vom Büro für Stadt, Quartier und Beteiligung (BSQB). In seiner Studie zum baukulturellen Erbe des einstigen Kasernengeländes plädiert er „für einen respektvollen Umgang mit dem Gebiet“. Der historische Stadtgrundriss solle bewahrt werden.

Raum für Tradition

Gemeint ist damit auch die alte Begrenzung des um 1850 errichteten Kasernenstandorts, die das Rathaus-Gelände vom Dragonerareal abtrennt. Hasler: „Wir sind für einen Verzicht auf eine grenzüberschreitende Bebauung.“ Das sehen im Kiez nicht alle so. Anwohner wünschen sich mehr Durchlässigkeit auch vom Rathausgebäude her. Bisher ist das Dragonergelände hauptsächlich über zwei Autoauffahrten zugänglich.

Das heutige Kreuzberger Finanzamt – einst Kaserne des 1. Garde-Dragoner-Regiments – umgibt ein massiver Zaun zum hinteren Teil der Fläche. Der könnte weg, meint Hasler. Dann wäre das Terrain wieder über den Haupteingang vom Finanzamt zu erreichen.

Das alte Militärgelände wandelte sich nach dem ersten Weltkrieg zu einem für Berlin bedeutenden Automobilzentrum. Tankstelle, Fahrzeugvermietung, Waschanlage, Garagen und Reparaturwerkstätten siedelten sich dort an. Diese Tradition wirkt bis heute fort. Taxischule, TÜV-Prüfungen und KFZ-Schrauber befinden sich weiterhin vor Ort.

Angesichts der bisher auf den Autoverkehr fokussierten gewerblichen Nutzungen kam das Gelände zwischen Mehringdamm und Obentrautstraße schon vor einiger Zeit auch als Standort für dringend benötigten Wohnungsneubau auf die Agenda. Genannt wurden zwischen 300 und 500 geförderte Wohnungen. Wobei die Kreuzberger Kiezinitiativen eher weniger als mehr favorisieren.

Erinnern und Lernen

Diese Linie vertritt auch der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt. „Der Bezirk wird auf dem Dragonerareal nicht dem Druck nach schnellem Wohnungsneubau nachgeben“, schrieb er in einem Beitrag für eine aktuelle Broschüre zum Gelände. Für das „Modellprojekt“ gelten aus Kreuzberger Sicht „kommunal und selbstverwaltet“ und „100 Prozent bezahlbare Mieten“ als Maßstäbe. Stadtrat Schmidt erklärt darüber hinaus: „Bei der städtebaulichen Neuordnung setzt der Bezirk auf eine behutsame und sensible Weiterentwicklung auf Grundlage der Geschichte des Areals.“

In der Tat hat die Dragoner-Kaserne im Verlauf der Novemberrevolution 1918/1919 eine Rolle gespielt. Am 11. Januar 1919 wurden im Gefolge der Unruhen nach Kriegsende sieben Aufständische auf dem Gelände von Soldaten erschossen. Holger Gumz von der Nachbarschaftsinitiative Dragopolis wünscht sich deshalb mit anderen Kiezgruppen einen „aktiven Erinnerungs- und Lernort“. Bedauerlicherweise sei der Rückblick auf die Novemberrevolution vor genau 100 Jahren in Berlin stadtweit „unter dem Radar“ geblieben.

Neben der Geschichte wird bei den Kiezinitiativen auch das Verkehrsthema diskutiert. In Verbindung mit dem Sanierungsgebiet Rathausblock gibt es Überlegungen, die Straßenführung an der Kreuzung Mehringdamm, Blücherstraße, Obentrautstraße zu verändern. Bertram Dudschus vom Verein Upstall Kreuzberg kann sich vorstellen, dass am Mehringdamm Fahrstreifen für den Autoverkehr zurückgebaut werden. Die überdimensionierte Kreuzung trenne das Dragoner-Areal vom Mehringplatz am Halleschen Tor. Allerdings staut sich hier schon heute zu den werktäglichen Stoßzeiten regelmäßig der Verkehr.

Kritik am "Übergangsgremium"

Um die Zusammenführung der bisher im Kiez gesammelten Ideen für das Modellprojekt Rathausblock bemüht sich ein im Oktober gebildeter „Gründungsrat“, an dem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), Kiezinitiativen und Gewerbetreibende, wie Pamela Schobeß vom Gretchen-Club an der Obentrautstraße, beteiligt sind.

Das „Übergangsgremium“ will nun eine „Kooperationsvereinbarung“ mit Senat und Bezirksverwaltung aushandeln, wie Alexander Matthes vom Stadtplanungsamt ankündigte. Damit solle ein Rahmen für das weitere Vorgehen geschaffen werden. Bau- und Nutzungsanforderungen sowie ein Gewerbekonzept müssten formuliert werden.

Der Rathausblock wurde im Juli 2016 als Sanierungsgebiet festgelegt. Seit 2017 steuert S.T.E.R.N. – Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung – als Sanierungsbeauftragte das Verfahren. An der Form der bisher gefundenen Bürgerbeteiligung gibt es allerdings auch Kritik. Die Besetzung des „Gründungsrates“ etwa sei „nicht transparent“, bemängelte eine Anwohnerin. Außerdem werde nicht über den Klimaschutz auf dem Gelände gesprochen.

S.T.E.R.N. rief „Aktive im Sanierungsgebiet Rathausblock“ unterdessen dazu auf Projekte für den Rathausblock vorzuschlagen, die aus dem Kiezfonds mit Fördergeldern des Städtebaulichen Denkmalschutzes unterstützt werden könnten (www.berlin.de/rathausblock-fk).

Die noch bei der Europäischen Union anhängigen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Zwischeneigentümer des Dragoner-Areals, Arne Piepgras, fanden beim Forum Rathausblock kaum Beachtung. Alexander Matthes rechnet damit, dass im April 2019 der Lastenwechsel des Grundstücks auf die im Landesauftrag tätige Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) vollzogen sein wird. Bis dahin gelte es nun, die Strukturen für das Sanierungsverfahren weiter auszubauen.

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