zum Hauptinhalt

Immobilien: Ein schöner Anlaß zum Streiten

Karl-Philipp-Moritz-Haus weist Weg zur alltagstauglichen Solararchitektur / Doch Bauherr und Politiker streitenVON CHRISTOF HARDEBUSCH Ökologie und Architektur vertragen sich immer besser, Politik und Wirtschaft dagegen sind sich nicht ganz grün - zumindest was das gemeinsame Planen und Bauen betrifft.Die Geschehnisse im Karl-Philipp-Moritz-Haus in Kreuzberg nähren diesen Verdacht.

Karl-Philipp-Moritz-Haus weist Weg zur alltagstauglichen Solararchitektur / Doch Bauherr und Politiker streitenVON CHRISTOF HARDEBUSCH Ökologie und Architektur vertragen sich immer besser, Politik und Wirtschaft dagegen sind sich nicht ganz grün - zumindest was das gemeinsame Planen und Bauen betrifft.Die Geschehnisse im Karl-Philipp-Moritz-Haus in Kreuzberg nähren diesen Verdacht.Das Gebäude hat zwar eine konventionelle Fassade, darin sind aber Solarstromzellen gleichsam unaufdringlich und funktional integriert.Damit weist das Haus eigentlich den Weg für eine solare Alltagsarchitektur.Zudem war es auch noch für den Investor bezahlbar, da er in den Genuß von reichlich Fördermitteln des Landes Berlin und der Europäischen Union kam.Eigentlich hätten die Beteiligten also allen Grund zu Freude gehabt - und zu Stolz.Eigentlich.Stattdessen aber beharkten sich die Vertreter des Bauherrn GSW, Hans Jörg Duvigneau, und Umweltsenator Peter Strieder (SPD) auf der Einweihungsfeier. Das Gebäude wurde im Ersten Förderweg errichtet und bietet 46 Sozialwohnungen.Außerdem sind 1225 Quadratmeter Gewerbeflächen entstanden, deren größter Teil der Jugendarbeit vorbehalten bleibt.Hierbei wird die berufliche Qualifizierung im Umweltbereich im Mittelpunkt stehen.Passend dazu realisierte die Firma Atlantis ein ökolgisches Energiekonzept für das Gemäuer.Spektakulärstes Element dieses Entwurfes ist die Solarstromanlage.Mit 43 Kilowatt Leistung in der Spitze ist sie die derzeit drittgrößte der Stadt.Sie kombiniert zudem mehrere technische Varianten.Solarmodule sind nicht nur - wie auch andernorts üblich - auf das Dach montiert, sondern auch - eher verspielt - auf den Stummeln der Aufzugschächte im Dachbereich angebracht. Hinzu kommen in die Fassade eingelassene Solarzellen, die gleich mehrere Funktionen erfüllen.Die halbtransparenten Module über den Balkonen im fünften Stock dienen nicht nur der Stromerzeugung, sondern spenden zugleich Schatten.Auch in das Isolierglas der Wintergärten von Wohnungen sind Solarzellen eingesetzt.Hier wird einerseits die Energie der Sonne angezapft, andererseits schützen die Solarmodule die Bewohner vor zu starker Einstrahlung.Auf diese Fenster ist der Planer der Anlage, Dieter Uh, besonders stolz: "Der von den Zellen gelieferte Strom geht direkt ins Netz der Wohnungen und steht dadurch den Mietern kostenlos zur Verfügung." Allzu große Sprünge werden die Mieter mit dieser Energie aber nicht machen können.Mehr als 150 Kilowattstunden pro Jahr dürften sie kaum von der Sonne ernten.Den übrigen Strombedarf zahlen sie nach ganz gewöhnlichen Bewag-Tarifen. Günstiger als üblich sind dagegen Heizung und Warmwasser: 11 Pfennig pro Kilowattstunde.Versorgt wird das ganze Gebäude übrigens von einem hauseigenen Blockheizkraftwerk und bei Spitzenlasten durch das Heizkraftwerk Mitte.Ökologisch ist das vorbildlich: Die private ebenso wie die öffentliche Anlage haben einen hohen Wirkungsgrad, beuten also die Primärenergie bestmöglichst aus und schonen dadurch Umwelt und Geldbeutel gleichermaßen.Ähnliches gilt für das elektronische Energiemanagement, mit dem im Karl-Philipp-Moritz-Haus die Heizung der Gewerbeflächen optimiert wird. Der Solarstrom dagegen ist nach wie vor eine recht kostspielige Angelegenheit."Wir setzen diese Technik nur ein, wenn sie subventioniert wird", verkündet Bauherr Duvigneau.Subventioniert wurde in diesem Fall reichlich.Die 688 000 DM teure Anlage wurde zu 95 Prozent aus Landesmitteln und aus Töpfen der Europäischen Union bezahlt.Der hohe Förderanteil ist durch den Modellcharakter der Anlage begründet.Planer Uh: "Verschiedene Techniken können dank genauer und permanenter Messung miteinander verglichen werden." So hätten eigentlich alle Beteiligte zufrieden sein können.Auf der Eröffnungsveranstaltung waren sie es aber mitnichten.Bauherr Duvigneau kritisierte die Bürokratie: "Kein Wunder, daß wir viele Jahre brauchten, bis die planungsrechtlichen Voraussetzungen geklärt waren." Umweltsenator Strieder hielt dagegen mit dem, was die Berliner Politik im Baubereich seit der Wende erreicht habe.Duvigneau und Strieder streiten schon geraume Zeit um den richtigen Weg zur Solarhauptstadt.Seitdem - auf Druck der Wirtschaft - die "Solaranlagen-Verordnung" zu einer "freiwilligen Selbstverpflichtung" abgeschwächt wurde, könnte eigentlich Frieden einkehren - oder hat etwa eine "Nötigung", die "freiwillige" Selbstverpflichtung erwirkt und Spuren hinterlassen? Feierliche Anlässe, sich zu versöhnen werden Politik und Wirtschaft ausreichend erhalten: In Berlin werden derzeit eine ganze Reihe großer Solarstromanlagen geplant.

CHRISTOF HARDEBUSCH

Zur Startseite