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Eine Piktogramm auf dem Asphalt weist im neuen Hanauer Wohngebiet „Pioneer Park“, das auf dem Gelände einer ehemaligen US-Kaserne entsteht, auf den Stellplatz für eine E-Auto-Ladesäule hin. Das neue Wohngebiet will zeigen, wie sich E-Mobilität in den Alltag integrieren lässt. Die Stadt und ihr Projektpartner sprechen von einem bundesweiten Modellcharakter.

© dpa/Arne Dedert

Elektromobilität: Unter Notstrom

Es gibt viel zu wenige öffentliche Ladepunkte. Ohne privat betriebene Säulen kommen E-Autos nicht in Fahrt. Doch wer zahlt?

Langsam nehmen die Zukunftsquartiere die Elektromobilität Fahrt auf. Im hessischen Hanau entsteht ein Wohnquartier mit bis zu 750 privaten und öffentlichen Ladepunkten. Schön, wenn dergleichen als Neubau geplant werden kann. Die Macher sprechen von der Implementierung eines zweistufigen Ladelast- und Energiemanagementsystems (LLEMS), das durch die Steuerung der Ladelast an unterschiedlichen Punkten im Quartier eine Netzüberlastung verhindern soll. Mit Schrecken blickt man da auf Berlin. In der Stadt brennen immer wieder einmal die Sicherungen durch. Woher sollen eigentlich die Ladesäulen kommen, wenn tatsächlich – wie von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angeregt – Elektro- und Hybridfahrzeuge länger und mit höheren finanziellen Mitteln als bisher gefördert werden sollten?

Schon heute sind die Auftragsbücher der einschlägigen Hersteller solcher Fahrzeuge – begünstigt durch die im Sommer bereits erhöhten Zuschüsse– im E- und Hybridgeschäft gut gefüllt. Im Oktober wurde ein Rekord von 32324 Förderanträgen in Deutschland verzeichnet – drei Mal so viele wie vor einem Jahr. 23158 Elektro-Pkw wurden neu angemeldet, damit besaß jede zwölfte Neuzulassung ausschließlich einen E-Motor. Insgesamt sind die staatlichen Zuschüsse auf Wagen mit Alternativantrieben begrenzt. Reine E-Autos zum Beispiel werden nach dem bisherigen Konzept mit 9000 Euro gefördert – der Bund übernimmt 6000 Euro, die Hersteller den Rest. Ab Mitte November können Käufer Programme von Bund und Ländern gleichzeitig in Anspruch nehmen.

Das auf öffentlichem Straßengrund verankerte Ladenetz dürfte bald zu klein sein, diese Fahrzeuge mit Strom zu versorgen. Deutschland braucht im Jahr 2030 mindestens 440000, vielleicht sogar 843000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektroautos. Das ist das Ergebnis einer Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, die am 19. November veröffentlicht wurde. Die Zahl hänge davon ab, wie viele private Ladepunkte es dann gebe, wie ausgelastet die öffentlichen Ladesäulen seien und wie oft Schnellladepunkte genutzt würden. Heute gibt es laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in Deutschland erst 33 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte.

Im Oktober seien rechnerisch schon 13 Nutzer auf einen Ladepunkt gekommen, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am 9. November bei einer Videokonferenz des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. "Meine große Sorge ist, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht vorankommt", mahnte die VDA-Chefin einmal mehr. Das Verhältnis von Nutzern zu Ladepunkte dürfe nicht über zehn steigen. Diese Quote empfiehlt auch die EU-Kommission, damit es nicht zu langen Wartezeiten an den Stromtankstellen kommt. Für das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte im Land zu haben, müssten ab sofort wöchentlich 2000 in Betrieb gehen - zehn Mal so viele wie zuletzt, erklärte Müller. Es bedürfe gemeinsamer Anstrengungen: "Politik, Energie-, Wohnungswirtschaft und die Autoindustrie müssen hier die Kräfte bündeln und den Aufbau der Ladeinfrastruktur engagiert vorantreiben", ergänzte sie. Derzeit seien 80 Prozent der E-Autos in nur sechs EU-Ländern auf den Straßen. Die EU-Kommission müsse mit den Mitgliedstaaten Aktionspläne zum Aufbau der Ladeinfrastruktur erarbeiten.

Das ist auch dem deutschen Gesetzgeber bewusst, der diese infrastrukturelle Last – einmal mehr – auf die Wohnungs- und Grundstückseigentümer verlagerte.

Nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), das das alte Wohnungseigentumsgesetz (WEGesetz) ändert, haben künftig Wohnungseigentümer und auch Mieter einen Anspruch darauf, in der Tiefgarage oder auf dem Grundstück des Hauses auf eigene Kosten eine Ladesäule für Elektroautos zu installieren. Am 1. Dezember tritt das WEMoG in Kraft. Zeit für einen Überblick:

Mit welchen Kosten ist für die Installation einer Ladesäule zu rechnen?

Die Kosten belaufen sich auf ca. 3000 bis 4000 Euro pro Ladesäule, sagt Per Pöhl, einer der drei Geschäftsführer von NWG Power (Hamburg). Das Unternehmen bietet eine Komplettlösung aus einer Hand, inklusive Einbau, Betrieb und Abrechnung. Der Preis sei – so Pöhl – stark abhängig von der jeweiligen Unterverteilung, die in der Liegenschaft vorzufinden ist. Dabei spielt auch häufig das Alter der Stromunterverteilung eine große Rolle. „Generell kann man sagen, dass die Installationskosten rund 50 Prozent ausmachen und 50 Prozent die eigentliche Wallbox / Ladesäule.“

Gibt es eine staatliche Förderung?

Anträge können ab 24. November 2020 bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) gestellt werden. Jede fabrikneue E-Ladesäule soll mit 900 Euro gefördert werden – über die Hälfte der Gesamtkosten laut einer Beispielrechnung der KfW. Eine Voraussetzung allerdings: Der Strom darf ausschließlich aus erneuerbaren Energien kommen. Das Verkehrsministerium gab kürzlich bekannt, 200 Millionen Euro für die Förderung privater Ladesäulen zur Verfügung zu stellen. Antragsberechtigt sind Privatpersonen, Wohnungseigentümergemeinschaften, Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und Bauträger. Nicht antragsberechtigt sind kommunale Gebietskörperschaften, rechtlich unselbständige Eigenbetriebe von kommunalen Gebietskörperschaften, Gemeindeverbände, Zweckverbände und Kirchen.

Gibt es Steuervorteile?

Arbeitnehmer, die einen Elektro- oder Hybriddienstwagen fahren und diesen am privaten Strom laden, können dafür von ihrem Arbeitgeber eine steuerfreie Auslagenpauschale erhalten. Nach einem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern gilt die Pauschalregelung auch für Selbstständige. Bei ihnen handelt es sich dann um Betriebsausgaben. „Der Vorteil liegt auf der Hand“, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. „Denn ein Einzelnachweis für den verbrauchten Strom ist nicht mehr erforderlich“. Zum Hintergrund: Lädt der Steuerzahler den E-Dienstwagen zu Hause auf, müssten eigentlich Nachweise über den Stromverbrauch vorgelegt werden. Prinzipiell müssen dazu die Kosten durch einen gesonderten Stromzähler über drei Monate repräsentativ ermittelt werden. Diesen Kosten- und Zeitaufwand kann man sich sparen, wenn die monatlichen Pauschalen genutzt werden. Dabei gelten für das Jahr 2020 Monatspauschalen von 20 Euro für Elektrofahrzeuge und von 10 Euro für Hybridfahrzeuge, wenn eine weitere Lademöglichkeit in der Firma besteht. Gibt es keine Lademöglichkeit im Betrieb, können pauschal 50 Euro für E-Fahrzeuge und 25 Euro für Elektro-Hybridfahrzeuge erstattet bzw. bei Selbstständigen und Unternehmern als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Die Pauschalen werden ab 2021 erhöht: Dann können 30 beziehungsweise 15 Euro monatlich erstattet werden, wenn eine Lademöglichkeit in der Firma besteht. Fehlt diese, steigen die Sätze auf 70 beziehungsweise 35 Euro. „Arbeitnehmer, die einen E- oder Hybriddienstwagen fahren, sollten ihre Arbeitgeber gegebenenfalls auf die neuen Pauschalen hinweisen“, rät Klocke. Denn ab dem kommenden Jahr können höhere Auslagen steuerfrei erstattet werden.

Wo wird die Ladestation idealerweise installiert?

Bei der Auslegung von Neubauten sollte heute viel mehr darauf geachtet werden, dass in Zukunft in den Tiefgaragen Wallboxen einziehen werden. Hierfür sollten in Neubauten bereits heute die Voraussetzungen für eine mögliche Erweiterung der Unterverteilung berücksichtigt werden und ggf. Kabelschächte eingeplant werden. Standort sollte immer in der Nähe des Hausanschlusses sein, dieses ist meistens in der Tiefgarage gegeben.

Können Eigentümer und Mieter die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen?

Nein! Sie haben zwar einen gesetzlichen Anspruch auf die Installation. Aber die geplante Baumaßnahme muss trotzdem durch die Wohnungseigentümerversammlung, die darüber in Zukunft mit einfacher Mehrheit abstimmt. Die Reform betrifft nach Angaben des Verbandes Wohnen im Eigentum (WiE) rund zehn Millionen Eigentümer. Die Eigentümergemeinschaft kann die Ausführung der Anlage nebst baulichen Details vorschreiben, sagt Gabriele Heinrich, geschäftsführendes Vorstandmitglied beim WiE: „Die Eigentümer können auch beschließen, dass die Bauausführung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Kosten des bauwilligen Wohnungseigentümers erfolgt.“

Wann zahlt die Gemeinschaft den Einbau einer Ladestation, wer nutzt sie?

„Grundsätzlich hat derjenige die Kosten der Maßnahme zu zahlen, der auch dafür stimmt“, sagt Julia Wagner, Rechtsreferentin beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland: Nur denjenigen Eigentümern die für die Maßnahme stimmen und dementsprechend zahlen, gebühren die Nutzungen. „Alle Eigentümer müssen nur dann zahlen, wenn mehr als zwei Drittel der Eigentümer für die Maßnahme gestimmt haben, die 50 Prozent der Miteigentumsanteile verkörpern oder wenn sich die Kosten der Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.“ Wird der Einbau einem einzelnen oder mehreren Wohnungseigentümern gestattet oder auf deren Verlangen durchgeführt, so tragen auch nur diejenigen die Kosten, die den Einbau verlangt oder gestattet bekommen haben – nur ihnen gebührt dann auch der Nutzen. Gabriele Heinrich rät zu einer separaten Erfassung der Stromkosten für das Laden – sodass der ladende Eigentümer nicht auf Kosten der Gemeinschaft „tankt“.

Wie sinnvoll ist ein gemeinsames Projekt aller Wohnungseigentümer?

Das kann – auch mit Blick auf die technische Kompatibilität – sehr sinnvoll sein. „Eigentümer sollten die Fragen stellen, ob ein gemeinschaftlicher Beschluss zum Einbau gefasst wird, wo dann all diejenigen zahlen, die dem Einbau zustimmen oder ob der einzelne Eigentümer (eventuell gemeinsam mit anderen) den Umbau als eigenes Projekt und damit auf eigene Kosten übernimmt“, rät Wagner. Rein technisch stellen sich dann natürlich die Fragen, ob das Hausnetz ausreiche, um z. B. auch Schnellladestationen zu bespeisen, wie viele Ladestationen generell angeschlossen werden können ehe das Hausnetz ausgebaut werden muss oder auch ob das Straßennetz überhaupt ausreichend ausgestaltet ist, um Elektroladestationen zu errichten.

Wer zahlt was, wenn Eigentümer neu hinzukommen?

Wie die Folgekosten zu tragen und zu verteilen sind wenn ein Eigentümer später an z. B. der bereits eingebauten Ladeinfrastruktur teilhaben will, hat der Gesetzgeber versucht, in Paragraf 21 Abs. 3 WEMoG neu zu regeln. „Der Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen – also hier die Ladeinfrastruktur zu nutzen –, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird“, erläutert die Eigentümervertretung Haus & Grund Deutschland die Rechtsgrundlage. Besonders interessant wird es, wenn zum Beispiel fünf Eigentümer eine gemeinsame Anlage errichtet haben und es kommen weitere drei dazu, ergänzt Gabriele Heinrich. „Dann sollen sie das Recht zum Mitgebrauch haben. Sie müssen sich an den Folgekosten beteiligen und einen Wertausgleich für bisherige Investitionen zahlen. Die Frage ist, wie das auszurechnen ist.“ Wenn die Anlage nicht mehr ausreicht, muss die neue Installation auf alle alten und neuen Eigentümer umgelegt werden. „Im worst case muss das Hausnetz ausgebaut werden“, sagt Wagner. Die Erweiterung müssen dann – um dem Beispiel zu folgen – alle acht zahlen. Die technischen Anforderungen und die Machbarkeit sollten daher durch einen qualifizierten Fachbetrieb geprüft werden.

Wer zahlt für die Instandhaltung, für Wartung und Ersatz?

Wartungskosten und Pflege muss der zahlen, der die Anlage haben will. Jener Mieter oder Eigentümer, der die Station haben wollte, muss sie auch beseitigen, bzw. sein Nachfolger, wenn die Anlage erweitert oder ausgetauscht werden muss. Wurde eine bauliche Veränderung beschlossen oder gestattet, so hat sie Bestand, unabhängig davon, ob der Eigentümer wechselt oder nicht. Insofern hängt der Einbau dann am Sondereigentum, erläutert Haus & Grund-Referentin Wagner. Die E-Ladestation sollte im übrigen der Wohngebäudeversicherung angezeigt werden. Der Verband „Wohnen im Eigentum“ rät mit Blick auf den Brandschutz zu einem Gutachten über möglicherweise erforderliche Sicherheitsmaßnahmen.

Wer kann neben den Eigentümerverbänden im Zweifel helfen und beraten?

„Wir sind keine Anwälte und dürfen wir leider keine Rechtsberatung vornehmen“, sagt Per Pöhl von NWG Power. Gefragt sind hier auch spezialisierte Rechtsanwälte und auch Steuerberater. Insbesondere das Steuerrecht kann beim Thema Elektroladesäulen für Hausverwaltungen eine Herausforderung darstellen. (mit Reuters und dpa)

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