zum Hauptinhalt
Jeder vierte Berliner würde seine Wohnung gerne – gelegentlich – an Touristen vermieten. Dem soll die Zweckentfremdungsverbotsverordnung seit 1. Mai Grenzen setzen.

© dpa

Ferienwohnungen: Zweckentfremdungsverbot zwecklos

Bezirke sehen sich zur Umsetzung der seit 1. Mai geltenden Verordnung nicht in der Lage. Sie wollen nun eine Zentralstelle schaffen.

Am 1. Mai ist die sogenannte Zweckentfremdungsverbotverordnung in Kraft getreten, doch die Umsetzung wird noch Wochen, wenn nicht Monate auf sich warten lassen. Wenn sie denn überhaupt einmal verwaltungsrechtliche Praxis wird. Denn Berlins Bezirke sind noch gar nicht in der Lage, die Vorgabe des Gesetzgebers zu erfüllen. Nach Informationen des Tagesspiegels haben sich die Bezirke am Mittwoch zunächst auf die Einrichtung einer Zentralstelle verständigt.

Die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken – Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum oder Ferienwohnungen, dessen Abriss oder Leerstand – steht mit der Zweckentfremdungsverbotverordnung in Berlin seit Anfang Mai unter Genehmigungsvorbehalt: Wer eine Wohnung an Touristen vermietet, ist verpflichtet, dieses dem jeweiligen Bezirksamt zu melden. Betreibern von Touristenunterkünften wird eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt. Mit dem Verbot will Berlin die zunehmende Wohnraumverknappung eindämmen – und die damit einhergehenden Mietsteigerungen.

Der Berliner Senat weist nun alle Schuld für das prognostizierte organisatorische Chaos bei der Umsetzung der Verordnung weit von sich: „Wir haben die rechtlichen Voraussetzungen für das Zweckentfremdungsverbot geschaffen und Handlungsanweisungen entwickelt, damit das Vorgehen einheitlich ist“, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf Anfrage. „Für die Umsetzung sind die Bezirke zuständig.“

Es fehlen Personalkräfte in den Bezirken

Die hatten ihrem Unmut bereits am 19. März freien Lauf gelassen und bemängelt, dass es vonseiten des Senats keine ausreichende fachliche, technische und personelle Unterstützung gebe. „Statt den Hilferuf der Bezirke ernst zu nehmen, verbreitet der Senat Unwahrheiten“, hieß es. So behaupte der Senat beispielsweise, dass den Bezirken 55 zusätzliche Personalkräfte für die Wohnungspolitik zu Verfügung gestellt würden, die auch für Zweckentfremdungsverfahren eingesetzt werden könnten. Tatsächlich aber – so die Bezirksstadträte – seien diese Stellen für Belange der Stadtplanung vorgesehen, sowie für die Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren.

Erst vor wenigen Tagen haben sich die Bezirke nun mit dem Senat auf insgesamt 34 neue Stellen einigen können. Sie sollen zur Hälfte aus dem Personalüberhang finanziert werden. „Am Mittwoch haben sich die Bezirke auch darauf verständigt, eine zentrale Arbeitsgemeinschaft zu bilden“, so Knut Mildner-Spindler, Bezirksstadtrat für Soziales, Beschäftigung und Bürgerdienste in Friedrichshain-Kreuzberg. Aufgrund der dünnen Personaldecke sei das eine pragmatische Lösung, die aber in allen Bezirken noch intern abgestimmt werden müsse. „Es wird noch ein paar Wochen dauern“, sagt er auf Anfrage. Befremdlich sei nach wie vor der Hinweis des Senats, dass Dank des Internets die Zweckentfremdung leichter zu verfolgen sei.

„Bescheide auf der Basis von Internetrecherchen oder Google-Street-View dürften vor Gericht kaum haltbar sein“, sagt Knut Mildner-Spindler. Er ist erleichtert, dass die befürchtete Antragsflut bislang ausgeblieben ist. Allein in Mitte gibt es schätzungsweise 4500 Ferienwohnungen. „Es sind wohl noch nicht alle Vermieter willens, ihre Wohnung anzuzeigen“, sagt er vorsichtig. Dabei sei der Antrag für bestehende Ferienwohnungen relativ unproblematisch. Wer seine Ferienwohnung jetzt innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes anzeigt, genießt einen Bestandsschutz für zwei Jahre.

Berliner Mieterverein setzt auf Bespitzelungen durch Nachbarn

Anzeigen aus der Nachbarschaft zu verfolgen oder gar selbst Ermittlungen und anschließende Verfolgungen durchzuführen, ist nach Einschätzung des Stadtrats Mildner-Spindler momentan personell nicht zu stemmen – auch nicht mit den 34 neuen Mitarbeitern einer möglichen neuen Zentralstelle.

Der Berliner Mieterverein e. V. setzt angesichts der personellen Engpässe dennoch auf Bespitzelungen durch Nachbarn. Mit Schreiben unter dem Datum des 30. April verbreitet der Verein eine „Musteranzeige“, mit der ein Verstoß der Zweckentfremdung über den Mieterverein beim zuständigen Bezirksamt eingereicht werden kann. „Ohne die Mithilfe der Bewohner wird die Verfolgung der Zweckentfremdung ein stumpfes Schwert bleiben“, schreibt Geschäftsführer Reiner Wild – und rät zum Petzen.

Vermittlungsplattform für Ferienwohnungen 9flats schließt ihr Büro an der Spree

Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) beziffert die Zahl der Ferienwohnungen, die in Berlin auf Internetportalen angeboten werden, auf „9000 bis 12 000“. Diese Zahl wird allerdings bezweifelt. So seien derzeit lediglich 3300 Ferienunterkünfte in ganz Berlin potenzielle Mietwohnungen – ein verschwindend geringer Anteil von 0,2 Prozent an den insgesamt 1,9 Millionen Wohnungen in der Hauptstadt, verbreitet die Wimdu GmbH – eine der Plattformen – am 30. April.

Die Ferienwohnungvermittlungsplattform 9flats zog bereits Ende 2013 Konsequenzen und schloss ihr Berliner Büro. Zur Begründung sagte Roman Bach, Sprecher des Unternehmens, in einem Interview mit dem Internetportal Deutsche Start-ups: „Wir können es uns nicht leisten, einen Markt langfristig zu entwickeln, der vom Gesetzgeber so eingeschränkt wird.“

Insbesondere kritisierte er die unklaren Formulierungen im Berliner Gesetz zum Teilen von Wohnraum. „In anderen Städten wurde bei einer Regulierung gleichzeitig geklärt, was erlaubt ist. Meist ist die Vermietung der eigenen Wohnung erlaubt oder bestimmte Bezirke sind von Verboten ausgenommen. In Berlin wurde pauschal alles verboten und somit die maximale Unsicherheit bei Vermietern erzeugt.“

Zur Startseite