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In Prenzlauer Berg steht ein Fertighaus mit sieben Stockwerken. Zehn Monate hat es gedauert, das Gebäude für sechs Familien in einer Baulücke zu errichten.

© Rainer Jensen/dpa

Fertighäuser: Schneller wohnen

Fertighäuser kennt man aus Neubausiedlungen und Vororten. Jetzt will die Branche die Städte erobern – doch nicht überall ist das erlaubt.

In Berlin steht er schon, der Zukunftstraum der Fertighausbranche. Ein Wohnhaus mit sieben Stockwerken im Szenebezirk Prenzlauer Berg. Zehn Monate hat es gedauert, das Gebäude für sechs Familien in Holzbauweise in einer Baulücke zu errichten. Wände und Decken aus Holz und Dämmstoffen waren vorgefertigt – wie beim Fertighaus auf der grünen Wiese. „Technisch ist auch beim urbanen Bauen alles machbar“, sagt Christoph Windscheif, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau. Die Frage ist, ob Investoren das Prinzip für den Mietwohnungsbau lockt. Oder Baugruppen es als künftige Eigentümergemeinschaften interessant finden.

Bisher liegt das klassische Fertighaus-Revier in den Vororten der Städte oder in Neubausiedlungen auf dem Land. Dort sieht es dann manchmal aus wie in einem Musterpark: frei stehende Einfamilienhäuser von rustikal bis Schwedenlook. Kritiker vermissen oft den klassischen Siedlungscharakter, die Bebauungspläne sind ihnen zu funktional und stereotyp. Den Ruf von „Haustyp Erika“ hätten Fertighäuser jedoch hinter sich gelassen, sagt Windscheif. Die meisten seien heute individuell geplant. Nur gemauert wird nicht. Die Holzbauteile kommen nach Wunschmaß aus der Fabrik. Ob die einzelnen Vorlieben später als Siedlung zusammenpassen, ist eine andere Frage.

Billiger als Massivbauten sind Fertighäuser nicht. Nach der Verbandsstatistik hat ein Einfamilienhaus heute einen durchschnittlichen Auftragswert von 230 000 Euro. Ein Viertel entstehe bereits im Luxussegment über 300 000 Euro, berichtet Windscheif. Der Interessentenkreis sei größer geworden. Kamen früher vor allem junge Familien, sei heute jeder vierte Käufer älter als 50.

Die Branche muss sich neue Nischen suchen

Dementsprechend ist der Anteil an Baugenehmigungen stetig gestiegen – von rund zwölf Prozent im Jahr 1995 auf 15,7 Prozent im Jahr 2013. Besonders beliebt ist die Bauweise in Baden-Württemberg, wo Fertighäuser nach Verbandszahlen über ein Viertel aller neuen Ein- und Zweifamilienhäuser ausmachen (siehe dazu auch Grafik).

Trotzdem muss sich die Branche auf Dauer neue Nischen suchen. Der Einfamilienhausbau in Deutschland – Fertighäuser und Massivhäuser gleichermaßen – stagniert. Nach den Tabellen des Statistischen Bundesamtes nahmen die Genehmigungen im vergangenen Jahr trotz extrem niedriger Zinsen nur um rund ein Prozent zu, auf rund 89 500. Im ersten Halbjahr 2014 gingen sie sogar um ein Prozent zurück. Bei Mehrfamilienhäusern schnellten die Anträge 2013 dagegen um 22 Prozent nach oben, auf rund 117 500 Gebäude. Ein Trend, der sich bis Juli 2014 fortsetzte. Der Bedarf liegt vor allem in wachsenden Städten wie Berlin.

Bislang kann die Fertighaus-Branche davon kaum profitieren. Der Verband mit mehr als 45 Mitgliedsbetrieben rechnet für 2014 mit einem Umsatz von 1,8 Milliarden Euro, das sind 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Neue Nischen können ihre Tücken haben. Noch nicht alle Bundesländer erlaubten in ihren Bauordnungen zum Beispiel mehrgeschossige Fertigbauten – vor allem wegen alter Brandschutzverordnungen, so der Verband.

Käufer sollten Angebote und Verträge genau prüfen

Peter Burk vom Freiburger Institut für Bauen und Wohnen hält die Frage, ob ein neues Haus ein Massiv- oder ein Fertigbau werden soll, heute für eine rein emotionale. Für beide Bauweisen gebe es Vor- und Nachteile. Eine gute Bauqualität sei in Holz- und Massivbauweise zu erreichen. „Mit der richtigen Planung hat sich beides bewährt“, sagt der Ingenieur, der im Auftrag der Verbraucherzentrale einen Ratgeber zum Fertighauskauf verfasst hat.

Was Burk mehr Sorgen macht, ist die Naivität, mit der viele Häuslebauer an die Sache herangingen. Oft werde die Einbauküche sorgfältiger ausgesucht als das Haus – obwohl das mit Abstand die größte Investition im Leben sei, sagt er. „Trotzdem holen nur wenige belastbare Vergleichsangebote ein.“ Käufer prüften Verträge und Baubeschreibungen häufig auch nicht genau genug.

Warum das so ist, bleibt Burk ein Rätsel. Das größte Problem privater Bauherren bleibe ihre mangelnde Erfahrung, sagt er. Denn ein Haus bauen die meisten eben nur einmal im Leben. Die Fertighausbranche lockt zum Beispiel mit schlüsselfertigem, schnellem Bauen. Burk rät trotzdem – wie beim Massivbau – zu Kontrollen durch einen unabhängigen Fachmann.

Wer auf der Suche nach einem Fertighaus ist, kann sich außerdem an verschiedenen Qualitätssiegeln orientieren. Das Gütezeichen „Qualitätsgemeinschaft Deutscher Fertigbau“ sowie vergleichbare Zertifikate von PEFC, FSC oder anderen Organisationen garantieren zum Beispiel, dass Konstruktionsholz aus nachhaltiger Waldwirtschaft eingesetzt wurde. Umweltverträgliche Dämmstoffe werden mit dem „Blauen Engel“ gekennzeichnet.

(dpa/Tsp)

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