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In Ruhe arbeiten oder kreativer Austausch. Coworking Spaces wie der von WeWork am Potsdamer Platz bieten im Idealfall beides.

© dpa-tmn

Flexible Raumnutzung: Tempo machen mit temporären Mieten

Coworking Spaces und Pop-up-Stores stehen für kurzfristige Bindungen. Aber für wen sich das lohnt? Zwei Beispiele aus Berlin.

Bodentiefe Glasfenster, lange Holztische, Samtsofas in den Nischen: Im Großraumbüro von Mindspace dringen aus allen Ecken geschäftige, leise Gespräche. Ein junger Mann mit Hornbrille und Headset sitzt in einem der Schwingsessel und telefoniert per Videokonferenz auf Englisch mit einem Geschäftspartner. In der Küche stehen zwei junge Frauen, die sich über ihren letzten „Pitch“ unterhalten und dabei Kaffee kochen.

Die Firma Mindspace vermietet Arbeitsplätze an Unternehmer und ihre Mitarbeiter. Insgesamt zwei Standorte hat die Firma in Berlin, ein weiterer soll in wenigen Tagen eröffnet werden. Neben Berlin vermietet das Unternehmen Arbeitsfläche auch in Städten wie Hamburg, München oder Frankfurt und über Deutschlands Grenzen hinaus, beispielsweise in Warschau, London oder Tel Aviv.

Mindspace hat sich auf sogenanntes Coworking spezialisiert – „also Büros, die mehrere Unternehmen gleichzeitig nutzen“, erklärt Franz Kühmayer, Experte für Arbeit und Unternehmensführung beim Zukunftsinstitut.

Unternehmen können bei Coworking-Anbietern Arbeitsfläche in Großraumbüros mieten. Bei Mindspace fängt das Angebot beim sogenannten „Hotdesk“ ab circa 280 Euro monatlich an. „Der Kunde hat die Möglichkeit, sich im gesamten Gebäude überall zu platzieren“ erklärt Mindspace-General Manager Bastian Bauer, „er kann das All-inclusive-Paket nutzen – angefangen bei Küchen, wo es umsonst Kaffee gibt, über Events, wie zum Beispiel unserer momentanen Frühstücks-Happy-Hour bis hin zu Kursen und Workshops, die wir regelmäßig in unseren Räumlichkeiten anbieten.“

Gründer schätzen die große Flexibilität

Darüber hinaus können sich auch ganze Unternehmen bei sogenannten Coworking-Anbietern einmieten: „Wir bieten unseren Kunden vom Zweierbüro ab 900 Euro bis zu einem ganzen Stockwerk alle Möglichkeiten an“, so der Geschäftsführer.

Ai Lien Dinh-Thi hat im November 2017 ihr eigenes Unternehmen gegründet. Für ihre fünf Mitarbeiter von Hi-Me suchte sie händeringend nach Büroflächen in Berlin-Mitte. „Es ist unglaublich schwer, in Berlin passende Gewerberäume zu finden“, so die Gründerin. Derzeit befindet sie sich mit ihrem Unternehmen in der „heißen Phase“: Anfang Mai soll das erste Produkt ihres Unternehmens verschickt werden. „Da ich nicht weiß, wie schnell wir wachsen werden, muss ich räumlich flexibel bleiben“, erklärt Dinh-Thi, „im Coworking-Büro habe ich jederzeit die Möglichkeit, Arbeitsfläche hinzuzumieten und ich kann den Mietvertrag zu jedem Monatsende kündigen.“

Momentan zahlt die Unternehmerin rund 3500 Euro Brutto für sechs Personen im Mindspace-Gebäude in der Krausenstraße. „Zwar ist das nicht ganz so günstig, auf der anderen Seite spare ich jedoch alle möglichen Nebenkosten ein, die anfallen würden, wenn ich ein Büro mit Kaffeemaschine, Drucker und Möbeln ganz neu einrichten müsste“, sagt Dinh-Thi.

Am Coworking-Konzept schätze sie vor allem die große Flexibilität, den Standort der Anbieter und die Ausstattung. „Besonders reizvoll an dem modernen Arbeitskonzept finde ich vor allem, dass man sich mit anderen Unternehmen auf dem Flur austauschen und dadurch viel über andere Branchen lernen kann.“

Im Mai öffnet Rent 24 einen neuen Coliving Bereich in der Potsdamer Straße.
Im Mai öffnet Rent 24 einen neuen Coliving Bereich in der Potsdamer Straße.

© WeWork/dpa

Mit Rucksack und Laptop unterwegs

Franz Kühmayer vom Zukunftsintitut, einem Trendforschungsinstitut mit Sitz in Deutschland und Österreich, sagt, die Unternehmen würden am Coworking-Konzept vor allem die ökonomischen Vorteile wie Kosteneinsparung schätzen. Hinzu komme, dass die Menschen, die unter einem Dach arbeiten, ein Netzwerk bilden, worin sie sich gegenseitig austauschen – ein „fruchtbarer Boden“ entstehe.

Der Mindspace-General Manager sieht das ähnlich: „In Coworking-Offices entsteht ein gegenseitiges Befruchten.“ Bauer, der zuvor in der Modebranche tätig war, macht es seinen Kunden vor und arbeitet ebenfalls im Coworking-Stil; er habe keinen festen Arbeitsplatz, sondern sei nur mit Rucksack und Laptop unterwegs.

„Der Auslöser für die neue Form des Arbeitens liegt in der modernen Technologie“, erklärt Arbeitsexperte Kühmayer. „Inzwischen trägt man alle Aktenordner bei sich in Form eines Smartphones in der Westentasche.“

Dadurch sei eine neue Form der Flexibilität entstanden, die es den Arbeitnehmern ermöglicht, an vielen unterschiedlichen Orten zu arbeiten.

Neue Produkte risikofrei testen

Neben dem Arbeitsplatz wird auch der Verkaufsort immer flexibler. Sogenannte Pop-up-Stores bieten Unternehmen die Möglichkeit, temporäre Verkaufsfläche zu mieten.

Die Firma Brick Spaces ist nach eigenen Angaben der „Marktführer im deutschsprachigen Raum für die Vermittlung von temporären Gewerbemieten im Retailbereich“. „Firmen, die nach einem Pop-up-Store suchen, kommen mit ihrer Anfrage auf uns zu und wir suchen nach der passenden Location. Wir übernehmen die Kommunikation mit den Vermietern und vermitteln letztendlich zwischen beiden Seiten“, erklärt Brick Spaces-Geschäftsführer Marc Selicke.

Gemietet werden kann von einem Tag bis hin zu einem ganzen Jahr. Zur Verfügung stehen Ladenflächen wie zum Beispiel ein Show-LKW, der komplett verglast ist, Showrooms, Restaurants oder Shops. 70 Quadratmeter Ladenfläche in Berlin-Neukölln kosten pro Tag zum Beispiel bei einem Anbieter 84 Euro. Ein Studio in Berlin-Wilmersdorf mit 200 Quadratmetern kostet beispielsweise 1208 Euro pro Tag.

„Mit einem Pop-up-Store spricht man neue Kunden an, die spontan und zufällig den Store passieren“, so Selicke, „durch den Pop-up-Store können nicht nur Produkte, sondern auch Konzepte und Locations risikofrei und vergleichsweise kostengünstig getestet werden.“

Franz Kühmayer sagt, dass flexible Standorte in den nächsten Jahren immer wichtiger werden.

Der Arbeitsplatz und die Verkaufsfläche werden nach seiner Prognose in den nächsten Jahren demnach noch deutlich vielfältiger und flexibler.

Lisa Splanemann

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