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Hunderte Flüchtlinge warten vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, um registriert zu werden. Manche von Ihnen warten schon seit über zehn Tagen auf den Aufruf ihrer Nummer.

© AFP/John MacDougall

Flüchtlinge: Berlin ohne Überblick bei der Unterbringung

Wolfgang Wieland, Moderator des Runden Tisches Flüchtlingsversorgung, kritisiert das Lageso: "Es war zum Haareraufen." Erst die neue Aufnahmestelle an der Bundesallee werde Entlastung bringen.

Der Moderator des Runden Tischs Flüchtlingsversorgung, Wolfgang Wieland (Grüne), hat das Management des Senat in der Flüchtlingsfrage scharf kritisiert. Auf die Frage, ob in Berlin alles getan werde, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu sichern sagte er: „Monatelang wurde das natürlich nicht getan. Es war zum Haareraufen.“

Wieland ist Mitglied des von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) im vergangenen November berufenen Beirats für Zusammenhalt. Er besteht aus den ehemaligen Berliner Regierungspolitikern Eberhard Diepgen (CDU), Heidi Knake-Werner (Die Linke) und Ingrid Stahmer (SPD).

Schon im April hatte der Beirat die ehemalige Lungenklinik in Heckeshorn am Wannsee besucht. Damals befand der Beirat, man könne diese Unterkunft innerhalb einer Woche herrichten. Anwohner mehrerer Kirchengemeinden wollten helfen und fragten wochenlang: „Wann kommen die Flüchtlinge?“ Aber nichts geschah.

Anfang September dann sei die Unterkunft bezogen worden – und wurde gleich überbelegt. Aus einem Gemeinschaftsraum sei ein Schlafraum gemacht worden, sagt Wieland. „Erst passiert nichts und dann an der richtigen Stelle etwas in der falschen Weise.“

Wieland: Heckeshorn bäuchte einen eigenen Projektmanager

Wieland verweist auf das ebenfalls leerstehende Bettenhaus in Heckeshorn, das bisher nicht genutzt wird. Seiner Meinung nach müsste allein für diesen Standort ein eigener Projektmanager eingesetzt werden, der das große Krankenhaus mit seinen vielen Möglichkeiten entwickle.

Ein zweites Beispiel: „Wir haben schon im November 2014 vorgeschlagen, das ICC und den Flughafen Tempelhof in Betracht zu ziehen. Da hieß es, wir seien ja ahnungslos“, berichtet Wieland weiter. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) habe wörtlich gesagt: „Ich verbrenne mir an Tempelhof nicht noch einmal die Finger.“

Der Beirat hatte damals vorgeschlagen, Container in die Hangars zu stellen. Inzwischen sind Wohncontainer nicht mehr zu bekommen, der Markt ist leergefegt.

"Die Berliner Unterbringungsleitstelle bestand zeitweilig nur aus drei Personen"

Geschuldet seien die Versäumnisse der letzten Monate auch der personellen Situation in der Berliner Unterbringungsleitstelle, die dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) untergeordnet ist. „Sie war unterbesetzt und bestand zeitweilig nur aus drei Personen“, sagt Wieland dem Tagesspiegel. Das sei auch der Tatsache geschuldet gewesen, dass es im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an Betreiber von Flüchtlingsheimen zu Disziplinarverfahren gekommen war.

Inzwischen habe der Beirat beschlossen, positiv zu denken: „Nun machen sie es endlich“, sagt Wieland. „Seit im August der Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement eingerichtet wurde, läuft einiges besser und die Dinge werden geregelt.“

Ob die Liste mit möglicherweise geeigneten Objekten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nun abgearbeitet wird, hat am vergangenen Mittwoch bei der 4. Sitzung des Runden Tischs Flüchtlingsversorgung keine Rolle gespielt. „Uns wird gesagt, ja“, sagt Wieland. Die Liste war schon im April eingegangen. Senator Czaja hatte die Objekte damals als ungeeignet abgelehnt.

Angebot eines gemeinnütziges Wohnungsunternehmens blieb unbeantwortet

Das Sport- und Erholungszentrum SEZ in der Landsberger Allee wurde am vergangenen Wochenende beschlagnahmt und soll nun Flüchtlingsunterkunft werden.
Das Sport- und Erholungszentrum SEZ in der Landsberger Allee wurde am vergangenen Wochenende beschlagnahmt und soll nun Flüchtlingsunterkunft werden.

© Jens Kalaene/dpa

Beim Runden Tisch beschwerte sich auch die Wohnungswirtschaft über die Arbeitsweise des Lageso. Das geht aus einer Rundmail des Flüchtlingsrates Berlin an sein Netzwerk hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Demnach berichtete Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), dass ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen über vier Monate hinweg vergeblich versucht hätte, dem Lageso 140 unsanierte Wohnungen eigens zur Vermietung an Asylsuchende anzubieten. Vom Lageso sei jedoch schlicht keine Antwort gekommen und dies schließlich mit der Urlaubszeit begründet worden. Das Wohnungsunternehmen sei verärgert, werde die Wohnungen jetzt sanieren und auf dem normalen Wohnungsmarkt vermieten.

In der Mail kritisiert der Flüchtlingsrat „ein katastrophales Organisationsversagen des Lageso und seiner Asylaufnahmebehörde“. Sie gebe vielfach nur noch wertlose Hostelgutscheine aus und – wenn überhaupt – eine willkürlich auf sechs Euro pro Tag gekürzte Sozialhilfe sowie eine Bescheinigung, dass leider keine Abfertigung möglich gewesen sei und eine Wiedervorsprache an einem Termin sechs bis zehn Wochen später erfolgen solle.

„In diesen Fällen wird rechtswidrig kein Asylverfahren eingeleitet und anstelle der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender ein vom Lageso frei erfundenes Identitätspapier ausgegeben“, schreibt der Flüchtlingsrat.

"Immer noch kein funktionierendes Belegungsmanagement"

„Morgens herrschen am Lageso Zustände wie in Neu-Delhi“, habe ein Teilnehmer des Runden Tischs gesagt, berichtet Wolfgang Wieland. Wenn die neue Aufnahmestelle an der Bundesallee eingerichtet sei, werde es möglicherweise besser, hofft er. „Es sagt Ihnen aber keiner einen Termin, wann es so weit sein wird.“

Grundsätzlich sei die große Aufgabe weiterhin, feste Gebäude herzurichten. Dafür könnte der Senat mehr tun und in Verhandlungen mit Eigentümern treten. Siemens etwa mit seinem großen Bestand an Wohnungen in der Siemensstadt sei so ein Ansprechpartner.

Beim Lageso gibt es derweil immer noch kein funktionierendes Belegungsmanagement, so der Flüchtlingsrat in seiner Mail. Die dem Lageso zuarbeitende Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) habe offenbar keinen tagesaktuellen Überblick mehr, wie viele und welche Plätze in den Wohnheimen aktuell frei sind.

Dabei melden die Berliner dem Beirat für Verständigung laufend leerstehende Gebäude, berichtet Wolfgang Wieland. Eine ganze Liste mit potentiellen Unterkünften hat auch der Flüchtlingsrat Berlin gesammelt – mit der Überprüfung ist die Berliner Unterbringungsleitstelle offenbar (BUL) überfordert. „Die BUL hat es nicht gebracht“, schließt Wieland. Jetzt solle die Berliner Immobilienmanagement deren Aufgabe übernehmen.

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