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Immobilien: Frische Luft reicht Investoren nicht

Für den ehemaligen Krankenhauskomplex Beelitz-Heilstätten hatte ein Baulöwe große Pläne. Heute verrotten viele der historischen Gebäude

Ein Waldweg, rechter Hand einige Schuppen, kein Mensch weit und breit. Plötzlich erblickt man durch die Baumstämme hindurch Gemäuer. Ein Märchenschloss, ein Bunker oder gar eine Fata Morgana? Nein, ein ehemaliges Lungenheilgebäude ist es, Anfang des 20.Jahrhunderts errichtet und seit der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine Ruine. Im Inneren kommt man in einen hallenartigen Raum. Auf dem Fußboden liegen zerbrochene Fliesen, Marke Villeroy&Boch. Wer sich weiter hineinwagt, gelangt über ein gut erhaltenes Treppenhaus bis aufs Dach – dort wächst ein Kiefernwald.

Die Ruine des Lungenheilgebäudes für Frauen ist das wohl spektakulärste Objekt von Beelitz-Heilstätten, einem 200 Hektar großen Gelände südwestlich von Berlin direkt an der Bahnlinie nach Dessau. Die verkehrsgünstige Lage bewog Ende des 19.Jahrhunderts die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin dazu, hier einen Klinikkomplex für Tuberkulosekranke zu errichten. Die Volkskrankheit grassierte in den übervölkerten Berliner Arbeitervierteln mit ihren engen Hinterhöfen. In der gesunden Waldluft von Beelitz-Heilstätten sollten die Berlinerinnen und Berliner ihr Leiden auskurieren, um ihre Arbeitskraft wieder zu erlangen.

Bis 1930 entstanden in drei Bauphasen 60 vornehmlich im englischen Landhausstil gehaltene Gebäude. Nördlich der Bahnlinie fanden die Kliniken für Lungenkranke ihren Platz, südlich davon die Sanatorien für nicht ansteckende Kranke. In beiden Bereichen herrschte strikte Geschlechtertrennung: Westlich der Chaussee nach Fichtenwalde waren die Frauen untergebracht, östlich davon die Männer. Über 1200 Betten verfügte der gewaltige Komplex.

Die sowjetischen Truppen nutzten die Anlage nach 1945 als Militärhospital. Nach der Wiedervereinigung fiel die Liegenschaft an die LVA zurück, die sie 1995 an die Beelitz Heilstätten GmbH & Co. KG mit Sitz in Teltow verkaufte. Hinter dieser Gesellschaft stand der Immobilienunternehmer Roland Ernst. Der ließ in der Folge das Konzept für einen Gesundheitspark erarbeiten: 3000 Menschen sollten hier wohnen und 1000 arbeiten. Insgesamt sollten Wohnungen mit einer Bruttogeschossfläche von 130000 Quadratmeter entstehen und auf fast 260000 Quadratmeter sollten Geschäfte öffnen und Dienstleister arbeiten. Kostenpunkt: 500 Millionen Euro.

Expandierende Klinik

Doch das Projekt, in seiner Maßlosigkeit typisch für den Bauboom nach der politischen Wende im Osten, hatte keine Chance mehr, als der Immobilienmarkt in die Krise geriet. Im Jahr 1998 zog sich die an dem Projekt beteiligte Anterra Vermögensverwaltungs-AG zurück; Anfang 2001 meldete im Gefolge des Zusammenbruchs der Unternehmensgruppe Roland Ernst die Beelitz Heilstätten GmbH & Co. KG Insolvenz an. Seither amtiert der Berliner Rechtsanwalt Christoph Schulte-Kaubrügger als Insolvenzverwalter. Wenn man ihn fragt, was sich auf dem Areal tut, fällt die Antwort kurz und knapp aus: „Gar nichts.“

Eine Ausnahme gibt es: Laut Schulte-Kaubrügger will die bereits auf dem Gelände ansässige Recura Kliniken GmbH expandieren und ein altes Lungenheilgebäude übernehmen. Seit 1998 betreibt die Gesellschaft – ihr Name Recura ist eine Kombination aus Roland Ernsts Initialen und dem Wort Cura (lateinisch für Pflege) – in einem sanierten Altbau im Nordosten des Komplexes eine Neurologische Rehabilitationsklinik und eine Spezialklinik für Parkinson-Erkrankungen.

Das bestehende Klinikgebäude gehört zum Fonds 6 der Landesbank Berlin (LBB). Diese ist, zusammen mit der Landesbank Hessen-Thüringen, Hauptgläubigerin der Beelitz-Heilstätten GmbH & Co. KG, die bis zur Insolvenz nach eigenen Angaben rund 80 Millionen Euro in die Entwicklung des Gebiets investierte. Die Bankgesellschaft Berlin, zu der die LBB gehört, ist darüber hinaus über ihre im Bauträgergeschäft tätige Tochter Bavaria Objekt- und Baubetreuung GmbH in Beelitz-Heilstätten aktiv: Diese vermarktet das (weitgehend fertig gestellte) Eigenheimgebiet unweit des Bahnhofs.

Ansonsten aber „ist es schwierig, Investoren zu finden“, seufzt Andrea Metzler, Pressesprecherin des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Sogar auf der Münchner Immobilienmesse Expo Real habe Landrat Lothar Koch nach Interessenten Ausschau gehalten und blieb erfolglos. Dabei ist Beelitz-Heilstätten nach Einschätzung von Insolvenzverwalter Schulte-Kaubrügger „ein guter Standort, sowohl verkehrsmäßig als auch von der Reputation her“. Dass es trotzdem nicht gelingt, Investoren zu finden, liegt laut dem Insolvenzverwalter an der derzeitigen allgemeinen wirtschaftlichen Situation.

Allfälligen Hoffnungen, dem Standort durch die Ansiedlung von Behörden einen Schub zu geben, erteilte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck erst kürzlich eine Absage. Kein Wunder, erfüllt doch bereits seit einigen Jahren ein anderes Relikt der Vergangenheit, nämlich das ehemalige Hauptquartier der sowjetischen Truppen in Wünsdorf-Waldstadt, die Funktion eines brandenburgischen Behördenzentrums. Dagegen hofft der Landkreis noch immer auf die Ansiedlung einer Privatuniversität, wie sie eine Gruppe um Herbert Weber, den Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik in Berlin, vorgeschlagen hatte. Doch es wird bei der Hoffnung bleiben: Die Idee sei „nicht mehr aktuell“, heißt es in Webers Büro.

Belebung durch die Feuerwehr

So versucht der Landkreis Potsdam-Mittelmark, wenigstens mit seinen eigenen bescheidenen Mitteln zur Revitalisierung des Flächendenkmals beizutragen. Mitte Januar feiert er die Eröffnung des rund fünf Millionen Euro teuren Feuerwehrtechnischen Zentrums; auch ein Feuerwehrmuseum soll darin Platz finden. 2,3 Millionen Euro, den Großteil davon aus Fördertöpfen der EU und des Landes, investierte der Landkreis in das Kernstück des technikgeschichtlich bedeutsamen Heizkraftwerks. Beim Landratsamt erwägt man außerdem, das noch nicht sanierte Heizhaus Nord zu erwerben.

Insgesamt sind laut Gerd Ohligschläger, dem für die Heilstätten zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung Beelitz, etwa 20 der 60 denkmalgeschützten Gebäude saniert oder zumindest verkauft. Dabei handelt es sich, abgesehen von der Klinik und dem Heizhaus, durchweg um kleinere Gebäude. Darunter sind Wohnhäuser, zwei Pförtnerhäuschen, in einem lädt ein italienisches Restaurant zu Pizza und Pasta ein, und das Desinfektionsgebäude. Das übernahm der ortsansässige Bauunternehmer Thomas Schielicke und verwandelte das Gebäude in das „Landhotel Gustav“. Auch die Chefarztvilla an der Straße nach Fichtenwalde, in der 1990 Erich Honecker auf seiner Flucht Unterschlupf fand, erstrahlt in neuem Glanz.

Sorgen machen Ohligschläger jedoch die großen, historischen Immobilien der Beelitz-Heilstätten: das zentrale Badehaus mit seiner Kuppel, das Männer-Sanatorium mit seinen schier unendlichen Fluren sowie das imposante Verwaltungsgebäude. Sie stehen jetzt schon seit Jahren leer, und das hat unübersehbare Folgen: Die Fenster sind eingeschlagen, der Putz blättert ab, die Leitungen sind herausgerissen.

„Vandalismus ist ein großes Problem“, sagt Ohligschläger. „Vor drei, vier Jahren sah das noch um Klassen besser aus.“ Die Gläubiger würden durchaus Sicherungsmaßnahmen bezahlen, erklärt dagegen Insolvenzverwalter Schulte-Kaubrügger. Doch auch er weiß: „Durch den Verfall der Immobilien verliert das Grundstück immer mehr an Wert.“

Aufs Eindrücklichste bestätigt werden diese Worte in dem in den zwanziger Jahren erbauten Chirurgiegebäude. Hier drehte Roman Polanski eine Szene seines Films „Der Pianist“. Die Eingangstür, beim ersten Besuch noch durch eine Spanplatte versperrt, ist beim zweiten Besuch wenige Tage später aufgebrochen. Unter den Fußsohlen klirren Glassplitter, der Wind pfeift durch die kahlen Flure, Wasser tropft von der Decke. Und im Ohr hat man noch die Aussage von Andrea Metzler vom Landkreis Potsdam-Mittelmark: „Vielleicht ist die Situation auf dem Immobilienmarkt ja in zwei oder drei Jahren besser.“ Die Worte klingen wie eine verzweifelte Beschwörung.

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