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Immobilien: Für die sturen Miteigentümer wird’s eng

Neu ab 1. Juni: Gesetzgeber lässt mehrheitliche Entscheidungen in der Eigentümergemeinschaft zu

Für rund fünf Millionen Wohneigentümer wird die Verwaltung ihres Besitzes künftig deutlich einfacher. Der Bundesrat hat nun dem neuen Wohnungseigentümergesetz zugestimmt, das damit am 1. Juni in Kraft treten kann. „Die Gesetzesnovelle war überfällig und beseitigt eine Menge Rechtsunsicherheiten“, heißt es beim Verband Haus und Grund, der 800 000 private Eigentümer vertritt und an der Gesetzesänderung mitgewirkt hat. Die wichtigsten Neuerungen:

Neues Mehrheitsprinzip: Bisher mussten Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten von einer Eigentümergemeinschaft einstimmig beschlossen werden – mit der Folge, dass es häufig zu Dauerblockaden einzelner Eigentümer und einem Renovierungsstau kam. Verweigerte beispielsweise auch nur einer von 20 Eigentümern eines Hauses den Einbau einer sichereren Haustür, dann konnte die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Nun reicht auch eine Dreiviertel-Mehrheit, wenn ein Lift eingebaut, Balkone angebracht, die Fassade saniert oder zu einem energiesparenden Heizsystem gewechselt werden soll.

Das neue Abstimmungsprinzip findet auch bei regelmäßigen Kosten Anwendung: So kann die Eigentümergemeinschaft künftig mehrheitlich beschließen, beispielsweise den Verteilungsmaßstab bei den Betriebskosten zu ändern. Das heißt: Stimmt die einfache Mehrheit der Eigentümer zu, könnten sich diese Kosten künftig nicht mehr am Eigentumsanteil, sondern stärker am individuellen Verbrauch orientieren. Bewohnen eine Familie mit drei Kindern und ein häufig verreistes kinderloses Paar in einem Haus zwei Wohnungen gleicher Größe, so reicht künftig ein Mehrheitsvotum der Hausgemeinschaft aus, um der Familie trotz gleicher Quadratmeterzahl höhere Kosten aufzubürden – da sie ja beispielsweise mehr Müll entsorgt. Auch Fälligkeit, Art und Weise der Betriebskosten oder der Verteilungsschlüssel für die Verwaltungskosten (also für den Aufwand der Hausverwaltung) können von den Eigentümern dann schneller und flexibler geändert werden.

Auch bei einmaligen Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen räumt der Gesetzgeber der Eigentümergemeinschaft nun die Möglichkeit ein, die Verteilung der Kosten per Mehrheitsbeschluss selbst zu regeln. Profitiert etwa ein Eigentümer von einer Baumaßnahme mehr als die anderen, so können auch höhere Kosten auf ihn umgelegt werden. Beispiel: Eine Partei, die im Erdgeschoss wohnt, wird sich unter Umständen nicht oder nur geringfügig am Einbau eines Fahrstuhls beteiligen müssen, wenn dies mehrheitlich (und nicht mehr einstimmig!) beschlossen wird. „Dies führt zu gerechteren Ergebnissen“, heißt es im Bundesjustizministerium.

Gerechtere Haftung: Einzelne Eigentümer haften ab Juni nicht mehr für eine komplette Forderung gegen die Eigentümergemeinschaft, sondern nur noch für ihren eigenen Anteil daran. Ein Beispiel: In einem denkmalgeschützten Haus mit 20 Wohnungen wird für 200 000 Euro die Fassade komplett saniert. Nach Ausführung der Arbeiten sind vier der 20 Eigentümer zahlungsunfähig. Künftig kann nicht mehr jeder einzelne der 20 Eigentümer für die Gesamtforderung, sondern nur noch für seinen Anteil, also – bei gleicher Aufteilung auf alle – für 10 000 Euro haftbar gemacht werden. „Die bisherige Regelung hat vor allem nach dem Wohnbauboom in den neuen Bundesländern nach der Wende zu mancher wirtschaftlichen Katastrophe geführt“, weiß Gunther Hildebrandt, Berliner Fachanwalt für Immobilien- und Wohnungseigentumsrecht.

Vorrecht bei Pfändung: Gestärkt wird die Stellung der Wohnungseigentümer auch im Falle der Pfändung eines Miteigentümers. Geht ein Wohnungsbesitzer pleite und wird seine Immobilie zwangsversteigert, dann werden vom Erlös bisher zuerst die Forderungen der Gläubigerbank bedient, da diese ja erstrangig im Grundbuch eingetragen ist. Die Hausgemeinschaft, der unter Umständen monatelange Zahlungen fehlen, geht meist leer aus. Hier schafft die Novelle Abhilfe: Nun hat die Eigentümergemeinschaft ein begrenztes Vorrecht vor Grundpfandrechten der Bank. Aus dem Erlös werden also auch die Schulden des Pleitiers an die Hausgemeinschaft bedient.

Verbesserte Information: Künftig werden alle Beschlüsse der Eigentümerversammlung beim Hausverwalter aufbewahrt. Vorteil: Neukäufer profitieren von einer gesicherten Dokumentation, die schnell über alle Vorgänge informiert.

Vereinfachte Prozesse, weniger Prozesse: Gab es Streit um die eigenen vier Wände, so sind bisher rechtliche Auseinandersetzungen immer dem besonderen Verfahren der „Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FGG) unterstellt. Diese Sonderbehandlung von Wohnungseigentum wird nun aufgehoben, es gilt auch hier die Zivilprozessordnung (ZPO), nach der meist schneller geurteilt wird. „Dies wird die Zahl der Klagen querulantischer Miteigentümer deutlich verringern“, ist sich Anwalt Hildebrandt sicher. Denn nach den FGG-Regeln bleibe jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens auf ihren Kosten sitzen, während beim ZPO-Verfahren der Unterlegene auch die Kosten des Gegners übernehmen müsse. Angesichts des deutlich höheren Kostenrisikos werde es sich ein Eigentümer also genau überlegen, so Hildebrandt, ob er wegen der Farbe des Treppenhausanstrichs oder der Mäh-Häufigkeit des Gemeinschaftsrasens vor Gericht ziehen wolle.

Weitere Informationen gibt es hier (für Nichtmitglieder teils kostenpflichtig):

Haus und Grund, Tel. 030/20 21 60,

(Internet: www.haus-und-grund.net);

Bundesjustizministerium, Tel. 01885-5800, (Internet: www.bmj.bund.de);

Verein deutscher Wohnungseigentümer, Tel. 030/650 19 00, (www.vdwe.de);

Wohnen im Eigentum, Tel. 0228/721 58 61. (Internet: www.wohnen-im-eigentum.de)

Veronika Csizi

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