zum Hauptinhalt
„Wärmepackung“. Eine Mehrzahl der rund 6,5 Millionen Eigentumswohnungen in Deutschland muss energetisch saniert werden.

© picture-alliance/dpa

Gebäudesanierung: Die Energiewende als Sanierungsfalle für Gemeinschaften

Viele Häuser sollten wärmegedämmt werden – doch wie sollen WEGs das über Jahre finanzieren?

Die Buchstaben WEG bezeichnen allem Anschein nach einen großen Makel der Energiewende von Angela Merkel. Komplett durchbuchstabiert sind das die Wohneigentumsgemeinschaften. Diese Eigentumswohnungen in kleineren oder großen Anlagen gelten unter Fachleuten aus vielen Gründen als „nicht sanierbar“. Und das summiert sich bei den ehrgeizigen Plänen, den Energieverbrauch von Wohngebäuden bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu drosseln, zu einem dicken Problem: Rund 6,5 Millionen Eigentumswohnungen gibt es in Deutschland, zu einem guten Teil modern und chic. Aber die Mehrzahl der Wohnungen stammt aus den 60er, 70er Jahren oder 80er Jahren und braucht dringend eine „Wärmepackung“. So etwas schaffen zurzeit nur Eigentümergemeinschaften mit viel Geduld und „olympischem Eifer“. Aber es geht – auch mithilfe der Investitionsbank Berlin (IBB).

Wie groß die Probleme der WEG bei einer energetischen Sanierung tatsächlich sind, ist kaum bekannt. Nicht bei denen, die in diesen unsicheren Zeiten ihre Euros lieber in eine Etagenwohnung investieren – und nicht ahnen, was noch kommen kann: die Sanierungsfalle. Sogar vielen Fachleuten und Politikern ist die Lage nicht bewusst. Bei einem Vortrag in Berlin vor Bundestagsabgeordneten habe sie „in erstaunte Gesichter geschaut“, erinnert sich Gabriele Heinrich, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied von „Wohnen im Eigentum e.V.“. Der Verbraucherschutzverband betreut und berät Wohnungsbesitzer bundesweit.

Der Verband hat mit einer Umfrage unter den WEG erhoben, wo es in der Praxis klemmt – ganz voran bei der Information. Es gibt kaum speziell gefasste Broschüren und Unterlagen für die WEG, wie sich Energiesparmaßnahmen an dem Gebäude umsetzen lassen und was sie unter dem Strich bringen. Allenfalls gibt es Fachmaterial für die WEG-Verwalter. So können in vielen Eigentümerversammlungen die Sanierungs-Skeptiker das große Wort führen und alle Energiesparpläne im Ansatz durchkreuzen.

Die nächste Hürde: Unter vielen WEG-Mitgliedern hat sich die Meinung festgesetzt, dass Kreditinstitute diese Vorhaben bei Eigentumsanlagen nicht finanzieren und Fördermittel, etwa aus dem Topf der KfW-Bankengruppe, nicht zu bekommen sind. In der Praxis stimmt das überwiegend, auch wenn es sich auf dem Papier anders liest.

In der Tat reißt sich kaum ein Geldinstitut darum, mit den WEG ins Geschäft zu kommen. Die Banken müssten sich mit jedem einzelnen Wohnungsbesitzer befassen, seine Bonität prüfen, die Konditionen aushandeln und eine Absicherung der Kreditsumme im Grundbuch verlangen. „Machen Sie das einmal bei 420 Miteigentümern“, notierte ein WEG-Verwalter bei der „Wohnen im Eigentum“-Umfrage. Schließlich wird jeder Miteigentumsanteil einzeln für sich im Grundbuch geführt, einen globalen Eintrag gibt es nicht. Große WEG haben mehr als 1000 Miteigentümer, das Olympische Dorf in München sogar 4000.

Wer nicht zahlen kann, dem droht sogar die Zwangsversteigerung

Da es selten um die ganz großen Summen geht – bei kompletten Energiesanierungen sind höchstens 20 000 bis 30 000 Euro je Eigentumsanteil aufzubringen – und die Gewinnmargen bei Immobilienkrediten nicht verlockend hoch sind, sagen viele Kreditinstitute lieber gleich „Nein“. Und damit ist faktisch der Weg zur staatlichen Sanierungsförderung abgeschnitten, weil die KfW-Mittel ausschließlich über die Geschäftsbanken ausgereicht werden.

Und schließlich: Der WEG-Verwalter und der Beirat müssen bereit sein, diese Herkules-Aufgabe zu stemmen – mit allen Wenn und Aber. Seit der Novelle zum WEG-Gesetz (2007) ist Einstimmigkeit unter den Miteigentümern nicht mehr Voraussetzung, es reicht auch eine doppelt qualifizierte Mehrheit: Es müssen drei Viertel der Miteigentümer zustimmen, die auch mindestens 50 Prozent der Wohnflächen besitzen. Dann müssen alle mitziehen.

Wenn sie es finanziell können, das ist das große Aber: „Da gibt es oft Tragödien“, warnt Gabriele Heinrich vom Verband „Wohnen im Eigentum“, und denkt an Rentner, Betagte oder Menschen mit finanziellen Engpässen. „Nicht jeder ist gleich reich, nur weil er eine Eigentumswohnung besitzt.“ Wer nicht zahlen kann bei so einem Vorhaben wie der energetischen Sanierung, dem droht am Ende sogar die Zwangsversteigerung. Warum viele WEG-Verwalter nicht so recht an die Sache wollen, erklärt sich leicht.

Was hilft? Das Bundesbauministerium hat, auf eine Kleine Anfrage der SPD hin, nur die einzelnen Bundesländer in die Pflicht nehmen wollen, mit speziellen Förderungs- oder Bürgschaftsprogrammen die WEG-Finanzierung zu stützen – was noch nicht überall funktioniert. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind öffentliche Banken eingestiegen, in Bremen die Aufbaubank. In Berlin kümmert sich die IBB um die speziellen WEG-Belange und vermittelt auch die zinsvergünstigen KfW-Kredite. Die IBB fördert die Finanzierung von Wohnungsanlagen mit dem Investitionsort Berlin zur Energiesanierung, aber auch Modernisierungen als Einzelmaßnahme und Umbauten zur Barrierefreiheit. Dabei können Kredite auch an einzelne Eigentümer für die WEG vergeben werden, die sich dann allerdings selbst bei den Miteigentümern absichern müssen. Auf eine gesamtschuldnerische Haftung der WEG wird verzichtet – unter gewissen Bedingungen auch auf eine Absicherung der Kreditsumme im Grundbuch. Das erleichtert die Kreditaufnahme erheblich.

Vom Gesetzgeber verlangt der Verband „Wohnen im Eigentum“ aber deutlich mehr. So sollen die Förderbestimmungen generell besser auf die Bedürfnisse der WEG abgestellt werden. Wegen der schwerfälligen Entscheidungsstrukturen brauchen Eigentümergemeinschaften sehr viel Zeit für den Planungsvorlauf. Oft vergehen „zwei, drei Jahre, und dann haben sich oft die Förderbedingungen schon wieder geändert“, beklagt der Verband. Außerdem sollte es leichter möglich sein, Rücklagen zum Beispiel für eine energetische Sanierung zu bilden. Und Steuervorteile, die auch als Anreiz für umweltgerechte Umbauten über viele Jahre hinweg gewährt werden, sollten vererbt oder beim Wohnungsverkauf mit veräußert werden können.

Und es muss etwas geschehen bei der Privatisierung von Wohnanlagen. Die gängige Praxis von Wohnungsgesellschaften, nicht sanierte Wohnungen an Mieter oder Kapitalanleger zu verkaufen, hat seine Schattenseite. Die meisten Käufer können gerade die Finanzierung aufbringen – um Rücklagen für eine anstehende Komplettsanierung anzusparen, reicht es in der Regel nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false