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Immobilien: Genossenschaften müssen neue Genossen schaffen Viel Service und Angebote für junge Mieter: Wie die Wohn-Gemeinschaften für sich werben

Zahlreiche Serviceangebote, von der Kinderbetreuung bis zum Sprachkurs, gezielte Werbung bei den Jüngeren und, falls erforderlich, notfalls auch Abriss: Mit diesen Mitteln wollen die bundesweit rund 2000 Wohnungsgenossenschaften sich am Immobilienmarkt behaupten. „Bei sozialen Innovationen haben Genossenschaften die Nase vorn“, sagte Lutz Freitag, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, auf einem Kongress in Berlin.

Zahlreiche Serviceangebote, von der Kinderbetreuung bis zum Sprachkurs, gezielte Werbung bei den Jüngeren und, falls erforderlich, notfalls auch Abriss: Mit diesen Mitteln wollen die bundesweit rund 2000 Wohnungsgenossenschaften sich am Immobilienmarkt behaupten. „Bei sozialen Innovationen haben Genossenschaften die Nase vorn“, sagte Lutz Freitag, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, auf einem Kongress in Berlin. Dies liege vor allem daran, dass beim genossenschaftlichen Wohnen – einer Mischform zwischen Miete und Eigentum – die Nutzer Anteile an der Genossenschaft erwerben und damit auch über soziale oder Kulturangebote mitentscheiden können.

So haben laut Freitag knapp 40 Prozent der Unternehmen bereits Begegnungsstätten für ältere Menschen, Jugendtreffs oder Kinderbetreuungsangebote eingerichtet – oft auch alles zusammen. Ebenso viele bieten ein Notrufsystem an und etwa ein Viertel aller Genossenschaften organisiert Hilfe im Haushalt. Ziel sei es, rund um das „reine Produkt Wohnung ein Netz von Dienstleistungen zu spannen“, kündigte Freitag an. Einige Unternehmen verfügten inzwischen über ein Kulturprogramm, das sich mit dem einer Kleinstadt durchaus messen könne. Andere Genossenschaften werben mit Clubräumen, Gästewohnungen, Spielzimmern, Internetzugängen oder Sprachkursen gezielt um junge Familien, Studenten und Migranten. Und der Verband sächsischer Wohnungsgenossenschaften bildet in diesem Jahr sogar erstmals Sozialhelfer aus, um Konflikten in den Siedlungen vorzubeugen. Die Genossenschaft als „Forum zum Mitmachen“: So wollen sich die Unternehmen mit ihren insgesamt rund 2,2 Millionen Wohnungen – das sind immerhin zehn Prozent aller deutschen Mietwohnungen – zukünftig am Markt positionieren.

Die Meinung, dass Genossenschaften am ehesten etwas für ältere Menschen seien, hält man beim Verband für einen alten Hut. Spezielle Angebote, wie sie etwa die 1. Wohnungsgenossenschaft Berlin Pankow im Programm hat, sollen die Wohnungen künftig in Schüler- und Studentenkreisen attraktiver machen. So bieten manche Unternehmen für Wohngemeinschaften besonders günstige Konditionen, andere setzen auf autofreies Wohnen. In Sachsen wurde eine Werbekampagne gestartet, die sich gezielt an junge Familien wendet. Denn in vielen Genossenschaften gebe es interkulturelle Familienzentren, Kindertagesstätten und Horte, heißt es beim Verband – nur sei dies leider oft nicht bekannt.

Mit neu entwickelten Lernprogrammen will man zudem bereits in der Schule Vorteile und Funktionsweise genossenschaftlichen Wohnens vermitteln. „Denn viele Jüngere“, so Hubert Scharlau, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsbaugenossenschaften des GdW, „kennen den Begriff Genossenschaft gar nicht“. Dabei können gerade Nutzer, die in jungen Jahren Anteile kaufen, im Alter viel Geld sparen: Wer etwa mit 35 einsteigt und 30 Jahre lang einen bestimmten Betrag spart, zahlt anschließend bis zu 200 Euro weniger für das monatliche „Nutzungsentgelt“.

Allerdings: Wer Anteile an einer Genossenschaft erwirbt, bindet sich. Laut Freitag beträgt die Verweildauer eines Nutzers in seiner Wohnung oft 30 Jahre und mehr. Das halten nicht alle Wohnungssuchenden für einen Vorteil. Doch auch auf die Flexibilität, die von Arbeitnehmern zunehmend gefordert wird, wollen die Unternehmen reagieren, indem sie beim Verkauf der alten und bei der Suche nach neuen Anteilen helfen. Dadurch könne, so Scharlau, in manchen Städten wie etwa München sogar schneller eine Wohnung gefunden werden als auf dem Mietwohnungsmarkt.

Doch allen Anstrengungen zum Trotz müssen die Unternehmen gerade in Ostdeutschland auch mit drastischen Maßnahmen auf den strukturellen und demographischen Wandel reagieren. Wo junge Menschen wegziehen, bleibt oft nur der Abriss. Rund 60 000 Genossenschaftswohnungen wurden in den vergangenen Jahren auf diese Weise vom Markt genommen. Dadurch konnte die Leerstandsquote auf durchschnittlich 9,3 Prozent gesenkt werden. Andernorts werden dagegen neue Genossenschaften gegründet: Nicht nur kommunale Wohnungsgesellschaften werden in Genossenschaften überführt, auch Baugruppen setzen zunehmend auf das Modell Kleingenossenschaft. „Immer mehr Menschen wollen sich engagieren und für ihr Wohnumfeld Verantwortung übernehmen“, hat Holger Kowalski, Vorstandsvorsitzender des Altonaer Spar- und Bauvereins, beobachtet.

Jutta Burmeister

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