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Promenade im Kiez. Werden die Bauarbeiten im Sommer wieder aufgenommen, könnte es im Herbst 2017 lauschig werden.

© Loomilux/Tom Hemmerich (2012)

Genossenschafts-Bauvorhaben in Berlin-Kreuzberg: Zukunft von Möckernkiez-Projekt fraglich

Seit fast neun Monaten ruht die Bautätigkeit auf dem Gelände des Gleisdreiecks. Die finanzielle Zukunft des Bauprojektes Möckernkiez ist weiterhin ungesichert. Nun wird über den Teilverkauf von Flächen nachgedacht und ein Generalunternehmer gesucht.

Es klang nicht wirklich überzeugend. „Wir sind zum Erfolg verdammt“, das erklärte Frank Nitzsche, Vorstandsmitglied der Genossenschaft Möckernkiez eG, am Mittwoch vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Seit fast neun Monaten ruht die Bautätigkeit auf dem Gelände am Gleisdreieck. Der Weiterbau des größten genossenschaftlichen Wohnungsbauvorhabens in Berlin ist im Moment fraglich. Das Prestigeobjekt schlingert.

Es sollte ein großes Vorzeigeprojekt werden, die Vorschusslorbeeren waren schon verteilt. Aber nun könnte es doch ganz anders kommen. Versuche, für das in Geldnot geratene Modellvorhaben neue Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen, haben bisher nicht zum Erfolg geführt. Jetzt wird bereits über einen Teilverkauf von Flächen nachgedacht. Bei der für den 29. Mai 2015 angesetzten Mitgliederversammlung der Genossenschaft könnte es heiß hergehen.

Umstellen auf einen klassischen Generalunternehmer

Am vergangenen Mittwoch stand das Thema Möckernkiez auf der Tagesordnung des Ausschusses im Kreuzberger Rathaus. Die Vorstandsmitglieder der Genossenschaft Karoline Scharpf und Frank Nitzsche waren geladen. Was sie auf kritische Fragen antworteten, ließ allerdings nicht unbedingt Zuversicht aufkommen. Der für kaufmännische Fragen zuständige Nitzsche versuchte wortreich, Zweifel am Gelingen des Bauvorhabens mit 464 Wohnungen zu zerstreuen: „Wir sind sicher, dass wir es schaffen. Die Schwierigkeiten sind immens. Aber alle ziehen an einem Strang.“

Die Vorstände erläuterten ihre neue Strategie. Danach sollen Bauaufträge jetzt anders vergeben werden. Nitzsche: „Wir wollen statt des bisherigen Einzelvergabeverfahrens umstellen auf einen klassischen Generalunternehmer.“ Diesen Wunsch hätten Banken als mögliche Geldgeber signalisiert. Zudem sei ein eigens bestellter Finanzberater auf der Suche nach einem Kreditinstitut, das weitere Mittel für das Projekt bereitstellt. „Die Unterlagen sollen in der nächsten Woche herausgehen“, versprach der Vorstand. Man wolle die „Fehler der Vergangenheit“ korrigieren.

Seine für die Technik zuständige Kollegin Scharpf erläuterte den Zeitplan: „Wenn die Arbeiten jetzt im Sommer weitergehen, sind wir in zwei Jahren fertig, im Sommer 2017.“ Seit dem 16. März 2015 bilden Nitzsche und Scharpf den Vorstand der Möckernkiez eG. Zuvor waren die drei weiteren Alt-Mitglieder, die bis zum Jahresende 2014 allein die Geschäfte führten, vom Aufsichtsrat abberufen worden. In diesem Gremium hatte es erst kurz vorher personelle Veränderungen gegeben. Der neu hinzugekommene Werner Landgraf, Regionalleiter bei der GLS Gemeinschaftsbank eG in Berlin, übernahm den Vorsitz.

Generalunternehmer gesucht. 464 Wohnungen sollen im Rahmen des genossenschaflichen Projektes gebaut werden.
Generalunternehmer gesucht. 464 Wohnungen sollen im Rahmen des genossenschaflichen Projektes gebaut werden.

© Loomilux

Mit der relativ schnell folgenden Abberufung der alten langjährigen Vorstände – Kritiker sprechen von einer „Entmachtung“ – sollte offenbar ein effektives Krisenmanagement versucht werden. Einige Anhänger des gemeinschaftsorientierten Wohnprojekts und einer auf die Nachbarschaft ausgerichteten Infrastruktur allerdings sahen das anders. Enttäuschte Reaktionen waren die Folge. „Nun wird es ein ganz normales Investitionsobjekt“, befürchtete eine Aktivistin, „von den alten Vorstellungen bleibt nichts mehr übrig.“

Tatsächlich gibt die Situation am Bauplatz zwischen Yorckbrücken und Möckernstraße seit Monaten Grund zur Sorge. Im Herbst 2014 wurden überraschend die Kräne an den vier Rohbauten demontiert: Baustopp. Die offenen Fensterflächen wurden mit Folien für den Winter gegen Schnee und Regen abgesichert. Schon bald flatterten zerrissene Plastikplanen im Wind. Auf dem Gelände aber tat sich nichts.

Fünfstellige Beträge zur Sicherung und Beleuchtung der Baustelle

Spekulationen über die Zukunft des Projekts machten die Runde. Große schwarze Limousinen wurden auf dem eingezäunten Areal gesehen. Als sich dann bis zum März 2015 keine neuen Geldgeber fanden und die alten Vorstände gehen mussten, wuchsen die Zweifel am Gelingen. Monatlich mussten weiterhin fünfstellige Beträge zur Sicherung und Beleuchtung der Baustelle ausgegeben werden.

Dabei war das Projekt seit der Gründungsidee im Jahre 2007 auf einem guten Kurs. Das genossenschaftliche Alternativmodell zu typischen Investorenbauten fand in Kreuzberg und darüber hinaus schnell zahlreiche Unterstützer. Der Kauf des drei Hektar großen Grundstückes in zentraler City-Lage ging dank der eingehenden Beiträge der Genossen reibungslos vonstatten. Pläne für ein weithin autofreies und gemeinschaftliches Kiezprojekt wurden geschmiedet. Auch die Einstiegseinlagen von 920 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und eine spätere monatliche Belastung von sieben bis elf Euro Kaltmiete schrecken niemanden ab.

Doch dann stiegen die Baupreise. Waren ursprünglich einmal 80 Millionen Euro Gesamtkosten eingeplant, so sind jetzt bereits dreistellige Millionenbeträge im Gespräch. Nach und nach mussten die Planer auf einzelne Bausteine – wie etwa ein sozialwirtschaftlich geführtes Hotel – verzichten. Nun soll das für den Übernachtungsbetrieb vorgesehene Grundstück verkauft werden. Ein neuer Eigentümer könnte ebenfalls ein Hotel errichten. „Das Jugendfreizeitheim und die geplante Kita werden aber kommen“, sagte Karoline Scharpf.

Werner Landwehr, der Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft, bescheinigte dem Projekt zwar „eine solide Substanz“, hat aber auch Pläne für einen Fall B in der Tasche. „Die Genossenschaft hat keinen langen Atem“, schränkte der versierte Banker ein, „aber es gibt viele Interessenten, die selbst bauen würden.“ Entgegen manchen Unkenrufen stellte er klar: „Es wird keine Bauruine entstehen.“

Bei den Anhängern der Genossenschaft überwiegt trotz der ungewissen Situation immer noch die Zuversicht auf ein gutes Ende ihres ambitionierten Vorhabens. Ein Kiezaktivist brachte es im Anschluss an die Sitzung so zum Ausdruck: „Ich bin der guten Hoffnung, dass es jetzt weitergeht. Dieses Projekt darf nicht scheitern.“

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