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Ungenutztes Potenzial. Rund 600 Hektar geeignete Flächen warten im Umfeld des BER auf Käufer und Mieter.

© imago

Gewerbeansiedlung am BER: Ready for departure

Erst einmal sollen Investoren kommen, dann gibt es auch Bebauungspläne.

BER, der Code des internationalen Dachverbandes der Fluggesellschaften IATA für den künftigen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ steht auch für eine riesige Wirtschaftsregion am und um den neuen Flughafen herum, mit gewaltigen Potenzialen.

Wer aber in den vergangenen Wochen eine der Besucherrundfahrten über den BER miterlebte, fragt sich intensiv: Was ist hier los, in dieser Geisterstadt? Der Besucherbus fährt vorbei an leer stehenden Parkhäusern, ungenutzten Gewerbeflächen und einem nicht eröffneten 4-Sterne-Hotel von Steigenberger. Kein Bauarbeiter weit und breit, der die Ruhe stört. Nur wenige Sicherheitsleute, die offenbar kaum etwas zu bewachen haben. Die Mitreisenden im Bus schweigen ehrfurchtsvoll angesichts dieses monumentalen, offenbar in Paralyse erstarrten Areals.

Ein subjektives Empfinden? Vielleicht „steppt der Bär“ und nicht nur der Berliner Bär ja im Umfeld des BER, dem Auge des Betrachters zunächst verborgen.

Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahren am und um den BER rund 130 kleine und mittelständische Dienstleistung- und Logistik-Unternehmen angesiedelt. Auch international bekannte Firmen wie Dachser, Mercedes-Benz, MAN oder Air Berlin fanden hier gute Bedingungen.

Die Stimmung ist positiv

Zwischen der südlichen Berliner Stadtgrenze und der Autobahn A 10 hat man im direkten Flughafenumfeld die Qual der Wahl unter rund 18 Gewerbegebieten, die vor Jahren schon von finanzierungsbereiten Investoren erworben wurden und bei denen das Baurecht teilweise heute schon umgesetzt wurde.

Die Stimmung bei vielen der dort eingezogenen Firmen – trotz mehrfacher gescheiterter „BERöffnung“ – überwiegend positiv. Thorsten Golm von der IHK Cottbus sagt: „Die Region entwickelt sich zwar still und leise, aber sehr positiv“. Allerdings, das Gros der ansässigen Gewerbetreibenden ist offensichtlich eher weniger flughafenaffin. Es ist die Verkehrs-Infrastruktur, die Anbindung an Straße und Schiene um den BER, was bei Unternehmen Zugkräfte ausgelöst hat.

Die Grundstückspreise und Mieten für Gebäude und Hallen sind nicht höher als andernorts an der Stadtgrenze. Käufer und Mieter zahlen derzeit (noch) keinen Flughafenbonus – mit Ausnahme des unmittelbaren Flughafenareals. Die Preisentwicklung wird auch von den Mitgliedern des Gutachterausschusses für den Landkreis Dahme Spreewald bestätigt. Demzufolge konnten sich die Bodenrichtwerte für Gewerbegrundstücke vom Index des Berliner Umlandes seit Jahren nur selten abkoppeln.

Frank Marwitz vom Logistikunternehmen Marlog, seit vielen Jahren ein ausgesprochener Kenner der Szene und als Projektentwicklungsdienstleister bestens vernetzt, bringt es auf den Punkt: Preisschübe seien vorerst nicht zu erwarten, denn die Verunsicherung von Miet- und Kaufinteressenten sei derzeit groß und damit das Interesse eher verhalten. „BER muss jetzt schnell kommen und Tegel sollte parallel dazu schließen, darauf warten alle, am und um den BER“, so Marwitz.

Zeitnahe Eröffnung könnte einen Nachfrageschub verschaffen

„Clear for take off“ ist z. B. auch der Investment- und Immobilienkonzern Segro mit einem der größten Gewerbeparks nördlich des BER. Ein Ausreißer im Vergleich zu den anderen Gewerbegebieten, denn geografisch auf Berliner Grund gelegen, hat man dort steuerliche Nachteile bei Gewerbe- und Grundsteuer. Zusätzlich erhöhte sich 2014 die Grunderwerbsteuer deutlich im Vergleich zu Brandenburg. Durch die Top-Verkehrsanbindung und mit einer „Berliner Adresse“ ausgestattet, konnten dennoch beachtliche Vermietungserfolge erzielt werden. Aktuell wurde an ein Berliner Start-up-Unternehmen die letzte freie Fläche von Phase 1 des dortigen Business Quarters vermietet. Gleichwohl wurde auch hier – wie bei den meisten BER-Gewerbegebieten – die Entwicklung der größeren Flächen noch zurückgestellt.

Rund 600 Hektar geeignete Flächen warten im Umfeld des BER auf Käufer und Mieter. Großformatige Werbeschilder gaukeln hier Aktivitäten für ein Gebiet vor, das doppelt so viel Fläche bietet wie das direkte Umland des Münchner Airports.

Eilig mit der Besiedelung hat man es wohl auch nicht besonders bei den umliegenden Gemeinden des BER. „Erst einmal sollen die Investoren kommen, dann gibt es auch die Bebauungspläne“. Das zumindest ist die Meinung eines Insiders, der nicht genannt werden möchte. Nachgefragt dagegen werden aber voll erschlossene Flächen mit Baurecht.

Verhindert diese „Patt-Situation“ vielleicht eine zügige Gewerbeansiedlung am und um den BER? Gefordert wird jetzt ein Nachfrageschub, der durch einen zeitnahen Eröffnungstermin ausgelöst werden könnte, um diese Region aus ihrem „Dämmerschlaf“ zu wecken.

Investoren müssen Mut beweisen

Uwe Tietz von Alpine Finanz Bau, seit vielen Jahren als Projektentwickler tätig und damit ein alter Hase, ist überzeugt: „Der BER wird für Berlin und Brandenburg sehr rasch eine große Bedeutung erlangen, wenn es gelingt, die bereits jetzt vorhandenen Vorteile dieser Region Interessenten zu vermitteln. Es muss eine gemeinsame Kampagne mit Flughafengesellschaft, den umliegenden Gemeinden und mit den Projektentwicklern her, um dies zu realisieren.“

Vorbei die Zeit der Eröffnungsverschiebungen. Jüngsten Verlautbarungen von Flughafenchef Hartmut Mehdorn zufolge soll ja nun nach der nächsten Aufsichtsratssitzung im April 2014 eventuell ab 1. Juli 2014 mit der Sanierung der Nordbahn eine „Teileröffnung“ erfolgen, beginnend mit allen Tests, welche die ICAO, die International Civil Aviation Organization, fordert.

Spätestens jetzt sind Investoren und Grundstückseigentümer gefordert, noch einmal Mut zu beweisen und Geld in die Hand zu nehmen, um Vorzeigbares für Gewerbeinteressenten – auch auf Vorrat – zu bauen. Hand in Hand mit Banken, die aufgerufen sind, die Kreditklemme zu lösen, um die noch nie so günstigen Kreditmittel wie derzeit bereitzustellen. Das meint Geschäftsführer Gerhard Janßen von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Dahme Spreewald.

Attraktive steuerliche Bedingungen und die heute bereits hervorragende Verkehrsanbindung in der BER-Region sind ja vorhanden. Die Wirtschaftsförderung steht darüber hinaus mit ihren gesamten Möglichkeiten für die Existenzgründung zur Verfügung, sagt Gerhard Janßen.

Bleibt zu hoffen, dass dies reicht. Larmoyanz bringe den Flughafen nicht weiter, das bestätigen alle Befragten.

Peter Sissovics

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