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Gütesiegel: Tendenz gegen null

Für energetisch effiziente Gebäude gibt es eine Vielzahl von sogenannten Gütesiegeln. Doch nicht alle haben tatsächlich Aussagekraft.

Dass öko in ist, hat mittlerweile so gut wie jeder Bauträger und Fertighausanbieter gemerkt. Entsprechend zahlreich sind die Qualitätsbegriffe und Gütesiegel, mit denen für die energetische Qualität von Immobilien jeder Art geworben wird. So groß ist die Bandbreite geworden, dass Häuslebauer und Mieter mittlerweile nur noch mit Mühe den Überblick bewahren können, was jetzt ein Bio- und was ein Passivhaus ist, was sich hinter einem „Effizienzhaus 70“ oder einem „Plusenergiehaus“ verbirgt und was Kürzel wie DGNB oder Leed bedeuten.

Zunächst gibt es die Bezeichnungen, die überzeugend klingen, in Wirklichkeit aber nicht das Geringste aussagen. Ein Ökohaus oder Biohaus zum Beispiel kann alles und nichts sein. Denn beide Begriffe sind weder klar definiert noch gesetzlich geschützt – beste Voraussetzungen also, um sie inflationär in der Werbung zu verwenden. „Beim Entwurf vom Biohaus“, schreibt beispielsweise ein Anbieter von Holzhäusern auf seiner Website, „wird darauf geachtet, dass sich die psychologischen, technischen und physiologischen Aspekte des Hauses im Einklang befinden.“ Bei solch verschwurbelten Formulierungen ist es wahrscheinlich doch besser, auf den Rat des Verbandes Privater Bauherren (VPB) zu hören, der darauf hinweist, dass sogenannte Biohäuser jeder Art „weder besonders sparsam noch besonders ökologisch“ sein müssen.

Anders sieht es mit Begriffen aus, die sich auf die nachvollziehbare energetische Qualität eines Gebäudes beziehen. Ein „Niedrigenergiehaus“ zum Beispiel ist ein Haus, das den durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) festgelegten Standard deutlich überschreitet, also weniger Energie als vorgeschrieben benötigt. Noch höher sind die Anforderungen an ein Passivhaus: Dieses kommt im Prinzip ohne Heizung und Klimatisierung aus, da es so gut gedämmt ist, dass es sich hauptsächlich durch die Sonne sowie die Wärme, die Personen und Haushaltsgeräte abgeben, beheizen lässt. Der Primärenergiebedarf (einschließlich Warmwasser und Strom) eines Passivhauses darf höchstens 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr betragen. Das sind nach Angaben des Passivhaus Instituts in Darmstadt etwa 90 Prozent weniger, als ein konventionelles Gebäude verbraucht.

Noch strenger sind die Anforderungen an das „Nullenergiehaus“: Dieses muss (zum Beispiel durch den Einsatz erneuerbarer Energien) im Jahresmittel die gesamte Energie, die es benötigt, selbst erzeugen. Sogar das „Plusenergiehaus“ ist technisch bereits machbar – 100 Prozent regenerative Energieversorgung und emissionsfreier Betrieb. Zusätzlich wird ein Plus an sauberem Solarstrom an das öffentliche Netz abgegeben.

In Zukunft werden wir uns zudem an den Begriff des „Nahezu-Nullenergiehauses“ gewöhnen müssen. Geprägt hat ihn die Europäische Kommission in ihrer 2009 verabschiedeten Gebäuderichtlinie. Von 2020 an wird jeder private Neubau in der EU, ganz gleich ob Wohnhaus oder Gewerbeimmobilie, diesen Standard erfüllen müssen – wobei bisher nicht klar definiert ist, wie viel Energie ein „Nahezu-Nullenergiehaus“ verbrauchen darf.

Auf einer anderen Ebene bewegt sich der Energieausweis, der in Deutschland bei jedem Verkauf und jeder Vermietung einer Wohnung oder eines Hauses vorzulegen ist. Der Energieausweis ist kein Qualitätsmerkmal, sondern eine Orientierungshilfe für den Nutzer. Denn er gibt lediglich an, wie hoch der Energieverbrauch der Immobilie ungefähr ausfällt.

Welche Möglichkeiten hat aber ein Vermieter oder Hauseigentümer, der dokumentieren möchte, dass er für den Klimaschutz mehr tut, als gesetzlich vorgeschrieben ist? In jüngster Zeit sind diverse Zertifikate oder Gütesiegel auf den Markt gekommen, die genau dies ermöglichen wollen. So lancierte die Deutsche Energieagentur (dena) im Herbst 2009 ihr Gütesiegel Effizienzhaus. Damit können Eigentümer, Bauträger und Wohnungsunternehmen beweisen, dass ihr Wohnhaus besonders sparsam mit Energie umgeht. Das Gütesiegel orientiert sich an den Förderstandards der KfW-Bankengruppe, die für Bauherren energieeffizienter Häuser günstige Kredite zur Verfügung stellt. Ein Eigentümer, der das Zertifikat „Effizienzhaus 70“ erhalten will, muss zum Beispiel den Nachweis erbringen, dass sein Wohnhaus nur 70 Prozent des Energieverbrauchs aufweist, den der Gesetzgeber zulässt. Das dena-Gütesiegel, das in Form einer Plakette am Gebäude angebracht wird, gibt es sowohl für Bestands- als auch für Neubauten.

Neu entwickelt worden ist auch das Wohnwertbarometer, welches das Wohnungsunternehmen Pirelli in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt erarbeitet hat und das nicht nur die ökologische Qualität von Wohngebäuden, sondern auch Aspekte wie Behaglichkeit, Erschließung und Nutzungsflexibilität beurteilt. Das Wohnwertbarometer soll sich nach dem Willen seiner Erfinder zu einem allgemein anerkannten Nachhaltigkeitsgütesiegel für den Wohnungsbau weiterentwickeln, wobei eine Zusammenarbeit mit dem Bundesbauministerium, der organisierten Wohnungswirtschaft und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) angestrebt wird. Die DGNB ihrerseits hat bereits Anfang 2009 ihr Gütesiegel auf den Markt gebracht, das bislang aber erst bei Gewerbeimmobilien Anwendung findet.

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