zum Hauptinhalt
Komplett unabhängig. Das FreiLichtHaus soll sich einmal selbst mit Strom, Wärme und frischem Wasser versorgen und in der Lausitzer Seenlandschaft vor Anker liegen.

© Fraunhofer IVI

Hausboote: Entschleunigung vor der ersten Reihe

Hausboote werden als Feriendomizil immer beliebter. Eine Alternative zum Erstwohnsitz an Land sind aber noch nicht.

Wenn Dörte Schiemang Abstand braucht, dann zieht sie sich in ihr Hausboot zurück. Es liegt an der Dahme in Köpenick und wäre mit seinen 40 Quadratmetern groß genug, um darauf zu wohnen. Allerdings bevorzugt sie als dauerhafte Bleibe ihre umgebaute Fabriketage. Dort ist einfach mehr Platz und einen Blick aufs Wasser hat sie auch.

Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Architekten Andreas Hoffmann, betreibt Dörte Schiemang die Firma Nautilus Hausboote GmbH. Vier verschiedene Modelle hat sie im Programm: das abgerundete Hausboot „Nautilus“, die kleine Version „Nautino“, „Vagabund“ mit einer großen Dachterrasse und das zweigeschossige „Ei-Home“.

Auf die Idee, Hausboote zu entwerfen, kam Andreas Hoffmann, weil er sich vor ein paar Jahren selbst ein Hausboot wünschte und mit dem Angebot, das er vorfand, alles andere als zufrieden war. Nichts entsprach wirklich seinen Vorstellungen. Deshalb beschloss er, sein schwimmendes Haus einfach selbst zu entwerfen. Inzwischen verkauft und vermietet er seine Boote. Einige Kunden erwerben auch ein Boot, um es dann zu Nautilus in die Charter zu geben. Sie erhalten 50 bis 70 Prozent der Mieteinnahmen.

Ein schwimmendes Haus unterliegt ähnlichen Vorschriften wie ein Neubau an Land

Sich von Wellen in den Schlaf schaukeln zu lassen oder von vorbeiziehenden Schwänen wecken zu lassen, klingt für viele Wasserfreunde nach dem perfekten Wohn- und Lebensmodell und bei hohen Immobilienpreisen vielleicht sogar eine Alternative zur Eigentumswohnung. Während sich in London oder Amsterdam das Hausboot bereits als Wohnform etabliert hat, ist es in Berlin noch ein Randphänomen. Die meisten Boote werden als Alternative zur Ferienwohnung genutzt. Und natürlich kann man auf einem Hausboot auch außerhalb von Berlin und Brandenburg stille Ferien genießen.

Wer lieber in Berlin bleibt, findet in der Rummelsburger Bucht die exklusive Apartmentvermietung Suite 030. Sie bietet zwei puristisch eingerichtete Hausboote an. „Etwa die Hälfte der Gäste sind Berliner, die Urlaub in der eigenen Stadt machen und Abstand vom Alltag suchen“, sagt Geschäftsführer Kolja Stegemann. Die Sportboote liegen in einem Hafen mit Blick ins Schilf. Den Schlaf stört höchstens ein schnatternder Schwan.

Die Firma Floating Houses entwirft seit 2001 Hausboote und schwimmende Häuser. Der Unterschied zwischen beiden Modellen liegt in den Genehmigungsverfahren: Während ein Hausboot in der Regel mit einem entsprechenden Führerschein als Sportboot bewegt werden darf, unterliegt ein schwimmendes Haus ähnlichen Vorschriften wie ein Neubau an Land. Das heißt, ein Bebauungsplan muss erarbeitet und eine Baugenehmigung erteilt werden. Die Häuser sind an das öffentliche Abwassersystem angeschlossen.

Ausnahme ist ein Hausboot-Projekt des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme. Mit Hilfe von Mikrofiltration und Entkeimung soll es sich einmal selbst mit Nutz- oder gar Trinkwasser versorgen und gleichzeitig das Problem der Abwasserbehandlung vor Ort lösen. Das Boot wurde diese Woche für den Design-Preis des Landes Brandenburg nominiert.

Viele Hausboote passen nicht unter Brücken hindurch

Hausboote lassen sich zwar auch bewegen, allerdings nur in einem recht geringen Radius, allein schon, weil viele zu hoch sind, um unter Brücken hindurch zu passen. Aktuell entstehen am Großen Goitzschesee bei Leipzig zehn Einfamilienhäuser mit je 120 Quadratmetern und neun Hausboote. Am Tegeler See in Berlin wird ein ähnliches Projekt realisiert.

Die Hausboote von Floating Houses liegen an Seen, Flüssen und am Meer. Die meisten sind für Feriengäste gedacht, die „noch vor der ersten Reihe“ übernachten möchten, erklärt Geschäftsführer Ulf Baither. „Die Feriengäste haben das unvergleichliche Gefühl, direkt am Wasser zu übernachten und die Marinas profitieren von den Gästen, die ihre Gastronomie nutzen.“ Viele Häfen haben in den vergangenen Jahren mit einem Rückgang an Kunden zu kämpfen. Die neue Einnahmequelle kommt ihnen daher recht.

Dass Menschen tatsächlich auf einem Hausboot wohnen, sei die Ausnahme. „Die meisten legen es sich als Zweitwohnsitz oder Kapitalanlage zur Vermietung zu“, sagt Ulf Baither. Den Wunsch von Individualisten, die sich ein Haus nach ihren Vorstellungen Wünschen anfertigen lassen wollen, kann Floating Houses nicht nachkommen. „Unsere Modelle sind weitgehend standardisiert“ sagt Ulf Baither. Das hängt mit der komplizierten Konstruktion zusammen. Mitspracherecht haben die Hausbootbesitzer aber bei Sonderausstattungen und der Inneneinrichtung.

Anfragen für die Hausboote kommen aus aller Welt.

Komplett unabhängig. Das FreiLichtHaus soll sich einmal selbst mit Strom, Wärme und frischem Wasser versorgen und in der Lausitzer Seenlandschaft vor Anker liegen.
Komplett unabhängig. Das FreiLichtHaus soll sich einmal selbst mit Strom, Wärme und frischem Wasser versorgen und in der Lausitzer Seenlandschaft vor Anker liegen.

© Fraunhofer IVI

Das ist auch bei den Hausbooten von Nautilus nicht anders. Für Architekt Andreas Hoffmann taten sich bereits bei den Baumaterialien Herausforderungen auf: Statt Rigips benutzte er wasserfeste Recyclingplatten, Holz, Aluminium und Edelstahl, die Schwimmer sind aus Aluminium oder PE-Kunststoff. Auch die Elektrik musste wegen der Feuchtigkeit auf See auf spezielle Weise verlegt werden. Einige Boote verfügen über Solarzellen, die einen Teil des benötigten Stroms herstellen. Viele haben eine Fußbodenheizung für kühle Tage. Kamin oder eine Sauna kann Hoffmann zusätzlich einbauen. Die Boote müssen im Winter nicht aus dem Wasser und können auch bei ungemütlicher Wetterlage bewohnt werden.

Inzwischen bekommen Dörte Schiemang und Andreas Hoffmann für ihre Hausboote Anfragen aus der halben Welt, sogar aus Australien. Auch in Berlin würden gerne mehr Menschen auf dem Wasser leben, ist ihre Erfahrung. Allerdings ist das wegen komplizierter Genehmigungsverfahren und limitierter Liegeplätze keine wirkliche Alternative zur Wohnung an Land. So akzeptieren die meisten Verwaltungen ein Hausboot nicht als Erstwohnsitz, das heißt, die Bewohner müssen sich gegebenenfalls bei Freunden oder Verwandten anmelden, wenn sie aufs Wasser ziehen wollen.

Wer auf dem Wasser leben will, dem darf das Klackern von Segelleinen und ein leichtes Schaukeln nichts ausmachen. An einem richtig sonnigen Wochenende kann es auch mal voll werden auf den Gewässern. Dann ist selbst Dörte Schiemang vom Knattern der Motoren genervt. Sie weiß sich allerdings zu helfen. „Sobald man nur ein paar Kilometer fährt, findet man wieder eine ruhige Stelle, an der man wunderbar entspannen kann.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false