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Vorhang zu. Um bei sommerlicher Hitze erholt aufzuwachen, reicht es nicht, sich auf die Dämmung zu verlassen.

© lzf - Fotolia

Hitze in der Wohnung: Wie Dachgeschossbewohner den hohen Temperaturen trotzen

Im Sommer kann das Wohnen unterm Dach ganz schön anstrengend sein. Berliner Mieter berichten, was sie dagegen unternehmen.

Ich koche“, sagt Vio Jaeger. Sie kann gar nicht mehr nachvollziehen, wie heiß es in ihrer Dachgeschoss-Wohnung in Prenzlauer Berg ist. „Letzte Woche zeigte mein Thermometer 40 Grad an, am Mittwoch zeigte es gar nichts mehr an, es war über dem Anschlag“, sagt die Unternehmerin. „Es ist echt wüster, als ich es mir je hätte vorstellen können.“ Jaeger überlegt, sich vor dem nächsten Sommer eine Klimaanlage zuzulegen, außerdem einen Soda-Maker. Denn sie trinkt viel, um die Hitze zu besiegen, muss aber die Wasserflaschen, mangels Fahrstuhl, fünf Stockwerke hochschleppen. Bis dahin behilft sie sich mit kalten Duschen, reibt sich mit Eiswürfeln ein. Und manchmal schläft sie draußen auf der Terrasse, auf ihrer „robusten Outdoor-Matratze“. Allerdings muss sie dann recht früh zu Bett gehen. Denn am nächsten Morgen gegen 5 Uhr weckt die Sonne sie schon wieder auf.

Im Sommer kann das Wohnen unter dem Dach ganz schön anstrengend sein. Trotz Isolierung steigen die Temperaturen in den Räumen unter Flach- und Spitzdächern schnell an. Und ein Ende ist – trotz nun wieder angenehmerer Temperaturen – nicht abzusehen: Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung werden sich sommerliche Hitzewellen bis 2020 verdoppelt und bis 2040 sogar vervierfacht haben. Um den hohen Temperaturen zu entkommen, braucht es einen kühlen Rückzugsort. Nicht nur im Sommer, auch im Frühjahr und Herbst kann die tief stehende Sonne die Wohnräume aufheizen – besonders, wenn die Wohnung nach Süden ausgerichtet ist oder große Fensterfronten hat.

„Wir haben uns über die Klima-Bedingungen im Dachgeschoss beim Kauf keine Gedanken gemacht“, sagt Bettina Schilling, die jetzt bereits über zehn Jahre in einem ausgebauten Dachgeschoss in Pankow wohnt. Was für Bettina Schilling und ihren Lebenspartner schon bei der ersten Besichtigung der Eigentumswohnung zählte, waren die ruhige Lage in einer wenig befahrenen Seitenstraße, der gute Ausblick und die hellen Wohnräume. Außerdem war die Wohnung frisch renoviert und entsprach größenmäßig genau dem, was sie gesucht hatten. Jetzt, nach zehn Jahren, hat sich die anfängliche Euphorie etwas gelegt.

„An einen guten Nachtschlaf ist nicht mehr zu denken“

„Wir sehen inzwischen, dass eine Dachwohnung auch ihre Nachteile hat, vor allem im Hochsommer bei brütender Hitze wird es unter dem Dach unangenehm. Da heizen sich die Räume so sehr auf, dass an einen guten Nachtschlaf nicht mehr zu denken ist“, sagt Bettina Schilling. Mit geschicktem Lüften am Abend, Durchzug und einem Ventilator kämpft sie gegen die Hitze an. Die Wohnung, die 1995 im Dachgeschoss eines vierstöckigen Altbaus aus den 1930er Jahren gebaut wurde, hat aber noch einen anderen Nachteil. Auch im Winter kann es nämlich unter dem Dach Probleme geben. Dann, wenn es draußen sehr kalt wird. Die Dachflächen geben trotz der Isolation Wärme ab, und dann schafft es die Heizungsanlage des Hauses nicht immer, für wohlige Wärme zu sorgen. Für diese Notfälle hat Bettina Schilling einen Radiator gekauft, um für zusätzliche Wärme zu sorgen. Häufig müssten die Heizkörper auch entlüftet werden, um zu funktionieren. Dennoch haben die Schillings ihren Kauf nicht bereut. Oben unter dem Dach zu wohnen, sei etwas ganz Besonderes, die Aussicht prima und auch ein Abendessen an warmen Sommerabenden auf dem kleinen Dachbalkon entschädigt für die Nachteile einer Dachwohnung.

Die Familie von Maria Preiss wohnt seit einigen Jahren in einem viergeschossigen Neubau aus den 1970er Jahren in Tempelhof. Die Vier-Zimmer-Wohnung im vierten Stock unter einem Flachdach ist großzügig und gut geschnitten. Die Hitze unter dem Dach halte sich in Grenzen, wahrscheinlich, weil es sich um ein bewachsenes Flachdach handele. Zwar sei es in diesem Jahr mit der Hitze schon sehr heftig, sagt Maria Preiss, aber das würde den Mietern, die weiter unten wohnen, auch nicht wesentlich anders gehen.

„Dieser Sommer toppt alles“

Das sieht Sophia Klein, deren Eltern für sie das Dachgeschoss im Schildower Eigenheim ausgebaut haben, ganz anders. „Es ist so heiß unter dem Dach, dass ich kaum Luft bekomme“, stöhnt die Studentin. „Ich mag gar nicht auf das Thermometer gucken, das macht dann alles noch schlimmer.“ Sophias Dachfenster liegen Richtung Süden, sodass ihr Zimmer spätestens am Mittag so stark aufgeheizt ist, dass sie sich im Wohnbereich der Eltern aufhält. Auch nachts gebe es momentan keine Abkühlung, selbst ein Luftdurchzug zum gegenüberliegenden Badezimmerfenster bringe keine Erfrischung. „So kuschelig meine eigene Etage sonst ist, im Sommer ist es hier kaum auszuhalten“, meint Sophia. „Und dieser Sommer toppt alles.“ Da würden auch Dämmungen und lichtabweisende Rollos nichts nützen. „Wenn es nicht bald abkühlt, ziehe ich nachts ins Erdgeschoss und schlafe auf der Luftmatratze oder ich bau’ mir eine Liege im Garten auf.“

Ein gut gedämmtes Gebäude führt im Winter und in der Regel auch im Sommer zu besserem thermischem Komfort, sagt Anton Maas, Leiter des Fachgebiets Bauphysik an der Universität Kassel: „Die Dämmung allein reicht allerdings nicht aus. Bei Fenstern muss ein guter Sonnenschutz – am besten außen – vorgesehen werden.“

Klimaanlage - ja oder nein?

Eine Hilfe zur Selbsthilfe ist die provisorische Verschattung von Fenstern von außen.
Eine Hilfe zur Selbsthilfe ist die provisorische Verschattung von Fenstern von außen.

© Michael Scholz

Genau das hat Michael Scholz in seiner Dachgeschosswohnung in Prenzlauer Berg gemacht. Er verhängte unter dem Einsatz einer Teleskopstange den Balkon und verschattete die Fensterfront von außen. Nachts öffnet er die Fenster auf Durchzug. „Ich bekomme die Wohnung auf 26 Grad Celsius“, sagt Scholz und berichtet von Kollegen, die über Innentemperaturen von 34 Grad Celsius klagten. „Man muss etwas experimentieren“, sagt der um die 50-Jährige. Seine Versuche, die Fenster mit Alufolie abzuschirmen, gingen schief:  „Das wird so etwas von heiß - das kann man gar nicht mehr anfassen.“ Scholz hat das Glück, dass er unter einem Kriechgeschoss wohnt, das mit einem Tonnendach abgeschlossen wird: Dort staut sich die Hitze – in einem unbewohnten Dachraum.

Frank Liborius Hellweg kommt gerade aus Texas zurück, wo es noch heißer ist. „Aber da haben alle eine Klimaanlage“, sagt er. Seine Freundin, die mit ihm in der Dachgeschoss-Wohnung in Neukölln lebt, würde auch gerne ein solches Gerät anschaffen. Hellweg ist dagegen. „Richtig gute Anlagen kosten ein paar Tausend Euro, die günstigen taugen nichts, so eines hatte ich schon einmal ausprobiert.“ Aber er ist auch deshalb gegen eine Aircondition, „weil es schlecht für die Umwelt ist“. Der 58-Jährige behilft sich lieber mit kalten Duschen gegen 40 Grad in der Wohnung. Außerdem überlegt er, ein Eukalyptus-Spray zu kaufen. Das solle helfen, hat er irgendwo aufgeschnappt. Insgesamt ist die Hitze kein Problem für ihn. „Die kalten Berliner Winter nerven mich viel mehr“, sagt er.

Tagsüber alle Vorhänge zu

Thomas Steffelbauer wohnt in einer Dachgeschoss-Wohnung in der Gleimstraße in Prenzlauer Berg. „Wenn es draußen über 30 Grad sind, wird es schon heiß in der Wohnung“, sagt der gebürtige Österreicher. Auch nachts sei es dann manchmal so „stickig“, dass er sich feuchte Handtücher auf den Körper legt oder mit Eiswürfeln gefüllte Waschlappen, vor allem auf den Hals. Steffelbauer hat sich mehrere Linderungsmaßnahmen überlegt: Auf der Terrasse hat er ein Sonnensegel installiert, manchmal hängt er ein feuchtes Tuch in die Balkontür. Tagsüber zieht er alle Vorhänge zu, lässt die Dachfenster aber gekippt, damit eine Brise hereinwehen kann. Zusätzlich lässt er alle Türen offen, damit Durchzug entsteht. Außerdem helfen kalte Duschen, sagt er, ohne Abtrocknen. Vor allem im Schlafzimmer sei es um die Mittagszeit herum extrem warm. „Da setze ich tagsüber keinen Fuß rein“, sagt er. An einen Auszug denkt Steffelbauer nicht, er ist mit seiner Wohnung sehr zufrieden. „Ich brauche Licht.“ Allerdings hat er sich überlegt, im nächsten Jahr einen Ventilator anzuschaffen.

Jürgen Lohner* hat vorgebeugt: „Ich habe alle Süd- und West-Fensterflächen von außen mit Verschattungen versehen, die ich schon am Morgen herunterlasse. Da es sich um den Neuausbau des Daches handelt, habe ich in allen Räumen außer den Bädern eine Kühldecke einbauen lassen.“ Diese sorge für eine angenehme und geräuschlose Kühlung, da die Kälte sozusagen von der Decke fällt. In Gipsplatten integrierte Kapillarrohrmatten sind die Basis des innovativen Systems. Der Temperaturunterschied zwischen innen und außen sei umso größer, je wärmer es ist, sagt Lohner. Er hatte bei einer Außentemperatur von über 32 Grad Temperaturen zwischen 25 und 27 Grad in der Wohnung. Das sei „recht angenehm“, findet er.

„Wirkliche Abkühlung bringen nur Klimaanlagen“

Justin und Melanie Glaser* leben in einer Dachgeschoss-Wohnung in Prenzlauer Berg. „Morgens geht es“, sagt Melanie Glaser. „Weil wir nachts gut lüften können.“ Das frisch vermählte Ehepaar lässt dann die Schlafzimmertür, die von der Wohnküche abgeht, offen und stellt in beiden Räumen die Kippfenster weit auf, sodass Durchzug entsteht. Im Laufe des Tages werde es dann heißer, sagt Melanie Glaser. „Um 16 Uhr herum ist der Höhepunkt erreicht.“ Die Familie mit Kleinkind weiß sich zu helfen: Sie gehen dann einfach raus.

Der Berliner Mieterverein erhält zurzeit viele Anfragen zum Thema Hitzeschutz.  „Wirkliche Abkühlung bringen nur Klimaanlagen, mit den negativen Folgen hoher Einbaukosten, umweltschädlicher Kältemittel und Erkältungsrisiken“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. „Wichtig wäre, zumindest im Neubau zukünftig auf wirksamen Schutz vor Wärme zu setzen. Für den Gebäudebestand sind es kleine Maßnahmen: keine Bäume fällen, Markisen an Balkonen, Außenjalousien und Fensterläden. Der Senat sollte in sein neues Modernisierungsförderprogramm den Hitzeschutz einbeziehen.“

Für Lynn Marquard* käme das zu spät: Sie ist aus ihrem Dachgeschoss am Südstern in Kreuzberg schließlich ausgezogen. Zwar könne man als Erwachsener bei 30 Grad Celsius im Schlafzimmer einfach später schlafen gehen, sagt sie: „Aber mit Kindern geht das nicht.“ Und die mobile Klimaanlage sei keine wirkliche Lösung gewesen. Durch die Dachnotausstiegsluken aus Plastik sei es zusätzlich heiß geworden. Marquards wohnen jetzt im 1. Stock – mit Außenrollos. Hier können sie wieder in Ruhe schlafen.

*Namen von der Redaktion geändert.

Tipps für Mieter: www.berliner-mieterverein.de/aktuell/der-aktuelle-mietrechtstipp-hitze-mietwohnung.html

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