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Immobilien: Höhere Preise gegen den Markt

Der neue Mietspiegel wird kommende Woche veröffentlicht. Schon heute steht fest: Er erlaubt Grundeigentümern Mieterhöhungen trotz Rezession und Immobilienkrise

DIE RECHTE VON VERMIETERN UND VON MIETERN

DER VERMIETER ist nach Miethöhegesetz berechtigt, die Miete für seine Immobilie auf das allgemeine, am Ort übliche Niveau anzuheben. Wie dies zu erfolgen hat, steht seit September 2001 in Paragraph 558 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Demnach darf eine Miete innerhalb von drei Jahren um 20 Prozent erhöht werden. Nach jeder Mieterhöhung muss der Vermieter 15 Monate abwarten bis zur nächsten Anhebung. Diese Frist gilt auch nach dem Einzug neuer Mieter. Die Obergrenze für Mieterhöhungen ist die Vergleichsmiete. Dem Gesetz zufolge sind das Mieten, „die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind.“ Daher muss der Eigentümer mindestens drei vergleichbare Wohnungen in der Umgebung oder dem eigenen Haus benennen, wo die Wunschmiete bereits gezahlt wird. Eine Mieterhöhung kann auch durch ein Sachverständigen-Gutachten, durch den Mietspiegel oder eine Mietdatenbank (in Berlin nicht vorhanden) begründet werden.

DER MIETER kann dem Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung verweigern. Dann muss ein Gericht über das Anliegen des Vermieters entscheiden. Der Mieter sollte vorher prüfen, ob die Erhöhung rechtmäßig ist und diese im Zweifelsfall ablehnen. Dies ist dann möglich, wenn die Vergleichsmiete – diese ist beispielsweise dem Mietspiegel zu entnehmen – um 20 Prozent überschritten wird. Eine Erhöhung gilt auch dann nicht, wenn ein Verwalter nicht die Kopie einer Originalvollmacht des Eigentümers beilegt oder nicht alle Vermieter der Erhöhung zugestimmt haben. Ungültig sind Erhöhungen mit dem Verweis auf Vergleichsmieten oder Modernisierungen, wenn eine Staffelmiete oder eine Indexmiete abgeschlossen wurde. Bei der Staffelmiete vereinbaren Mieter und Vermieter eine regelmäßige Erhöhung des Preises für einen Zeitraum von meist mehreren Jahren. Bei der Indexmiete steigt der Zins mit der Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Diese ermittelt das Statistische Bundesamt regelmäßig. In beiden Fällen ist bestenfalls eine jährliche Anpassung zulässig. Erhöht der Vermieter den Zins auf das Niveau der Vergleichsmiete, dann kann der Mieter kündigen.

Eine gute Übersicht der Rechtslage bietet das Finanztest Spezial Heft „Mietrecht“. Im Internet enthält die Website Links zu anderen wichtigen Info-Adressen: www.finanztest.de (Steuern+Recht/Recht im Internet).

Hartmann Vetter ist verärgert: „Ein Bausenator der SPD hat sich auf die Seite der Vermieter geschlagen“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, „und Peter Strieder wird einen Mietspiegel nach deren Geschmack veröffentlichen.“ Aus Protest verließ Vetter ebenso wie Vertreter von Mieterschutzbund und Mietergemeinschaft den Verhandlungstisch, bei dem Kriterien für einen neuen Mietspiegel für Berlin gefunden werden sollten.

Vetters Weigerung, weiter mit zu reden, ist eine eher politische Geste. Verhindern kann er damit den neuen Mitspiegel nicht. Dem Gesetz nach kann die Gemeinde auch im Alleingang einen Mietspiegel erstellen. Und der gilt dann auch. Hauptsache die Daten sind wissenschaftlich erhoben und verabeitet. So wird Peter Strieder vermutlich am 27.März den neuen Mietspiegel, der von Grundeigentümern gerne als Beweismittel zur Begründung von Mieterhöhungen herangezogen wird, im Alleingang vorstellen.

Bei dem Streit geht es darum, wie außergewöhnlich hohe und außergewöhnlich niedrige Mieten in dem neuen Mietspiegel berücksichtigt werden. Dass solche ungewöhnlichen Mietverträge bei der statistischen Auswertung ausgeschlossen werden müssen, darüber herrscht Einigkeit. Nur, wie viele besonders billige und besonders teure Verträge unberücksichtigt bleiben sollen, darüber gibt es keine Einigkeit.

Klar aber ist, dass es künftig weniger Ausnahmen geben wird: Im neuen Mietspiegel werden in vielen Feldern nur noch ein Fünftel der besonders teuren und besonders billigen Mietverträge ausgeschlossen. Dagegen wurde bisher ein Drittel aller „Ausreißer“ von der Ermittlung der meisten Durschnittsmieten ausgenommen. Die zusätzlichen, neu erfassten teuren Verträge erhöhen den Spielraum für Mieterhöhungen, weil dadurch der ortsübliche Oberwert im Mietspiegel steigt.

Applaus von den Vermieterverbänden und Buhrufe von Vertretern der Mieterinteressen sind schon sicher. Denn anders als die empörten Mietervereine werten die Vorstände von Haus und Grund und vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen die knapp zweijährige statistischen Auswertung von Berliner Mietverträgen als gelungen: Denn der neue Mietspiegel wird überwiegend höhere Mieten verzeichnen als vor zwei Jahren.

Das ist allerdings sehr verwunderlich, denn Makler und Hauseigentümer klagen schon lange darüber, dass die rückläufige Nachfrage nach Wohnungen sie zu Nachlässen bei den Mietpreisen zwingt. Immobilieneigentümer dürften sich also freuen, denn mit dem Hinweis auf den neuen Mietspiegel könnten sie zumindest den Nutzern von attraktiven Wohnungen in begehrten Lagen eine Mieterhöhung zuschicken: Und der Spielraum für die Preiserhöhungen wird im neuen Mietspiegel nicht gerade moderat ausfallen. Bei Altbauten im Ostteil der Stadt steigen die Preise im Schnitt um 10,4 Prozent und sogar bei Plattenbauten um immerhin zehn Prozent. Das sind allerdings nur Durchschnittswerte. In einzelnen Feldern – jedes Feld gibt durchschnittliche Preise für vergleichbare Immobilien in ähnlichen Lagen und mit gleicher Ausstattung an – vergrößert sich der Spielraum für Mieterhöhungen um 1,37 Euro pro Quadratmeter und Monat gegenüber dem bisher gültigen Mietspiegel. Das ist ein Plus von rund 27 Prozent. Für Wohnungen im Westen werden Vermieter bis zu 93 Cent mehr verlangen können als früher.

Christa Fluhr, Sprecherin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen kann die Aufregung beim Mieterverein nicht vestehen. Sie sagt: „Wenn jemand eine Superwohnung hat, muss er dafür auch mehr bezahlen.“ Dies sei bisher, insbesondere im Ostteil der Stadt, nicht der Fall gewesen. Der deutliche Anstieg der Preise im Mietspiegel trage der Tatsache Rechnung, dass inzwischen viele Immobilien renoviert und saniert seien. Auch im Westen der Stadt weise der neue Mietspiegel zwar insgesamt höhere Durchschnittsmieten aus. Doch in Einzelfällen, einem Drittel aller Felder, seien die Preise gesunken. Viele Nutzer von Immobilien, die vergleichbar seien mit den jeweiligen Referenzobjekten in dem entsprechenden Feld, müssten also keineswegs mit Mietpreiserhöhungen rechnen.

In dasselbe Horn stößt Dieter Blümel, Sprecher von Haus und Grund: „Die Mietervereine haben eine Einigung an einer Erhöhung um fünf Cent scheitern lassen“, sagt er. Blümel zufolge wollten die Vermieter ein Berechnungsmodell durchsetzen, das zu einer Durchschnittsmiete in Berlin von 5,24 Euro pro Quadratmeter und Monat geführt hätte. Nach dem Modell der Mietervertreter wäre man auf einen Mittelpreis von 5,16 Euro pro Quadratmeter und Monat gekommen. Die Wissenschaftler, die den Mietspiegel und die Berechnungsmethoden erstellten, hätten einen Kompromiss vorgeschlagen: 5,21 Euro pro Quadratmeter und Monat. Darauf hätten sich die Vermieter eingelassen, so Blümel, die Mieter hätten sich dagegen quergestellt.

„Das sind doch alles Nebelkerzen, weil die den Hals nicht voll kriegen“, ätzt Mietervereins-Chef Vetter. Die Durchschnittswerte hätten keine Aussagekraft. Sie ließen außer acht, dass in Einzelfällen die Preise von Wohnungen mit dem Hinweis auf den neuen Mietspiegel um bis zu 1,37 Euro pro Quadratmeter und Monat erhöht werden könnten. Davor müsse man die betroffenen Mieter schützen. Und deshalb habe er den Verhandlungstisch verlassen. „Denn der neue Mietspiegel vollzieht einen Systemwechsel“, sagt Vetter, „und er verstößt dabei auch gegen die Empfehlungen des Bundes zur Erstellung von Mietspiegeln.“

Was Vetter mit dem Systemwechsel meint, ist die veränderte Erhebung von Daten bei der Herstellung des Mietspiegels. Der Hintergrund: Der Mietspiegel besteht aus zwei Preisübersichten, eine für den Ostteil der Stadt und eine für den Westteil. Beide Tabellen setzen sich aus Feldern zusammen. Jedes Feld gibt Auskunft über den niedrigsten, den mittleren und den obersten Mietpreis für Wohnungen eines bestimmten Baujahres, mit einer bestimmten Ausstattung und in einer bestimmten Lage.

In dem bisher noch gültigen Mietspiegel, der kommende Woche durch den neuen ersetzt wird, flossen zur Ermittlung der Durchschnittspreise in den meisten Feldern nur zwei Drittel aller Mieten bestehender Verträge ein. Keine Berücksichtigung fanden dabei die als nicht üblich im Sinne des Gesetzes gewerteten Mietverträge: mit Preisen für die ganz billigen und die sehr teuren Wohnungen. Diese Verträge, so die Begründung, verfälschen deshalb das Bild, weil sie nicht ortsüblich sind. Ein Beispiel für solche Ausreißer sei die Eigentumswohnung eines Vaters, der die Immobilie seinem noch studierenden Sohn für ein geringes Entgelt überlässt. Ebenso wenig ortsüblich sei eine luxuriös sanierte Penthouse-Wohnung mit Sauna, die nach Wünschen des Nutzers ausgebaut und von diesem für viel Geld teuer gemietet wird.

Zwar heißt es bei der Senatsverwaltung für Bauen, dass die nun größere Zahl der erfassten Mietverträge „den Markt in Gänze“ besser wiederspiegele. Doch Tatsache ist auch, dass es am Markt wesentlich mehr überdurchschnittlich teure als überdurchschnittlich billige Mietverträge gibt. Dadurch treibt die neue Bemessungsgrundlage auch die Durchschnittswerte im Mietspiegel zusätzlich nach oben, obwohl die Vermieter in Berlin seit Jahren weniger Geld für ihre Immobilien erhalten. Jedenfalls ist die Nachfrage nach Wohnungen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nach Auffassung vieler Makler und Vermieter rückläufig. Und die große Zahl leer stehender Wohnungen – mehr als 100000 nach Angaben der Bauverwaltung – drücke zusätzlich auf die Preise.

Kurz, obwohl die Mietpreise in den vergangenen zwei Jahren nicht stiegen, erweckt der neue Mietspiegel diesen Eindruck, weil er einen größeren Ausschnitt des Marktes wählt, um daraus Mittelwerte zu erstellen. Das ist zumindest die Position des Mietervereins: „Die Vermieter haben den Systemwechsel durchgesetzt, weil sie mehr Geld für ihre Wohnungen haben wollen“, so Hartmann Vetter. „Das war einfach eine Machtfrage.“

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