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Vor dreizehn Monaten wurde die Neubebauung des Holzmarktgeländes auf einem Bürgerfest mit einem Windspiel eingeläutet. Geplant sind Wohnungen, Ateliers und Werkstätten für Künstler und Handwerker.

© imago

Holzmarktgelände: „Wir gehen da ganz naiv ran“

Auf dem Holzmarktgelände entsteht ein Soziotop für Berlins Kreative. Eine Ortsbesichtigung.

Mit Besuchern setzt sich Andreas Steinhauser gern in die Pampa. Die kleine Strandbar am Spreeufer hat jeden Tag außer montags von mittags bis Mitternacht geöffnet. Wer dort im Schatten eines Sonnensegels auf den Ledersitzen Platz nimmt und den Blick übers Gelände schweifen lässt, kann erahnen, wie das Holzmarktareal vielleicht später einmal aussehen wird. Windspiele klimpern leise im Lufthauch, im Hochbeet, eingezäunt von Paletten und Holzlatten, reifen die Erdbeeren heran. Zur friedlichen Kulisse gehört die träge dahinfließende Spree, deren Wasser im Sonnenlicht glitzert.

Seit gut zwei Jahren setzt sich Andreas Steinhauser, genannt Steini, für das Projekt am Holzmarkt ein. Wenn die Pläne seiner Mitstreitern von der Holzmarkt-Genossenschaft aufgehen, wird es hier auf der 12 000 Quadratmeter großen Fläche zwischen S-Bahnhof Jannowitzbrücke und der Leitzentrale der Berliner Wasserbetriebe irgendwann einen lebendigen Kiez geben – offen für alle, mit Platz zum Arbeiten, Mitgestalten und Ausruhen. „Es geht um den Ausgleich zwischen Kreativität und Kapital“, heißt es in einer Werbeschrift der „Genossenschaft für urbane Kreativität“, die mit der Holzmarkt plus eG und dem Grundstückseigentümer entscheidet, wer hier Bauherr werden darf: Sie gründen eine Betreibergesellschaft – und wählen Partner, die neben Professionalität und Erfahrung auch neue Ideen einbringen sollen.

In der Pampa haben die Bauarbeiten schon begonnen: Bagger schieben Berge von Kies vor sich her, lose aufgestellte Metallzäune markieren die Grenze zwischen Brache und eigentlicher Baustelle. Was hier gerade entsteht, soll einmal das Herz des neuen Holzmarktareals sein: Das Dorf setzt sich laut Plan aus zwei größeren Hallen und mehreren kleinen Hütten zusammen. Musiker und Künstler können dort ihr Tonstudio oder ihr Atelier einrichten, ein Kindergarten ist geplant, Bäckereien, Bioläden und andere Gewerbetreibende sollen hier ihren Platz finden. Zusätzlich stehen für das Dorf noch ein Restaurant, ein Gästehaus und ein neuer Club auf dem Plan. Das aber alles der Reihe nach. „Wir lassen uns nicht hetzen“, sagt Andreas Steinhauser und lehnt sich in seinem Ledersitz zurück. „Dafür gibt es auch gar keinen Grund.“ Teil des Konzepts sei es schließlich, die Dinge entstehen zu lassen: „Ein Dorf entwickelt sich mit der Zeit. Die Pampa ist ein erster Schritt.“

„Eckwerk“: Kreativzentrum und Wohnhaus in einem

Das Holzmarktgelände wurde von der Schweizer Stiftung Abendrot von der BSR im Bieterverfahren erworben. Der Grundstücksverkauf wurde am 2. Oktober 2012 notariell beglaubigt. Anschließend hat die Kater Holzig-Gruppe (ehemalige Betreiber Bar 25) das Gelände in Erbbaupacht als Holzmarkt plus Genossenschaft für 99 Jahre übernommen.

Nördlich des Dorfes will die Holzmarkt-Genossenschaft das „Eckwerk“ errichten, eine Art Kreativzentrum und Wohnhaus in einem. Noch parken dort in dem großen Hof neben der S-Bahn-Brücke die Wagen eines Autoverleihers, Bauarbeiter werkeln an einem Holzgerüst. Ein düsterer, mit Holzlatten verkleideter Container dient Steinhauser und seinen Kollegen als provisorisches Büro. „Steini“ selbst hat mehrere IT-Start-ups gegründet, auch darum schlägt sein Herz besonders für das Eckwerk: Einerseits soll es Forschern, Gründern und Kreativen die Möglichkeit geben, ihre Ideen zu verwirklichen. Auf der anderen Seite sollen hier Wohnräume geschaffen werden für rund 500 Studenten – das alles zu niedrigstmöglichen Mietpreisen.

Wie viel der Quadratmeter im Eckwerk letztendlich kosten wird, kann Andreas Steinhauser als einer der Geschäftsführer der Eckwerk Entwicklungs GmbH zwar noch nicht sagen. Doch die Mieten sollen sich an den Möglichkeiten der Bewerber orientieren. „Dazu stehe ich“, versichert er. Die Frage, nach welchen Kriterien Wohn- und Arbeitsräume vergeben werden, ist noch offen. Vermutlich wird es dafür ein Gremium geben, das Projekte auswählt, die nach Einschätzung der Genossenschaft sinnvoll und nachhaltig sind. „Wir werden StartUps anziehen mit der besten Idee und den schönsten Visionen“, schwärmt Steinhauser. „Das ist einfach eine riesige Chance für uns, aber auch für die Stadt Berlin.“

Holzmarkt-Planer wollen auf dem Dach Fische züchten und Gemüse anbauen

Bis Ende des Jahres möchten die Holzmarkt-Planer den Bauantrag stellen. Dann könnte das Eckwerk im Jahr 2017 stehen. Das Ergebnis der für die Planung gewonnenen Berliner Architektenbüros Kleihues + Kleihues und Graft nennt Steinhauser „sensationell“: Aus fünf einzelnen auf Sockeln gebaute Türmen fügt sich das Eckwerk zusammen, verbunden durch ein filigranes Glasdach. Die neungeschossigen Türme sollen zu großen Teilen aus Holz bestehen (der Tagesspiegel berichtete am 26. April).

Holz sei ein idealer Baustoff, findet Steinhauser: „Holz wiegt nicht viel, es bindet CO2 und es lässt Flexibilität zu, um etwas umzubauen oder auch einfach nur einen Haken irgendwo anzubringen.“ Auf dem 2000 Quadratmeter großen Dach wollen die Holzmarkt-Planer Tilapia-Fische züchten und Gemüse anbauen, um damit das Restaurant und die Kantine zu beliefern.

So verrückt manche Ideen der Holzmarkt-Aktivisten klingen mögen, so engagiert forschen sie nach deren Umsetzung. „Wir gehen da ganz naiv ran und überlegen mit gesundem Menschenverstand: Wie funktioniert das?“, erklärt Andreas Steinhauser. Derzeit tüftelt er an einem Lichtkonzept, das es ermöglichen soll, auch im Hausinneren essbare Pflanzen anzubauen. „Warum die Innenbeleuchtung nicht so denken, dass es möglich ist, im Wohnzimmer Gemüse anzubauen?", fragt sich „Steini“. In einem kleinen Gewächshaus am Rande der Pampa probiert er verschiedene Pflanzsysteme aus. Gleich daneben stehen in einem Container Plastiktonnen. Darin schwimmen Goldfische Proberunden.

Als Gesprächspartner für mögliche Kooperationen werden die Holzmarkt-Genossenschaftler durchaus ernst genommen. Die Berliner Wasserbetriebe sind interessiert an einem gemeinsamen Energiekonzept, eine Flotte aus Elektrofahrzeugen ist in Planung – an Ideen mangelt es den Holzmarktler und ihren potentiellen Partnern nicht. Alles sei machbar, sagt Andreas Steinhauser: „Wir haben hier nichts absurd Utopisches vor.“

Weitere Informationen unter: www.holzmarkt.com; www.gukeg.de

Alena Hecker

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