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Immobilien: Im Zeichen der Privatisierung

Bund, Länder und öffentliche Einrichtungen galten lange als die besseren Vermieter. Doch damit ist es inzwischen vorbei. Denn der Druck zum Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände zwingt auch sie, höhere Erträge zu erwirtschaften.

Die Mieterin in der Dreipfuhl-Siedlung war perplex. Auf ihrem Tisch lag die Klage des Hauseigentümers. Der Inhalt: Sie habe einer Mieterhöhung nicht zugestimmt – dabei hatte sie das längst getan. Gezahlt hatte die Mieterin die höheren Beträge ebenfalls seit Monaten. Da sie sich keiner Schuld bewusst war, zog sie vor Gericht – und verlor. Der Grund: Der Hauseigentümer wollte die schriftliche Zustimmung zur Mieterhöhung nie erhalten haben. Und da die Mieterin das Schriftstück nicht als Einschreiben oder Fax versandt hatte, konnte sie eine erfolgreiche Zustellung auch nicht beweisen.

Der Vermieter war das Bundesvermögensamt. Dessen großer Vorteil: Als Einrichtung des Bundes muss es keine Gerichtskosten bezahlen. Dass dies die rasche, nicht mal angekündigte Klage erklären könnte, weist man beim Amt zurück. Dort spricht man von einem Einzelfall. Und auch beim Mieterverein heißt es: Nutzer von Wohnungen, die im Eigentum der Öffentlichen Hand stehen, waren bislang sogar besser aufgehoben als bei privaten Vermietern. Doch bei Bund und Land sowie bei der Bahn und deren Töchtern ändert sich zurzeit vieles – und das nicht immer zum Vorteil des Mieters.

„Die Freiheit von Gerichtskosten gibt es seit kurzem nicht mehr“, sagt Sprecher Helmut John. Das Bundesvermögensamt habe nämlich umfirmiert. Und seitdem das Amt nun „Bundesimmobilienanstalt“ heißt, muss diese nun auch Gerichtskosten bezahlen. „Den Klageweg werden wir aber natürlich auch weiter beschreiten, wenn jemand seine Miete nicht zahlt“, schickt John noch schnell hinterher. Und noch ein neues Signal scheint die Bundesanstalt gleich nach ihrer Gründung geben zu wollen: Vergangene Woche wurde die Thielecksiedlung verkauft, sagt John. Die Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände geht also auch auf Bundesebene weiter. Auch wenn der Bundestag noch seine Zustimmung zu diesem Geschäft geben muss.

Und darin liegt auch der eigentliche Trend, der bei den meisten Immobilienverwaltern der Öffentlichen Hand bestimmend ist: „Es werden flächendeckend Maßnahmen ergriffen, die Mieterhöhungen möglich machen“, sagt Michael Häberle vom Berliner Mieterverein. Ursache hierfür sind die allenthalben geplanten Verkäufe. Hintergrund: Der Verkaufspreis von Immobilien wird auf Grundlage der Mieterträge ermittelt. Dabei gilt der Grundsatz, je höher die Mieten sind, desto besser der Verkaufspreis.

Wenn die Wohnungen erst einmal verkauft sind, dann müssen die Mieter mit höheren Kosten rechnen. Zumindest bei Bundesbeständen. Denn aufgrund seines umfangreichen Grundeigentums erhielt der Bund oft „Mengenrabatt“ beim Einkauf von Rohstoffen und Dienstleistungen für den Betrieb der Wohnungen. Ein privater Eigentümer ist nicht immer in dieser bevorzugten Lage. „Deshalb müssen die Mieter mit höheren Wohnnebenkosten nach dem Verkauf der Siedlungen rechnen“, so Häberle vom Mieterverein.

Ganz im Zeichen der Privatisierung steht auch das Management von Wohnimmobilien durch die Bahn. Die Eisenbahnsiedlungsgesellschaft mit mehreren hunderttausend Wohnungen ist bereits seit einigen Jahren verkauft an Investoren. Die nun privatisierte Firma verwaltet auch weiterhin das Wohneigentum, das noch im Eigentum des Bahnkonzerns steht – genau genommen dessen Tochter „Bundeseisenbahnvermögen“. Diese besitzt in Berlin und den neuen Ländern um gut 10000 Wohnungen. Doch auch diese sollen in den kommenden Jahren verkauft werden.

Besonderheiten bei der Verwaltung der Wohnungsbestände hatte es nach Angaben der Leiterin der Dienststelle Ost vom Bundeseisenbahnvermögen schon vor der Privatisierung nicht gegeben: „Die Eisenbahnsiedlungsgesellschaft hat wie jede privatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft operiert, auch als sie noch im Eigentum des Konzerns stand“, sagt Ursula Plite. Und dadurch seien die Mieter von Bahnwohnungen ähnlich gestellt gewesen wie die Nutzer von Wohnungen anderer privater Gesellschaften – ein ganz normales Mietverhältnis eben.

Einige Vorzüge gab es jedoch schon: Da es sich um Dienstwohnungen handelte, waren Kündigungen so gut wie ausgeschlossen. Und Mieterhöhungen hielten sich in Grenzen. Die Vorzüge dieser Verträge bleiben den langjährigen Mietern in die Regel auch nach einem Eigentümerwechsel erhalten. Bei der Privatisierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen werden meistens weit reichende Vereinbarungen zum Mieterschutz getroffen.

Einen besonderen Status, zumindest formell, genießen dagegen die Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. „In den Satzungen der Unternehmen steht, dass sie breite Bevölkerungsschichten und Haushalte mit geringen Einkommen mit Wohnungen versorgen sollen“, sagt die Sprecherin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Und dies wirke sich auch in Gestalt eines behutsameren Umgangs mit Mietschuldnern aus. Im Übrigen seien landeseigene Wohnungsunternehmen aber „ganz normale Vermieter“. Es würden dieselben Rechtsregeln wie für private Firmen gelten.

Doch auch eine Privatisierung muss nicht immer gleich zu Nachteilen für die Mieter führen. Im Gegenteil, einstweilen wirkt sich der selbst erklärte Wille zur Renditemaximierung sogar heilsam aus. Weil die neuen, privaten Eigentümer oft dieselbe Verwaltung mit weniger Personal bewältigen wollen, kommt es schon mal dazu, dass Verlangen nach Mieterhöhungen oder Modernisierungen nicht gerichtlich durchgesetzt werden – weil die verbliebenen Mitarbeiter die vielen Aufgaben einfach nicht bewältigen können.

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