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IMMOBILIEN Frage: Wenn es zu spät ist, gilt es nicht An Michael Schultz Rechtsanwalt und Notar in Berlin

Fristversäumnisse des Vermieters halten oft als Kündigungsgrund her. Die Gerichte sind uneins

Ich habe Geschäftsräume gemietet, möchte den Vertrag aber vorzeitig kündigen. Dies soll dann möglich sein, wenn die Schriftform nicht eingehalten wurde. Mein Vermieter hat mir kürzlich einen Nachtrag zum Vertrag zugeschickt. Habe ich in diesen Zusammenhang eine Chance, ihm einen Formfehler nachzuweisen?

Das kommt darauf an, wann Ihnen der vom Vermieter unterzeichnete Nachtrag zugesandt wurde – und vor allem, wie viel Zeit zwischen den beiden Unterschriften verstrichen ist. Das Kammergericht (KG 8 U 129/06) hat nämlich kürzlich die Ansicht vertreten, dass ein zuerst vom Mieter unterzeichneter Nachtrag zu einem Gewerbemietvertrag, der zwar wenige Tage nach Zugang vom Vermieter unterzeichnet, aber erst elf Tage später an den Mieter zurückgesandt wird, nicht formgerecht vereinbart ist.

In dem entschiedenen Fall hatten die Parteien eines gewerblichen Mietvertrags mit fester Laufzeit mehrere Nachträge vereinbart. Der letzte davon war zwar vom Vermieter rechtzeitig gegengezeichnet worden, allerdings schickte dessen Hausverwaltung das Schreiben zu spät los. Der Mieter setzte daraufhin das Mietverhältnis – ohne dies ausdrücklich schriftlich zu erklären – zwar zu den veränderten Bedingungen des Nachtrags fort. Mehr als ein Jahr später kündigte er dann aber vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit – unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform durch die verspätete Zusendung.

Das Gericht entschied, dass die Beendigung des Mietvertrags zulässig war. Durch den späten Zugang der Nachtragsvereinbarung gilt diese nämlich gemäß Paragraf 150 Absatz 1 Bundesgesetzbuch als neuer Antrag. Nach Ansicht des Kammergerichts müsste sie deshalb wiederum schriftlich vom Mieter angenommen werden – auch wenn der den Nachtrag ja bereits als Erster unterschrieben hatte. Tut er das nicht, unterzeichnet das verspätet zugegangene Schriftstück also nicht ein weiteres Mal und nutzt die Mietsache weiterhin, dann nimmt er das neue Angebot zwar an, wahrt aber eben nicht die gesetzliche Schriftform. Der Vertrag kann dann gekündigt werden.

Sie sollten also prüfen, wann Ihnen der Nachtrag zugegangen ist und welche Zeitspanne zwischen Zugang der Angebotsunterschrift und Zugang der Annahmeunterschrift liegt. Ist diese Zeitspanne länger als zehn Tage, so könnte das die Kündigung möglich machen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob ein trotz verspäteter Annahmeerklärung vollzogener Vertrag schriftformgerecht ist, noch nicht abschließend entschieden. Und ob der BGH die Entscheidung des Kammergerichts akzeptieren wird, ist fraglich, denn auch ein anderes Oberlandesgericht, das OLG Hamm, hat anders entschieden und dabei an den gesunden Menschenverstand appelliert: Kein Bürger würde verstehen, so das Gericht, warum eine Partei den Vertrag zweimal unterschreiben müsste, um die Schriftform zu wahren – warum also die erste Unterschrift des zuerst Unterzeichnenden nicht ausreicht.

An Michael Schultz

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