zum Hauptinhalt

Immobilien: Wohneigentum gegen Altersarmut

Die Bauwirtschaft ruft nach Vater Staat für mehr Unterstützung bei selbstgenutzten Immobilien.

Der Bau von Eigentumswohnungen in Berlin hat scheinbar weiter Konjunktur. Vor allem in Mitte und Prenzlauer Berg entstehen zahlreiche meist teure Wohnungen. Doch das Bild der sich drehenden Kräne trügt – die Neubautätigkeit in Berlin ist äußerst gering: Im Jahr 2008 wurden lediglich 3833 Einheiten fertig gestellt. Nicht viel anders sieht es auf Bundesebene aus: In ganz Deutschland wurden 2008 rund 150 000 Wohnungen errichtet, während es im Jahr 1994 noch 500 000 waren. Das sei viel zu wenig, finden mehrere Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft, die seit längerem mit ihrer Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ eine Steigerung der Neubauaktivitäten verlangen. In einem neuen Argumentationspapier sprechen sie sich jetzt für eine stärkere staatliche Förderung von Wohneigentum aus.

„Wir brauchen einen adäquaten Ersatz für die Eigenheimzulage, der vor allem jungen Familien zugute kommt“, sagt Walter Rasch, Vorsitzender des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und früherer Berliner Schulsenator für die FDP. Nach seinen Angaben wirkte sich die Abschaffung der Eigenheimzulage im Jahr 2005 auf die Baubranche ausgesprochen negativ aus. Die Zahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser sank demnach in Deutschland von Ende 2005 bis Ende 2009 um 39 Prozent, die von Eigentumswohnungen um 16 Prozent.

Allerdings verlangt auch Rasch nicht die – politisch ohnehin chancenlose – Wiedereinführung der Eigenheimzulage. Vielmehr spricht er sich dafür aus, den sogenannten Wohn-Riester attraktiver zu gestalten. Seit 2008 kann die Riester-Förderung auch für selbstgenutztes Wohneigentum eingesetzt werden. Neu, so schlagen Rasch und seine Mitstreiter vor, soll die Förderung auf vermietete Wohnimmobilien ausgeweitet werden. „Wer seine Immobilie über ,Wohn-Riester‘ erworben hat, muss sie bei einem berufsbedingten Wohnortwechsel entweder wieder verkaufen oder Förderbeträge zurückzahlen“, kritisiert Rasch. „Das ist in der heutigen Arbeitswelt, die von den Menschen viel Mobilität verlangt, absurd.“

Hintergrund der Debatte ist die im internationalen Vergleich niedrige deutsche Eigentumsquote von 43 Prozent. In der Hauptstadt wohnen sogar nur 14 Prozent der Haushalte in den eigenen vier Wänden, womit Berlin Schlusslicht aller Bundesländer ist. Eine Steigerung wäre nach Ansicht Raschs nicht zuletzt sozialpolitisch sinnvoll: Wohneigentum, sagt er, könne helfen, Altersarmut vorzubeugen und so das soziale Sicherungssystem zu entlasten.

In ihrer Forderung nach mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand fühlen sich die Verbände durch eine Erhebung bestätigt, bei der die Prognos AG und das Allensbach Institut für Demoskopie 1800 Personen in Deutschland befragten. Das Ergebnis fasst die Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“ so zusammen: „Die Deutschen wünschen sich mehr staatliche Unterstützung, um den Traum vom Eigenheim verwirklichen zu können.“

Diese Interpretation der Umfrageergebnisse erscheint jedoch etwas kühn. Denn nur 38 Prozent der Befragten sprechen sich für eine Ausweitung der staatlichen Bauförderung aus. Das bedeutet: 62 Prozent sind unentschieden, halten den jetzigen Stand für ausreichend oder sind gar für eine Verringerung der Förderung. Anders ist das Bild allerdings, wenn direkt nach der Wiedereinführung der Eigenheimzulage gefragt wird: Dafür sprechen sich 65 Prozent der Befragten aus. 39 Prozent derjenigen Personen, die ein Eigenheim kaufen oder bauen wollen, geben zudem an, sich diesen Traum nur mit staatlicher Hilfe erfüllen zu können.

Öffentliche Mittel verlangen die Verbände – darunter neben dem BFW auch die Industriegewerkschaft Bau, der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau – ebenfalls für den Mietwohnungsbau. Hier sprechen sie sich für die Wiedereinführung der „degressiven AfA“ aus. Das hieße, Investoren könnten in den ersten fünf Jahren nach Fertigstellung der Immobilie jährlich vier (statt zwei) Prozent der Erstellungskosten steuerlich geltend machen. Auf jeden Fall gelte es, die massive Wohnungsbaulücke“ in Deutschland zu schließen, sagt Prognos-Projektleiter Michael Böhmer. Sonst drohe nicht nur in den Ballungsräumen eine zunehmende Wohnungsknappheit.

Doch diese These ist umstritten. „Das ganze Gerede von Wohnungsknappheit ist Unsinn“, sagt Harald Simons vom Forschungsinstitut Empirica. In dem Anfang dieses Monats herausgegebenen „Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2010“ des Rates der Immobilienweisen weist Simons darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren Wohnraumnachfrage und Neubautätigkeit praktisch im Gleichschritt entwickelten. Ausnahmen gebe es in einigen wenigen Regionen wie München, Freiburg und Heidelberg, wobei die Wohnungsknappheit dort hauptsächlich die Folge lokaler Entscheidungen – zum Beispiel Verknappung des Baulands und hohe ökologische Auflagen – sei.

„Der – von wenigen Ausnahmeregionen abgesehen – insgesamt ausgeglichene Wohnungsmarkt“, scheibt Simons im Gutachten, „dürfte Forderungen nach neuen Wohnungsbausubventionen zur Erhöhung des Wohnungsbauvolumens chancenlos bleiben lassen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false