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Für viele Ältere führt kaum noch ein Weg zum eigenen Haus.

© imago/Eckhard Stengel

Immobilienkredite: "Wer keine Kinder hat, bekommt keine Chance"

Angehörige der Generation 50plus kommen nur schwer an ein Darlehen zum Kauf einer Immobilie. Und es soll noch schwerer werden, jedenfalls wenn es nach dem Ausschuss für Finanzstabilität geht.

Anleger flüchten in Betongold, Hunderttausende Flüchtlinge müssen untergebracht werden. Die Zahl der Baugenehmigungen steigt und steigt – ein Indiz dafür, dass die Bautätigkeit auch in den kommenden Monaten intensiv bleibt. Zwar profitieren strukturschwache Regionen nicht von der Entwicklung. Aber sonst?

Aber sonst scheint es doch vor allem Gewinner zu geben: Die Banken, die Kredite vergeben, zum Beispiel. Von April bis Juni vergaben Kreditinstitute nach Angaben der Bundesbank 3,8 Prozent mehr Immobilienkredite als im Vorjahreszeitraum. Folglich hat auch die Bauindustrie alle Hände voll zu tun: Die Betriebe meldeten im ersten Halbjahr ein Orderplus von 21,3 Prozent und eine Umsatzsteigerung von 16,8 Prozent. Verkäufer von Wohneigentum dürfen sich über hohe Verkaufspreise freuen, Hausbauer über niedrige Bauzinsen.

Wie aber ist es um die „Silver Ager“ bestellt, die im Alter von 50 oder 55 Jahren und mehr ihre Altersvorsorge mithilfe einer neu erworbenen –  oder neu gebauten – Immobilie absichern wollen?

"Gern werden die Kinder in die Absicherung mit einbezogen"

„Für ältere Menschen hat sich die Finanzierung von Wohneigentum seit März deutlich erschwert“, sagt Immobilienmakler Nikolaus Ziegert, Geschäftsführer der Ziegert – Bank- und Immobilienconsulting in Berlin. „Wer heute 55 ist, muss in der Regel wenigstens 40 Prozent des Immobilienwertes selbst finanzieren, um überhaupt ein Darlehen zu bekommen. Hinzu kommen Tilgungsraten von wenigstens drei Prozent und gern werden die Kinder in die Absicherung mit einbezogen. Wir haben jedenfalls Fälle, bei denen die Bank auch die Einkommensnachweise der Kinder haben wollte, bevor sie ihre Zusage gegeben hat.“

Die Finanzbranche warnt bereits davor, dass verschärfte Bestimmungen die Vergabe von Immobilienkrediten bremsen könnten. Wie berichtet, müssen die Institute seit Ende März die Kreditwürdigkeit von Kunden genauer prüfen. Zwar haben Verbraucherschützer bislang keine Hinweise, dass Kreditwünsche im großen Stil abgelehnt werden. Doch mehrere Sparkassenverbände vermeldeten einen Einbruch der Immobilien-Darlehenszusagen um zehn bis zwanzig Prozent im zweiten Quartal. „Was vom Gesetzgeber als Verbraucherschutz gedacht ist, verhindert tatsächlich in vielen Fällen eine wirksame Altersvorsorge“, sagt Ziegert.

Eine eigene Immobilie dagegen kann zu gesicherten Lebensverhältnissen beitragen und ein Abrutschen in die Sozialhilfe verhindern.

Die Gesetzeslage könnte sich nun aber – nicht nur für Immobilienkäufer ab 50 – weiter verschärfen. Während ältere Menschen durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Deutschland bereits erhebliche Schwierigkeiten haben, Immobilienkredite zu erhalten, könnten nun geplante Maßnahmen der makroprudenziellen Aufsicht die Lage verschärfen. Als makroprudenziell wird die Überwachung der Stabilität des Finanzsystems im Gesamten bezeichnet.

„Sie wären ein weiterer Hemmschuh für die Kreditvergabe“, sagt auf Anfrage Rüdiger Mrotzek, Vorsitzender des Ausschusses Finanzierung im Zentralen Immobilien Ausschuss ZIA, der zu den großen  Dachverbänden der Branche gehört. „Neue Verschärfungen sind so kurz nach der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie viel zu übereilt.“ Was genau ist geplant?

Obergrenze für die Relation von Gesamtverschuldung und Einkommen

In einem 25-seitigen Papier empfiehlt der Ausschuss für Finanzstabilität weitere Regeln für die Darlehensvergabe bei Wohnimmobilien. Der beim Bundesministerium der Finanzen errichtete Ausschuss befürwortet zum Beispiel „eine Obergrenze für den Schuldendienst aus allen Darlehensverpflichtungen eines Schuldners im Verhältnis zu seinem Einkommen, bzw. seinem Mittelzufluss, die die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Darlehens senken kann“. 

Zweitens empfiehlt er „eine Obergrenze für die Gesamtverschuldungs-Einkommens-Relation, die die Summe aller Verbindlichkeiten eines Schuldners in Relation zu seinem Einkommen bzw. seinem Mittelzufluss“.

Durch diese Obergrenzen soll die Wahrscheinlichkeit privater oder gewerblicher Insolvenzen verhindert werden, die das Finanzsystem, respektive dessen Stabilität ins Wanken bringen könnten. In die Trickkiste wollen die Regulierer auch eine Obergrenze für den Quotienten aus dem gesamten Fremdkapitalvolumen einer Wohnimmobilienfinanzierung und dem Marktwert der als Sicherheit verwendeten Wohnimmobilien packen.

Dadurch sollen die Banken abgesichert werden –  auch durch die „Vorgabe eines Zeitraums, innerhalb dessen ein bestimmter Bruchteil eines Darlehens spätestens amortisiert werden muss bzw. bei endfälligen Darlehen, die Vorgabe einer maximalen Laufzeit“. Es sollen Höchstbeträge für Darlehen festgelegt werden, Obergrenzen für Fremdkapitalfinanzierungen undsoweiterundsofort.

Zum Empfehlungspaket gehört es verständlicherweise, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um die Daten von gewerblichen Darlehensgebern „zu Analyse- und Überwachungszwecken“  zu erheben. Ohne angemessene Sanktionen „bei Nichteinhaltung von Beschränkungen“ geht es natürlich nicht im Finanzsystem.

Im Widerspruch zum marktwirtschaftlichen Prinzip

Das Bundesfinanzministerium in der Berliner Wilhelmstraße.
Das Bundesfinanzministerium in der Berliner Wilhelmstraße.

© Mike Wolff

Zwar stehen derartige Eingriffe „im Widerspruch zum marktwirtschaftlichen Prinzip der Zusammengehörigkeit von Ertrag und Risiko“, so reflektiert der Ausschuss in seinem Empfehlungsschreiben. Doch Vater Staat könnte eben auch in Zugzwang kommen. Vielleicht ist er dort schon mit seiner Wohnimmobilienkreditrichtlinie angelangt.

„Seit der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie erlebe ich in der Bankenlandschaft eine spürbare Verunsicherung der Bankberater“, sagt auf Anfrage Ralph Kinnart, Relationship Manager bei B&K Vermögen in Köln: „Banken und Sparkassen haben häufig interne, signifikant voneinander abweichende Richtlinien, die die Gesetzeslage übererfüllen und Finanzierungen für bestimmte Kundengruppen – zum Beispiel über 55 Jahre –  fast unmöglich machen.“

Selbst gut verdienende Kunden würden aufgefordert, die Volltilgung des Immobiliendarlehens vor Eintritt des Rentenalters zu erfüllen.

Abschläge von 30 bis 50 Prozent vom Verkehrswert

Um nur nichts verkehrt zu machen, schießen Banken und Sparkassen schon einmal über das Ziel hinaus, so ist aus der Branche zu hören: Unbelastete Immobilien, geringe Beleihungsausläufe und hohe, freie Depotvermögen werden mit Verweis auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zur Verärgerung der Kunden gar nicht erst berücksichtigt.

Schon jetzt werden Beleihungswerte drastisch gekürzt, Abschläge von 30 bis 50 Prozent vom Verkehrswert können als „normal" angesehen werden. Davon werden dann noch maximal 80 Prozent bewertet. Selbst gut verdienende Kunden werden aufgefordert, die Volltilgung des Immobiliendarlehens vor Eintritt des Rentenalters zu erfüllen.

Kreditnehmer ab 55 (und auch schon früher) müssen laut den Richtlinien der Banken in der Lage sein, entweder das Immobiliendarlehen vor Renteneintritt vollständig zu tilgen oder ausreichende Renteneinkünfte zu beziehen. Dabei wird aber häufig über das Ziel hinausgeschossen: Unbelastete Immobilien, geringe Beleihungsausläufe und hohe, freie Depotvermögen werden mit Verweis auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht berücksichtigt - zur Verärgerung der Kunden.

Nicht nur auf die Hausbank verlassen

„Wichtig ist, sich bei der Suche nicht allein auf die eigene Hausbank zu verlassen, sondern sich an freie Finanzierungsmakler zu wenden“, rät Carsten Wachter von der Azemos Vermögensmanagement in Offenburg. Die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Kreditgebern erhöhe die Chance auf eine positive Kreditentscheidung auch in der Altersgruppe 55plus.

Die börsennotierte Comdirect Bank AG würde „einem Kunden mit 55 Jahren ein Annuitätendarlehen anbieten, kein Bauspardarlehen, kein Versicherungsdarlehen“, sagt Unternehmenssprecherin  Sandra Fohlmeister. Entscheidend bleibe, wie hoch der Kunde tilgen möchte und ob er sich die Immobilie aktuell und später im Rentenalter leisten könne. „Sind diese Punkte positiv geklärt, gibt es keine Einschränkungen“, so Fohlmeister.

Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, versteht den Gesetzgeber. Der habe sich eben Verbraucherschutzgedanken gemacht und das sei doch nicht schlecht, sagt er auf Anfrage und hat einen Tipp parat:  Das – vielleicht sogar neu errichtete – Haus einfach an einen externen Erwerber verkaufen und sich dann lebenslanges Wohnrecht einräumen lassen. Oder, so ein zweiter Gedanke: „Die Kinder bauen ihren Eltern das Haus und vertrauen auf das Erbe. Wenn sie keine Kinder haben, dann haben sie aber natürlich keine Chance.“

Andreas Görler, Senior Wealth Manager bei der Pruschke & Kalm in Berlin, weist auf die Problematik hin, „wenn innerhalb des Rentenbezuges eine Kreditverlängerung ansteht“.

Noch problematischer allerdings dürfte es für alle Beteiligten im Todesfalle werden, die Comdirect Bank einmal ausgenommen. Denn hier geht das Leben der Immobilie nach dem Tod des Kreditnehmers weiter: „Sofern die Erbfolge geregelt ist, kann der Kunde auch nach Vorprüfung über das Renteneintrittsalter hinaus finanzieren.“

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