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Wohin? Mietwohnungen sind besser für die Integration der Flüchtlinge und billiger als ein Heim. Aber es kann auch Probleme beim Zusammenleben geben.

© imago/CommonLens

Integration im Alltag: Steine des Anstoßes – und wie man sie wegräumt

Altmieter und Flüchtlinge in Charlottenburg brauchen Lösungen fürs Zusammenleben. Ein roblem ist die Abfalltrennung.

Die Zuwanderung der Flüchtlinge nach Deutschland stellt das ganze Land auf eine Probe. Von der Regierung ganz oben bis nach ganz unten im privaten Bereich. So in einem Berliner Mietshaus. „Wir wohnen seit Jahrzehnten in einer Altbauwohnung in Charlottenburg. In den letzten Jahren wurden durch Umzug und Tod Wohnungen frei. Man hat sie in unregelmäßigen Abständen teilsaniert, dann standen sie wieder leer. Jetzt werden sie nach und nach mit Flüchtlingen belegt“, schreibt eine Leserin an den Tagesspiegel.

Mit den neuen Bewohnern seien Probleme eingezogen: Neben den Mülltonnen stünden Sperrmüll und Tüten mit Essensresten. Häufig würden Unbekannte klingeln, um sich die Tür öffnen zu lassen. Einmal bemerkte eine Altmieterin einen seltsamen Geruch, ging in eine offen stehende Wohnung und fand glühende Herdplatten vor. „Da kriegste Schiss“, sagt die Leserin, die im Hinterhaus wohnt und einen langen Fluchtweg hätte.

„Es ist ja wunderbar, wenn leere Wohnungen belegt werden. Durch die blöde Organisation aber entsteht Ärger, der nicht sein müsste“, sagt sie. Die Sorgen der Frau überschneiden sich nämlich mit einem anderen Problem: Der Vermieter hatte allen Mietern bereits gekündigt. Die wehrten sich und konnten im Haus bleiben. Allerdings fühlen sie sich nun zu Wohlverhalten verpflichtet und möchten ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

Trotzdem möchten sie das Problem gelöst sehen und haben dazu schon einiges unternommen. Die BSR würde wohl mehr Mülltonnen zur Verfügung stellen – wenn der Vermieter diese bestellen würde. Mieter dürfen das nicht. Inzwischen ist in dieser Beziehung „ein Wunder geschehen“, berichtet die Mieterin: „Die BSR hat ein großes wetterfestes Plakat aufgehängt mit Symbolen, wie man den Müll trennt – und Zettel in sechs Sprachen, außerdem Hinweise auf die Sperrmüllabfuhr.“ Trotzdem fragt die Frau: „Gilt die übliche Hausordnung? Gibt es dazu Übersetzungen? Wer ist nun für die Flüchtlinge zuständig?“

Der Vermieter ist dafür verantwortlich, dass die Hausordnung eingehalten wird

Vermittelt hatte die Wohnung das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF). Es ist im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales tätig und prüft Preis und Größe der Wohnungen sowie die Eignung als Unterbringung. Zuständig für eine weitere Betreuung der Flüchtlinge aber ist es nicht. „Das sind ja freie Menschen. Es ist völlig klar, dass die ihren Weg allein gehen“, sagt EJF-Sprecherin Julie von Stülpnagel. „Aber die Frage ist berechtigt, wie die Eingliederung geschehen kann.“

Rein rechtlich ist der Vermieter dafür verantwortlich, dass die Hausordnung eingehalten wird, informiert Inka-Marie Storm vom Verband Haus & Grund. „Wenn sich ein Mieter regelwidrig verhält, muss der Vermieter ihn auffordern, sich an die Regeln zu halten.“ Was aber, wenn die neuen Mieter die Regeln gar nicht kennen? „Mietverträge in allen möglichen Sprachen vorzuhalten, würde den Rahmen ein bisschen sprengen“, sagt Storm. Man müsse prüfen, ob man den Vertrag in diesem konkreten Fall übersetzen lässt. Gut wäre es aber auch, im Miteinander einen Weg zur Lösung der Probleme zu finden.

Das geht wahrscheinlich nicht ohne Übersetzer oder Sprachmittler – und die sind im Moment Mangelware. Das räumt der Bezirksstadtrat für Gesundheit und Soziales in Charlottenburg-Wilmersdorf, Carsten Engelmann (CDU), ein. Er verweist auf die Deutschkurse, auf die jeder anerkannte Asylbewerber ein Anrecht hat. Auch Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive können, noch bevor sie anerkannt sind, solche Kurse besuchen. Im konkreten Fall könnten sich die Mieter an die Ehrenamtskoordination im Bezirk wenden. Kontaktadressen findet man auf der Homepage des Bezirks unter „Service/Ehrenamt“. Weitere Ansprechpartner hat der Tagesspiegel zusammengestellt

"Aus den Steinen, die im Weg liegen, kann man auch etwas Schönes bauen"

„Insgesamt reißt der Strom von Ehrenamtlichen nicht ab, auch wenn ich in Gesprächen gewisse Ermüdungserscheinungen merke“, sagt Carsten Engelmann. Im Moment arbeite der Bezirk daran, die bisher nur losen Verbände der Initiativen besser zu vernetzen und Handlungsrichtlinien für sie zu erstellen. Ein erster Workshop mit den Beteiligten habe bereits stattgefunden.

Eine dieser Initiativen ist „Willkommen im Westend“. Julia Ferro hat von Anfang an darin mitgewirkt und bietet in dem konkreten Fall ihre Hilfe an. „Probleme im Zusammenleben mit den Flüchtlingen sollte man auf jeden Fall ansprechen“, sagt sie. „Wenn man die Menschen ernst nimmt, bedeutet das auch, dass sie sich darum kümmern, wie es mit den Nachbarn geht.“ Zu sagen „die kommen alle aus dem Wald und haben keine Ahnung, wie man sich benimmt“, sei nur eine umgekehrte Form von Rassismus.

Julia Ferro sieht es als die beste Möglichkeit an, miteinander ins Gespräch zu kommen. Um solche Gespräche gut zu führen, hat sie eine Ausbildung zur Demokratieberaterin bei der Diakonie gemacht. Eine Studie des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung hatte nämlich ergeben, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unter Kirchenangehörigen relativ weit verbreitet ist. Hier wollte die Kirche gegensteuern.

Ferro sieht den Weg, dass sich die Bewohner des Hauses miteinander solidarisieren und sich nicht vom Hausbesitzer auseinanderdividieren lassen, falls das seine Absicht war. „Aus den Steinen, die im Weg liegen, kann man auch etwas Schönes bauen“, fasst sie es in ein Bild.

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