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Immobilien: Investitionen mit Risiken und Nebenwirkungen

Grundeigentümer in den Neuen Ländern müssen weiterhin mit jüdischen Restitutionsansprüchen rechnen

Dreizehn Jahre nachdem Familie Maier (Name geändert) das Wohnhaus in der Lychener Straße, im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg, aus der staatlichen Verwaltung der früheren DDR zurückbekommen hatte, musste sie es wieder hergeben. Der rechtmäßige Eigentümer, so befand das Gericht, ist die Jewish Claim Conference (JCC). Diese hatte ihre Ansprüche auf die Immobilie geltend gemacht, weil das Objekt während des Naziregimes von einem jüdischen Berliner an die Eltern der heutigen Familie Maier verkauft worden war. Familie Maier musste das Grundeigentum zurückgeben.

Fälle wie diesen wird es in den neuen Bundesländern auch in Zukunft noch häufiger geben: Rund 30000 Eigentümer von Ost-Immobilen, viele davon im Ostteil Berlins, könnten noch völlig überraschend Post von der JCC erhalten und aufgefordert werden, Grundeigentum an die JCC zurückzugeben. Deren Ansprüche gelten grundsätzlich auch dann, wenn das Vermögensamt zuvor mitgeteilt hatte, dass kein Restitutionsbegehren bestanden hat.

Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in der vergangenen Woche die so genannte Globalanmeldung der JCC als teilweise rechtmäßig anerkannt (Az.: BVerwG 7C8.03). Damit kann das JCC auch in den kommenden Jahren noch eine Rückgabe des Grundeigentums von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus durchsetzen, von dem bisher niemand mehr etwas gewusst hatte.

Für Käufer und Eigentümer von Grundstücken in den Neuen Ländern ist deshalb Vorsicht geboten. „Der verfolgungsbedingte Vermögensverlust wird in nahezu allen Fällen anerkannt, und das JCC verlangt dann fast immer die Rückgabe der Grundstücke“, sagt Rechtsanwalt Gunnar Schnabel. Wer nicht riskieren will, Geld und Arbeit bei der Sanierung einer möglicherweise durch eine restitutionsbelastete Immobilie zu verlieren, müsse in „detektivischer Höchstleistung“ die früheren Eigentumsverhältnisse überprüfen.

Wie viele Liegenschaften betroffen sind, lässt sich heute noch nicht sagen. JCC-Deutschland-Direktor Karl Brozik sagte auf Anfrage, das Urteil bestätige den Anspruch der Claims Conference als Nachfolgeorganisation für erbenloses und nicht beanspruchtes jüdisches Vermögen. Die JCC müsse nun jedoch anhand von Quellenverzeichnissen, auf die sie bei der Globalanmeldung verwiesen habe, den Namen des jüdischen Eigentümers oder das beanspruchte Grundstück belegen. Dieser Nachweis sei aufwändig, weil die JCC nach Beweismitteln in einer großen Anzahl von Dokumenten und Archiven fahnden müsse.

Die Spurensuche ist in vollem Gange

„Bei ihrer Globalanmeldung hat die JCC einen ganzen Ordner voller Hinweise auf entsprechende Quellen und Verzeichnisse eingereicht“, sagt JCC-Deutschland-Direktor Karl Brozik, „auf deren Grundlage kann der erforderliche Nachweis erbracht werden.“ Darunter seien nicht nur leicht zugängliche Dokumente wie beispielsweise Steuerbescheide, sondern unter anderem auch Adressbücher oder Zeitungsinserate jüdischer Firmen, sofern diese Namen und Anschrift jüdischer Eigentümer enthielten.

JCC-Deutschland-Chef Brozik bestätigte Berichte, wonach 30000 Anträge noch nicht beschieden seien. Die an die JCC restituierten Immobilien würden verkauft und die Einnahmen sozialen Projekten zugunsten von Opfern des Holocaust zugeführt. Bisher seien für diesen Bestimmungszweck rund eine Milliarde Euro erwirtschaftet worden; in Zukunft könnten weitere 200 bis 250 Millionen Euro durch die „präzisierten“ und restituierten Grundstücke noch hinzukommen. Bei den verbleibenden Fällen handle es sich jedoch nicht mehr um große zusammenhängende Grundstücke, sondern eher um kleinere Objekte. Dies mache die Arbeit der JCC aufwändiger und langwieriger.

Berlin Mitte besonders betroffen

Nach Angaben von Rechtsanwalt Schnabel waren nach der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren zahlreiche Immobilien besonders in den Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg von jüdischen Berlinern erworben worden. Bei deren Verfolgung und Vertreibung durch das Nazi-Regime nach der Machtergreifung 1933 seien diese Liegenschaften in vielen Fällen „verfolgungsbedingt veräußert“ worden. Die dabei geschlossenen Kaufverträge enthielten oft Hinweise auf die früheren Eigentümer.

So sei in manchen Schriftstücken beispielsweise die Rede von diskriminierenden Abgaben wie die Entrichtung einer „Reichsfluchtsteuer“ oder anderer dubioser „devisenrechtlicher Bestimmungen“. In solchen Fällen könne man jüdische Alteigentümer voraussetzen; die verzeichneten Zwangsabgaben seien in aller Regel direkt vom „Erlös“ des erzwungenen Grundstücksgeschäfts abgezweigt und deshalb in den Kaufverträgen festgehalten worden.

Auch wenn Immobilieneigentümer im Osten bisher noch keine Post von der JCC oder von einem Vermögensamt erhielten, bedeutet dies noch keine Entwarnung. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bleiben die Restitutionsansprüche bis zur Durchsicht aller genannten Dokumente und Archivmaterialien bestehen. Denn eine zeitliche Begrenzung, bis wann die „Individualisierung“ der Ansprüche zu erfolgen habe, legte das Gericht nicht fest.

Die Ansprüche der JCC seien auch dann nicht verwirkt, wenn deutsche Alteigentümer oder deren Erben das Grundeigentum bereits weiter verkauft hatten. Dann könne das JCC die Erstattung des Kaufpreises durch den Verkäufer verlangen. Der Käufer des betroffenen Grundstücks ist dagegen aus dem Schneider, weil er die Liegenschaft im guten Glauben erworben hatte, dass dieses lastenfrei war.

Keine Rückgabe sehe das Gesetz auch in solchen Fällen vor, wo heute Straßen über das Grundstück führen oder Einrichtungen wie Schulen oder Polizeigebäude dort gebaut wurden, weil dann öffentliches Interesse Vorrang habe. Ebenso wenig von dem Urteil betroffen seien Grundstücke, die nach Investitionsvorranggesetz verkauft worden waren. Dieses Gesetz galt bis 2001 und sollte verhindern, dass Restitutionsansprüche den wirtschaftlichen Aufbau im Osten behindern.

Was aber geschieht, wenn deutsche Bürger zwischen 1933 und 1945 jüdisches Grundeigentum zum Verkehrswert kauften, die Erben die Immobilie nach der Wiedervereinigung übertragen bekamen und kräftig in die Sanierung investierten? „Dann tritt ein kompliziertes, aber gerechtes Verfahren in Kraft“, sagt JCC-Direktor Brozik: „Das Grundeigentum bekommt das JCC, doch Kaufpreis und Investitionen werden den Arisierern zurückerstattet.“

Der damalige Kaufpreis, der in Reichsmark gezahlt worden war, wird im Verhältnis 20 zu 1 zunächst in DM umgerechnet, knapp die Hälfte dieses Betrags ist dann die Summe, die an den zwischenzeitlichen Eigentümer in Euro ausgezahlt wird. Das Wohnhaus in der Lychener Straße beispielsweise war 1935 für 135000 Reichsmark erworben worden; dies entsprach dem damaligen Verkehrswert. Familie Maier erhält also rund 3451 Euro vom JCC. Die Immobilie hat heute einen Verkehrswert von etwa einer Million Euro.

Im Fall der Lychener Straße verläuft der Ausgleich der Investitionen indes nicht gar so reibungslos: Die Bank verlangt von Familie Maier immer noch Annuitäten für einen Immobilienkredit, den die Familie zur Sanierung des Hauses aufgenommen hatte und dessen Zinsen bisher von den Mieteinnahmen bezahlt wurden. Die Bank habe argumentiert, so Rechtsanwalt Schnabel, die Maiers seien nun einmal ihr Vertragspartner, auch wenn die Immobilie nicht mehr ihr Eigentum sei.

Dies sei grob rechtswidrig, so der Rechtsanwalt, weil das Vermögensgesetz (Paragraf 16 Absatz 9) ausdrücklich eine gesetzliche Übernahme der Schulden durch den JCC geregelt sei. Dessen ungeachtet habe das zuständige Geldhaus ein privates Konto und ein Wertpapierdepot der Familie Maier pfänden lassen. Nun hoffen die Betroffenen, dass die Jewish Claim Conference die auf dem Haus lastenden Schulden übernimmt, weil der ausgezahlte Kreditbetrag den Wert des Hauses erhöht hat.

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