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Immobilien: Jetzt fehlt nur noch ein Elch

Seit Anfang der 90er Jahre entsteht im brandenburgischen Borkwalde eine Holzhaussiedlung nach skandinavischem Vorbild

Zwischen hohen Kiefern leuchten Holzhäuser in kräftigem Rapsgelb, sattem Moosgrün, verschiedenen Blautönen und in Faluröd – dem für Schweden-Häuser typischen erdigen Rot. Vor einigen Häusern hängt die blau-gelbe schwedische Nationalfahne träge in der Sonne. Nur ein Elch, der taucht nicht auf, denn die bunten Häuser stehen nicht in den Wäldern Mittelschwedens, sondern auf märkischem Sand in der Gemeinde Borkwalde, rund eine Autostunde süd-westlich von Berlin.

Mitten in dem seit 100 Jahren bei Berlinern beliebten waldreichen Erholungsgebiet entstanden in den letzten zehn Jahren 30 Hektar Mittelschweden. „Europas größte Holzhaussiedlung“ heißt es in dem Werbeprospekt. Doch auch ohne diesen Superlativ hebt sich die Siedlung von den vielen Wohnparks und Gartenstädten im Berliner Umland deutlich ab. Hier fehlt die strenge preußische Ordnung; kein Haus gleicht dem anderen, die Vorgärten sind nicht identisch und die Mülltonnen nicht exakt ausgerichtet. Die meisten Gärten machen den Eindruck, als wohnten hier Menschen, die nicht jedes Wochenende Rasenkanten trimmen.

Das Großprojekt verwundert, denn im Vergleich zu Skandinavien und Nordamerika fristet der Holzhausbau hier zu Lande eher ein Nischendasein. Man zweifelt an der Lebensdauer und trägt Bedenken wegen des Brandschutzes vor. Dennoch wird die Nische immer größer. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern stieg der Marktanteil des Holzbaus von rund 7,5 Prozent im Jahr 1995 auf derzeit rund 15 Prozent. Dieser Zuwachs ist um so erstaunlicher, als es zwischen Holz- und Massivhausbau längst keine Preisunterschiede mehr gibt.

Trotz der Vorliebe der Deutschen für das Massivhaus, ist das Angebot an Holzhäusern enorm. Das Gros der hier zu Lande errichteten Holzhäuser stammt aus eigener Produktion. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2002 in Deutschland vorgefertigte Holzhäuser im Wert von 1,4 Milliarden Euro hergestellt. Das sind etwa 85 Prozent aller Holzhäuser. Im ersten Halbjahr 2003 wurden Holzfertighäuser im Wert von 102,1 Millionen Euro nach Deutschland importiert. Wichtigstes Lieferland war Polen mit einem Anteil von 26 Prozent, gefolgt von der Tschechischen Republik, Estland und den Niederlanden mit jeweils rund 12 Prozent.

Hergestellt werden sie in der so genannten Holztafel- und Holzrahmenbauweise: Die einzelnen Wandelemente bestehen aus Holzständern, die mit Span- oder Gipskartonplatten beplankt sind. Die Holzständer- oder Skelettbauweise, eine Weiterentwicklung des Fachwerkbaus, oder das klassische Blockhaus aus massiven Stämmen oder Bohlen sind wesentlich seltener anzutreffen.

Mit Musterhäusern sind in Borgwalde die Fertighaushersteller Sjödalshus aus Schweden, Boreal aus Norwegen und die Arche Naturhaus GmbH vertreten. Den besten Eindruck von der Fülle der Möglichkeiten und Angebote bekommt man aber bei einem Rundgang durch die Siedlung. Hier stehen Pippi Langstrumpfs „Villa Kunterbunt“ und das wuchtige Blockhaus von Daniel Boone einträchtig beieinander. Zwischen den zahlreichen bunten Sjödalshus-Häusern finden sich nämlich Häuser von Anbietern aus Deutschland, Irland, Polen, Finnland, Estland, Norwegen und den USA.

Gegründet hat die schwedische Enklave in Brandenburg Christian Szerwinski. 1991 entdeckte der Betriebswirt und Immobilienkaufmann das 30 Hektar große Waldstück in Borgwalde und erwarb es von der Treuhand. Als Partner für sein Projekt gewann er den schwedischen Fertighaushersteller Sjödalshus aus der Nähe von Göteborg. „Schweden steckte damals tief in einer wirtschaftlichen Krise“, sagt Szerwinski. Viele Haushersteller haben die Krise nicht überstanden. „Wir boten für Sjödalshus einen willkommenen Markt.“

Von Szerwinskis Architektin geplant und von Sjödalshus gebaut, entstanden so bis 1996 zunächst 35 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 345 Mietwohnungen und sieben Gewerberäumen sowie ein kleiner Supermarkt – alles in Holzrahmenbauweise und mit farbigen Holzfassaden. Per Sattelschlepper und Schiff kamen die von den Schweden vorgefertigten Wandelemente und Dachkonstruktionen nach Borgwalde und wurden hier per Kran zu fertigen Häusern montiert. 35 Millionen Euro – teilweise Fördermittel des Landes sowie Geld privater Kapitalanleger – steckte Szerwinski in die Erschließung des Baulandes und die Errichtung der Mietwohnungen.

Platz für weitere 70 Häuser

Parallel zum Bau der Mehrfamilienhäuser wurden auf dem Areal etwa 230 Grundstücke für Eigenheime vermessen, abgesteckt und erschlossen. Die Grundstücke sind zwischen 570 und 2000 Quadratmeter groß und kosten 67 Euro pro Quadratmeter.

„Heute haben wir noch für ungefähr 70 Häuser Platz“, sagt Szerwinski. Die allgegenwärtige Krisenstimmung macht aber auch um Borgwalde keinen Bogen. In diesem Jahr hat der Unternehmer erst drei Grundstücke verkauft, bis zum Jahresende sollen es höchstens sechs werden. „Die meisten Interessenten kommen aus dem alten West-Berlin“, sagt Szerwinski. Der Osten sei deutlich unterrepräsentiert.

Bei der Gestaltung ihrer Häuser haben die Bauherren nahezu freie Hand. Keine Gestaltungssatzung schreibt Form und Farbe von Dach oder Fassade vor. Welchen Anbieter der Bauherr wählt, bleibt ihm voll und ganz überlassen. Nur an eine Regel müssen sich alle in der Siedlung halten: Eine Holzfassade ist Pflicht. Ob sich dahinter massives Mauerwerk oder eine Holzrahmenkonstruktion verbirgt, bleibt dem Bauherrn überlassen. Dessen Pflicht, eine Holzfassade zu errichten, lässt Szerwinski sich als „dinglich gesichertes Recht“ bei jedem Baulandverkauf ins Grundbuch eintragen. Bisher hielt sich nur ein Bauherr nicht an den Vetrag.

Um der Krise auf dem Immobilienmarkt zu trotzen und den Bau seiner Holzhaussiedlung weiter voranzutreiben, will Szerwinski jetzt mit so genannten Mehr-Generationen-Häusern – natürlich aus Holz – neue Käuferkreise ansprechen. Der Berliner Architekt Dirk Eversberg hat diese Häuser so konzipiert, dass sie ohne großen baulichen Aufwand wachsen und „schrumpfen“ können – genau wie eine Familie. Ein junges Paar mit beschränktem Finanzbudget beginnt mit der „Start-Up-Variante“: ein Haus mit 80 Quadratmetern Nutzfläche. Kommen Kinder, dann wird angebaut und das Haus wächst auf 127 Quadratmeter. Wenn die Kinder ausziehen, dann kann das große Haus in zwei Wohnungen aufgeteilt werden. In die abgeteilte Wohnung können die Großeltern einziehen oder ein Mieter.

Altersgerecht sind die Häuser ohnehin geplant: Die Türen sind breit genug, damit auch ein Rollstuhl hindurch passt. Küche und Bad sind altengerecht und in den Fluren können Handläufe eingebaut werden. Treppen gibt es in dem eingeschossigen Haus nicht, so dass alle Räume ebenerdig und barrierefrei sind. Bei Arche Naturhaus kostet so ein Haus in der ausgewachsenen Version mit 127 Quadratmetern Nutzfläche schlüsselfertig knapp 129000 Euro ohne Grundstück.

Für die Mehr-Generationen-Häuser hat Szerwinski Grundstücke entlang des Selma-Lagerlöff-Rings reserviert. Vor Jahren hatte er diesen Bereich der Siedlung – der wegen seiner Form als Hut bezeichnet wird – an einen Bauträger verkauft. Der ist aber längst Pleite und Szerwinski hat das Land aus der Konkursmasse ersteigert. Die neuen Häuser sollen den „Hut“ einfassen. In dessen Zentrum will Szerwinski einen kleinen, öffentlich zugänglichen, Landschaftspark anlegen. Zwischen Erdwällen und Findlingen sollen im nächsten Jahr ein Kinderspielplatz, ein Seerosenteich, ein Skulpturengarten und eine Vereinshütte für die Borkwalder Pfadfinder entstehen. In die Gestaltung des Parks seien auch Feng-Shui-Prinzipien eingeflossen erzählt Szerwinski. Es muss ja nicht immer nur Schweden sein.

Weitere Infos im Internet unter:

www.borkwalde.com , www.sjodalshus.de , www.arche-naturhaus.de , www.boreal-hausbau.de

Jörn Pestlin

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