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Immobilien: Kandidaten-Check ist die halbe Miete

Wollen Wohnungseigentümer nicht auf Mietnomaden hereinfallen, sollten sie Auskünfte einholen – vorher

Sie ziehen von einer Wohnung zur anderen, zahlen weder Miete, Betriebskosten noch Kaution und verschwinden manchmal mitten in der Nacht. Hat der Vermieter besonderes Pech, gleicht die Wohnung dann einem Trümmerfeld: So genannte „Mietnomaden“ sind der Albtraum eines jeden Vermieters. Zwar handelt es sich nicht um ein Massenphänomen, doch der Schaden, den sie verursachen, liegt im Schnitt bei 25 000 bis 30 000 Euro je Wohnung. Denn zur fehlenden Miete kommen Renovierungs-, Gerichts-, Rechtsanwalts-, Gerichtsvollzieher- und Speditionskosten hinzu.

Marie Luise Erdell, die selbst Opfer von Mietschnorrern wurde und deshalb eine Datenbank für Vermieter gründete, kennt allein in Berlin drei Wohnungen, die durch Mietnomaden derart verwüstet wurden, dass ein Schaden von mehr als 100 000 Euro entstand. Eine Chance, das Geld wiederzubekommen, haben Vermieter nur selten. Denn steht erst einmal die Zwangsräumung an, haben „professionelle“ Mietbetrüger längst – unter dem Namen der Lebensgefährtin oder in einer anderen Stadt – ihr Spiel von Neuem begonnen.

Zu erkennen sind die Mietnomaden für Vermieter nur schwer: Sie fahren mit einem teuren Auto vor und bestechen durch gepflegtes Aussehen und freundliches Auftreten. „Man sieht ihnen die Betrugsabsicht nicht an“, sagt Stefan Diepenbrock, Sprecher von Haus und Grund Deutschland. Und Marie Luise Erdell sagt: „Mietschuldner gibt es in allen Schichten. Doch diejenigen, die niemals vorhaben, Miete zu zahlen, gehören nicht zu den Ärmsten.“ Bundesweit gebe es, so Diepenbrock, bis zu 10 000 derartige Schnorrer – mit steigender Tendenz. Für Berlin ist keine konkrete Zahl bekannt – auf alle Fälle aber wählen sie bevorzugt große, gut ausgestattete Wohnungen. In Großstädten ist die Gefahr für Vermieter größer als auf dem Land, weil flüchtige Mieter einfacher „untertauchen“ können. Und Familien mit Kindern verlassen seltener als Singles ihre gewohnte Umgebung.

„Noch vor drei bis vier Jahren waren Mietnomaden ein völlig unbekanntes Phänomen“, sagt Diepenbrock. Doch seitdem sinke die Zahlungsmoral. Immer mehr Haushalte, auch solche mit gutem Einkommen, sind überschuldet. Die Miete steht bei den laufenden monatlichen Zahlungen dann oft an letzter Stelle –, auch weil Zwangsräumungen meist erst nach sechs bis neun Monaten erfolgen, manchmal auch nach mehr als einem Jahr. Haus und Grund kritisiert deshalb die lange Prozessdauer und fordert eine schnelle Räumung per einstweiliger Verfügung in jenen Fällen, in denen der Mieter vom ersten Tag an nicht zahlt. Aber auch ein entspannter Wohnungsmarkt begünstigt Mietschnorrer.

Haus und Grund sowie Deutschem Mieterbund zufolge kommt es in etwa fünf Prozent aller Mietverhältnisse zu Mietausfällen. Die meisten Schuldner zahlen deshalb nicht, weil sie in finanzielle Not geraten sind – sei es durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes oder durch die Kürzung staatlicher Leistungen. Außerdem, darauf weist der Mieterbund hin, sei die Quote der Mietausfälle mit unter zwei Prozent – nämlich 2,2 Milliarden Euro bei 114 Milliarden, die bundesweit jährlich an Miete gezahlt werden – eher gering. Doch die Rückstände steigen – allein im vergangenen Jahr um zehn Prozent. Während kommunale Gesellschaften oder große Wohnungsbaugenossenschaften Mietausfälle durchaus verkraften können, stürzen sie private Vermieter manchmal in den finanziellen Ruin. Wer zum Beispiel eine Eigentumswohnung gekauft und vermietet hat, gefährdet bei Mietrückständen von mehreren Tausend Euro nicht nur die Finanzierung, sondern verliert unter Umständen auch seine private Altersvorsorge.

Gerade private Vermieter, denen 80 Prozent aller Wohnungen gehören, machen es Mietbetrügern allerdings oft auch leicht. „Sie verlassen sich oft auf ihre Menschenkenntnis“, sagt Marie Luise Erdell. Diese Blauäugigkeit sei gepaart mit einem „gewissen Geiz“. Denn es ist zwar möglich, sich vor Vertragsabschluss über seine künftigen Mieter zu informieren, das aber kostet Geld. Knapp 25 Euro nimmt etwa die „vpaz“ für eine Auskunft aus ihrer Datenbank mit rund zwei Millionen Einträgen. Erfasst werden hier übrigens nur Mietschuldner, denn „jemand muss kein schlechter Mieter sein, wenn er anderswo Schulden hat“, sagt Erdell. Von Datenschutzbeauftragten wird die Datei regelmäßig überprüft, spätestens nach vier Jahren werden Schuldner gelöscht, auf Antrag auch früher. Einen ähnlichen Service bieten die Vermieterschutzkartei sowie Haus und Grund (s. Kasten). Ratsam ist außerdem ein intensives Gespräch mit dem Bewerber. Den Ausweis sollte man sich ebenso vorlegen lassen wie eine „Mieterselbstauskunft“ und eine Schufa-Selbstauskunft des Mieters. Die Investition lohnt sich, denn ist der Mietnomade erst einmal eingezogen, kann der Vermieter frühestens kündigen und Zahlungs- und Räumungsklage bei Gericht erheben, wenn zwei Monatsmieten ausgeblieben sind. Behaupte ein findiger Mieter zudem im Prozess, dass er wegen angeblicher Mängel nicht gezahlt habe, könne er das Verfahren leicht über zwei, drei Jahre hinschleppen, wissen Fachanwälte für Mietrecht.

Nicht nur Vermieter haben übrigens ein Interesse daran, dass alle Mieten gezahlt werden: Schon ein einziger Mietnomade im Haus kann nämlich die gesamte Investitionsrücklage aufbrauchen – für notwendige Sanierungen oder Instandhaltungen ist dann kein Geld mehr da – worunter dann alle zahlenden Mieter leiden.

Jutta Burmeister

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